Hin und Veg

Vegane Restaurants haben Konjunktur und lustige Namen.

Sie haben Namen für ihre Gerichte, die oft an Tiere erinnern – Vurst und Fisch – und auch für sich selbst haben sie Namen – Extravegant -. Ganz rührend sind die Speisekarten, weil man dort vom Rechtschreibfehler über den kreativen Sprachgebrauch bis zur Aneinanderreihung meist gänzlich unbekannter Zutaten so ziemlich alles findet. In diversen sozialen Medien zeigen sie dann auch Fotos von ihren Gerichten. Jeder, der sich schon einmal in der Fotografie von Speisen versucht hat, wird wissen, dass die Bilder meist einem lauen Abklatsch der Gerichte gleichen, wenn man ohne die spezialisierten Fotografen und ihren Studios auskommen will. Um so verwunderlicher finde ich, dass solche veganen Restaurants wohl auch schlechte Lieblingsbilder zu haben scheinen. Ein ganz bestimmtes Anti-Jäger-Schnitzel mit Pommes und Salat sehe ich nahezu wöchentlich und mir wird etwas übel, wenn ich daran denke, dass dieses eine Schnitzel nun schon seit mehreren Jahren angeboten wird. Es wirkt mit der Zeit insgesamt ärmlich und angestaubt jenseits des Mindesthaltbarkeitsdatums. Manchmal sieht man auch ein Vegg-Lett als nachempfundenes Omelett.

Da preise ich doch gern meine nun ebenfalls mehrere Jahre alte Falafel an. Und ich scheue mich nicht, sie immer mal wieder vorzuführen.
Ich glaube, ich mache das jetzt auch wirklich mal öfter!
Ich koche nur privat – immer frisch!

Leidgeprüft

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sprach in Dortmund die deutsche Haltung zum Völkermord an den Armeniern an.
Die Welt schreibt heute:
Da ist es wieder:
Das Beleidigtsein ohne vorausgegangene Beleidigung.

Das ist Betroffenheit ohne betroffen zu sein.
Es wird ja oft zu wenig beachtet:
Man neigt gern einmal dazu, Gefühle zu zeigen, die man gar nicht hat, um jedem Argument vorzubeugen. Denn geäußerte Gefühle zweifeln wir fast nie an, weil es der Respekt vor dem anderen so vorgibt.
Ob man überhaupt die Geschichte beleidigen kann, das glaubt der Sprecher wohl selbst nicht. Er zieht sich das Beleidigtsein an und spricht so, als sei nur die Geschichte beleidigt worden.

Über das V-Wort

Das Leben wäre in diesen Tagen auch für manchen Türken einfacher, wenn er aufnehmen würde, dass der Sprachgebrauch frei ist und beispielsweise das Wort Völkermord wie jedes andere Wort auch zur freien Auswahl steht. Auch in dem Verhältnis von Türken und Armeniern kann und darf also selbstverständlich Völkermord thematisiert werden. Eine Gegenrede ist jederzeit möglich. Möglich ist es aber nicht, für andere verbindlich den Sprachgebrauch über die Deklaration von Tabuwörtern zu regeln.
Das widerspricht grundlegenden Freiheitsrechten und bewirkt eine Selbstisolation im Bad kruder Verschwörungstheorien.

Das Gute an der Sprache ist, dass sie an die Gemeinschaft der Sprechenden gebunden ist. Der Versuch, Vorschriften für den Sprachgebrauch zu machen, wird also unweigerlich scheitern.

Wortwahl Flüchtling

Die Robert-Bosch-Stiftung hat erforscht, warum die Leute nach Deutschland kommen. Die wenigstens kommen jedenfalls mit dem Vorsatz, als politisch Verfolgte dort um Asyl zu bitten. Die meisten kommen aus einer Notlage, die sich ohne eine Flucht nicht bewältigen ließ. Sie kommen einfach nur als Flüchtlinge. Wenn man sie fragt, sind die Einzelheiten ihres Motivs jeweils einzigartig kombiniert. Das, was sich in Politik und Verwaltung um den Begriff Asyl rankt, spielt für sie eigentlich keine Rolle.

Dennoch werden Flüchtlinge mit der Ankunft in Deutschland zu Asylbewerbern. Das ist zunächst unverständlich, weil sie gar keine sind und auch weitestgehend keine Chance haben, also solche anerkannt zu werden.
Der Hintergrund ist die fälschlicherweise gleichbedeutende Verwendung der Begriffe Flüchtling und Asylbewerber ausgehend von der Presseberichterstattung. Der Hintergrund ist aber auch eine spezifische Gesetzeslage, die den Flüchtling in den Status des Asylbewerbers zwingt: Er wird ungefragt, geradezu automatish zu einer Antragstellung als Asylbewerber geleitet. Er hat zwar keine Chance als Asylbewerber anerkannt zu werden – lediglich jeder 20. wird anerkannt – hat aber für die Dauer des Verfahrens erst einmal etwas Geld und eine sichere Bleibe. Was Asyl tatsächlich ist, wird er auf Wunsch eventuell hinterher erfahren.
Es ist schon eine starke Portion Gewalttätigkeit im Spiel, vom Flüchtling zum Asylbewerbern gestempelt zu werden. Aber so friedfertig wie gewünscht sind die Deutschen ja nicht, auch nicht in Parlamenten und Behörden.
Mein Wunsch ist es, dieses gewalttätige Wort Asylbewerber für diejenigen Leute wieder abzuschaffen, die einfach nur Flüchtlinge sein wollen – und um die wir uns selbstverständlich auch so zu kümmern haben. Die Genfer Flüchtlingskonvention sagt, wie das geht. Und wir wissen das wahrscheinlich auch ganz gut.

