Allianzen

Mittlerweile gibt es Allianzen, an die früher niemand ernsthaft gedacht hat.

Sexismus und Gewalt gegen Frauen schweißen gerade Islamisten, Nazis und Feministinnen zu Geistesverwandtschaften und sogar zu wilden Aktionsbündnissen zusammen, sicher nicht alle, aber doch bemerkenswert viele. Sie finden sich in einem Aktionismus wieder, der mit der demokratischen Bewältigung anstehender Probleme nach den Ereignissen von Köln konkurriert. Das verschärft die Situation zusätzlich.

Texte der Nazis im Schulunterricht

Ich bin dafür!

Seitdem das Lesenkönnen kein Privileg mehr ist, gibt es immer wieder Versuche mit verbotenen Büchern, das eine oder andere vom Bürger fern zu halten. Es dient seiner Entmündigung, wird aber stets so begründet, dass es zu seinem Schutz dient. Offenbar gibt es zu jeder Zeit bevorzugte Besserwisser, die die sündige Welt schon einmal vorgekaut und vorverdaut haben.
Mit der Hinwendung zu den Menschenrechten hätte bereits klar sein müssen, dass der mündige Bürger es selbst in der Hand haben muss, Texte zu lesen und sich ein Urteil über die Welt zu bilden. Aber es dauert nach vielen Exzessen der Bevormundung bis in die heutige Zeit, dass gegen jede Erkenntnis und Erfahrung der Mensch vor dem Menschen bewahrt werden soll. Ursprünglich galten pauschal alle neuen Ideen als gefährlich. Über Bücher vermittelte Flausen wurden gern, wenn man sie hochrechnete, als gefährdend für überkommene Herrschaftssystem und Herrscher gebrandmarkt. Heutzutage gibt es das in dieser Form wohl noch in Saudi-Arabien und einigen anderen Ländern. Eine eigenwillige Interpretation des Koran kann dort tätliche Folgen haben. Wir haben dagegen gelernt, dass man viele gute Theateraufführungen sehen kann, ohne es direkt zu merken und bei einer schlechten Aufführung erst lernt, was ein gutes Theaterstück überhaupt ausmacht. Wir lesen die Bücher, die wir wollen und gewinnen Kategorien, diese Bücher auch zu beurteilen. Aber leider ist es doch nicht immer so. Es kann sein, dass wir durch Medien für Sichtweisen angefixt werden, die uns beim besten Willen nicht mehr los lassen. Wir tauchen ein und legen unsere Selbstbestimmung ab, in der die Kritik an anderen und an uns selbst aufgehoben ist. Das wird bei dem besagten zweifelhaften Bestseller vergangener Epochen wahrscheinlich nicht so sein. Ihn aus dem Weg zu räumen, bedeutet aber, das alltägliche Feld der Auseinandersetzung so zu begradigen, dass der erstbeste Scharlatan eine Chance bekommt, weil uns das Werkzeug fehlt, ihm zu begegnen. Wenn nun Hitlers „Mein Kampf“ zum Gegenstand es Schulunterrichts wird, dann werden die Werkzeuge zum Umgang damit direkt mitgeliefert. Das sind nicht nur die Werkzeuge der Textanalyse und Textinterpretation, es ist auch das Werkzeug des herrschaftsfreien Gesprächs. Das ist ja noch viel besser, als wenn das Buch einsam bewältigen muss. Und – wie angedeutet – man liest viele gute Bücher, ohne es zu merken. Mit einem schlechten Buch erfahren wir plötzlich, was ein gutes Buch ist.

Über den Sex mit Nazis

„Kein Sex mit Nazis“ – liest man ja immer wieder auf großen Plakaten.
Das gilt nach meiner Ansicht aber allein für den Sex, den Nazis untereinander veranstalten. Wer sonst, hätte gegen Sex mit Nazis nichts einzuwenden?
Auch die geschlechtliche Vermehrung der Nazis ist damit nicht mehr unumstritten produktiv.
Und nun kommt die Botschaft des Grauens: Dass Hitler in seiner Behodung einseitig benachteiligt war – wie jetzt die Presse berichtet -, wirft mich nicht um, aber ein eher düsteres Licht auf das neonationalsozialistische Sexszenario. Es ist eigentlich ganz einfach, als Evolutionsbremse seinem Vorbild nachzueifern, indem man sich einfach irgendeinen Hoden abbindet. Aber mich würde es nicht wundern, wenn die Neonazis sich mit halben Sachen in dieser Angelegenheit nicht zufrieden geben.

Wer hat dem Attentäter von Köln das Messer geführt?

In der Presse werden in diesen Zeiten des Flüchtens und der faschistischen Weltdeutung alle aufgezählt, die das Messer geführt haben, das ein vermeintlich stark beeinträchtigter Mensch aus der Neonaziszene ins Ziel geführt hat. Das Attentat hat die aussichtsreiche Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln getroffen. Ich bin mit diesen Aufstellungen sehr einverstanden.