Auf dem Weg zur veganer Sprache

Eigentlich ist es klar: Eine Sprache kann überhaupt nicht vegan sein, auch nicht, wenn man auf das Wort Schweineschnitzel verzichten würde. Denn die Sprache lebt gegen alle Regelhaftigkeit.
Jetzt sehe ich aber gerade im Internet: „Vegane-Flusskreuzfahrten“ im Angebot. Mich irritiert zunächst der störende Bindestrich. Vor allem sehe ich aber nicht, an welcher Stelle so eine Kreuzfahrt vegan sein soll. Es geht doch um Menschen und ihren ethisch begründeten Umgang mit Tieren, wenn von vegan die Rede ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Schiff kein Leder verarbeitet wurde und der Kapitän keine Ledertasche hat und sich kein unerfahrener Lachs in der Schiffsschraube verheddert. Jetzt lese ich, dass es dort untervegs (sic!) auch Vurst (sic!), Vraps (sic!) und Vrikadellen (sic!) gibt. Wenn das alles auch nur Marketing ist, vermisse ich darin doch die versprochene Ethik und erkenne auch keine Bereicherung der Sprache. Ich bin allerdings überrascht, in welchen irrsinnigen Zusammenhängen veganisiert wird. Ich kenne es auch aus anderen Gemeinschaften, die eine bestimmte Ethik teilen: Ihre Mitglieder werden mit der Zeit etwas seltsam in ihrer Ausschließlichkeit und besiedeln die Welt ohne zu vragen und basteln sich ein eigenes Vokabular, eine eigene Forschung und vieles mehr …
Weil es nahezu keinen veganen Impfungstoff gibt, stößt der Veganer auch schnell auf Gruppen, die den gottgeschenkten Körper ohnehin vor jeder Spritzennadel bewahren. Ich befürchte über solche Kontakte eine Verbreiterung der ethischen Basis bei gleichzeitigem Verzicht auf den herrschaftsfreien Dialog der Subjekte.
Okay, ich bin ziemlich stark auf Gemüse, aber vielleicht ist immer noch zu viel Käse dabei. Ich meide allein wegen des Namens plant based Clean-Eating-Restaurants.
Ich bitte darum, auf Keseproben an meine Adresse zu verzichten! Bienenerbrochenes mag ich ohnehin nicht.
Ich kenne aber einen Veganer in Gorgonzola. Er teilt meine ehrliche Überzeugung, dass Tiere, die in Medien mit humanoider Attitüde vorgeführt werden, Missbrauchsopfer sind.

Dieser und jener Neger

Das Logo der Mainzer Dachdeckerfirma Neger ist neuerdings umstritten.

Der verstorbene Firmeninhaber und Karnevalssänger  Ernst Neger
– „Allein die Erstaufführung des „Humba Täterä“ 1964 führte zu einer einstündigen Überziehung der Übertragung, weil sich das Publikum nicht beruhigen konnte.“ (aus: Wikipedia) –
hat es in den 50er Jahren selbst entworfenen.
Wem das Logo rassistisch ist, der kann ja zum Dachdecker Farbiger gehen.

Hätte der Ernst Neger sich seinen Namen von einem Namenforscher erklären lassen, dann wäre für sein Logo ohnehin ein Näher – mit Nadel und Faden – dabei herausgekommen.

Reparation

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb am 6. 3. 2014: „Reparaturen und Reparationen –

Gaucks Reparaturbesuch in Athen kam an der Frage nach Reparationen nicht vorbei.“

Im Gegensatz zu Reparaturen gibt es Reparationen immer nur dann, wenn es nichts mehr zu reparieren gibt und Täter und Opfer Staaten sind, wobei der Täter abschließend geächtet worden ist.

Ich vermute stark, dass sich da in irgendeiner Nachkriegszeit ein Deutscher mit einer Wortneuschöpfung doch noch unsterblich machen wollte.
Weil man ja stets, wenn man von Reparaturen und Reparationen spricht, einen Kontext formuliert, zweifle ich daran, dass man zwei Wörter gleicher Ausgangsbedeutung braucht. Ein Wort würde mir reichen – zumal Chirurgen im Rahmen einer Operation bisweilen auch eine Reparation anbieten.

Mit Nichten und anderen Verwandten

Es gibt ja Zeitungen auf hohem Niveau. Es macht Freude, sie zu lesen. Die Autoren und Redakteure haben Sachverstand und können ihn in Texte auf wunderbare Art und Weise zu einem Artikel verarbeiten. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber einige sind für mich so richtige Stars.
Insbesondere in der lokalen Berichterstattung gibt es aber auch das Gegenteil: Dumpfe Allzweckjournalisten hacken wild Buchstaben zusammen und überlassen den Rest der automatische
Rechtschreibkorrektur. Jetzt habe ich aber erkannt, dass ihr Texte trotzdem an Humor nichts zu wünschen übrig lassen. Wie käme es sonst, dass der Autor sich mit inszenierter Dramaturgie eine Frage stellt, um sie sogleich selbst zu beantworten. Die Antwort lautet in seltener Präzision „mit Nichten“ … Der Leser kann also nicht umhin, davon noch mehr zu fordern: Nicht nur mit Nichten, eigentlich mit allen Menschen der Welt, ohne Rücksicht auf Verwandtschaftsverhältnisse, Geschlecht, Rasse und sexuelle Orientierung. Wir ziehen doch schließlich alle an einem Schrank.
WAZ3:15