Sie haben aber zwei Mängel:

  1. Offenbar agieren die Brandstifter in einer unspezifischen Nähe zum Problem. Während die Wutbürger und geächtete Autoren, wie Sarrazin und Konsorten schnell genannt werden, werden die Namen der auffälligen Leute aus den etablierten Parteien schon sehr viel seltener genannt und zum Schluss bleibt es beispielsweise ziemlich unklar, ob der bayrische Ministerpräsident Seehofer dazu gehört oder doch nur ein humoristischer Selbstdarsteller ist. Selbst die Polizeigewerkschaft, die jetzt Grenzzäune gegen Flüchtlinge fordert, müsste als Institution der Brandstiftung gebrandmarkt werden. Anstatt die ewig Verdächtigen zu benennen, wäre es sinnvoll, sich gedanklich langsam in die konzentrische Ferne zum Problem zu bewegen und auszumachen, was wirklich gespielt wird. Offenbar entwickelt sich ein umfassender Zeitgeist, der klammheimlich gerufen wurde und die Ideen von Vielfalt und Demokratie verstopft und  ab und zu aufsehenerregend über konkrete Menschen in Erscheinung tritt.
  2. Es gibt eine sehr große Gruppe vor allem auch prominenter, sachgerechter Kritiker gegen Nazis und gegen Gewalt an Flüchtlingen. Sie liegen mit ihrer Kritik meistens richtig, richten aber ihre öffentliche Präsenz mit viel Zuspruch an der Idee vom sehr, sehr dummen Nazi aus. Dieser Kunstgriff macht die Kritik einfach und lustig. Er hat aber den Haken, dass man Dummheit niemandem vorwerfen kann. Der Effekt ist, dass dem abgehängten Proletariat im Dunstkreis der Naziideologie der Rückweg in demokratische Vollzüge damit gänzlich abgesperrt wird. Was machen wir mit dummen Menschen, die sich nicht radikal betätigen? Wir fördern sie!!! Es ist angesichts der skizzierten Brandstifterszene zugegebenermaßen schwer – aber alles andere verschärft nur die Distanz. Und das kann auch so gedeutet werden, dass hier den Nazis in der Aussichtslosigkeit einmal mehr das Messer geführt wird.

Koppelungen

Es passiert immer wieder, dass brisante Themen durch ihre Kopplung an Beachtung gewinnen. Unser Umgang mit den Nazis ist so ein Thema und unser Umgang mit den Flüchtlingen auch. Nun sorgen die Nazis mit ihrem abwehrenden Angriff auf alles Unbekannte zunächst selbst für eine Kopplung der Themen. Die gesteigerte Aufmerksamkeit nutzt ihnen. Mittlerweile etabliert sich diese Kopplung aber, und wir neigen dazu, bei dem einen Thema immer auch an das andere zu denken. Weil es vor allem ein Flüchtlingsleben ohne Nazis gibt, tun wir aber gut daran, es aus dieser Verbindung zu lösen, damit die Aufmerksamkeit für die Nazis ohne Flüchtlinge stattfindet.
Es ist witzig, wenn Netzaktivisten gern einen Nazi gegen einen Flüchtling eintauschen wollen. Ich lese das öfter. Aber es hilft eher den Nazis als den Flüchtlingen, beachtet zu werden.

Neonazis machen ihr Ding, auch wenn der WDR nicht berichtet

Der WDR In Dortmund berichtet nicht über den Angriff von Neonazis auf ein im Bau befindliches Flüchtlingsheim. Man möchte den Tätern die öffentliche Beachtung verweigern und stuft sie als krank mit einer „erheblichen paranoiden Persönlichkeitsstörung“ ein.

Damit sind zwei journalisische Grundentscheidungen getroffen worden, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

1

Das, was man nicht mag, ausgrenzend als krank zu stempeln ist die Praxis totalitärer Herrschaftssysteme, die ebenfalls gern ganz außerhalb einer fachlichen Würdigung die Diagnose bestimmen. Die jüngere deutsche Geschichte ist voll davon. Kopiert hier der WDR ideologisch die Vereinnahmung der Psychiatrie durch die Nazis? Was wäre denn nun, wenn ganz echte Nazis ohne jede Einschränkung ihrer Schuldfähigkeit das potentielle Flüchtlingsheim zerlegt haben? Man muss auch damit rechnen.
Hinzu kommt, dass die Kategorie Flüchtlingsheim eine Erfindung einer hilflos sparsamen Politik ist, die die Flüchtlinge mit minimalem Aufwand aufs Wartegleis schieben will. Die Erfahrung zeigt, dass in diesen Heimen eine Förderung der Flüchtlinge und ein alltäglicher Umgang mit Ihnen nahezu unmöglich ist. Ihnen sollten auch aus Kostengründen ohne Begrenzung frei finanzierte Wohnungen und adäquate Hilfen offen stehen. Um das zu vermitteln, muss man selbstverständlich kein Gebäude schreddern.

2

Die Presse kann ihrer allgemeinen Informationspflicht nicht ausweichen, im öffentlich-rechtliche Zusammenhang des WDR darf sie das auch nicht. Die Auswahl der Themen ist im Wesentlichen nicht beliebig. In allen Krisenherden der Welt wird unvermeidlich die Presse ganz nebenbei zum Sprachrohr verabscheuenswürdiger Gewalttäter und verbreiten deren Ideologie gleich mit. Sie infizieren damit nicht den Bürger als Mediennutzer, der sich mediengestützt die Welt aneignet, sondern liefern ihm das Material, was er dazu braucht. Entscheidungen trifft also der Mediennutzer selbst. Es ist genauso eine Anmaßung, Ereignisse zu übersehen, wie sie zu erfinden. Auch wenn man sich vieles appetitlicher vorstellen würde, die gute Presse kocht eben nicht selbst.
Am Beispiel „Pegida“ haben wir gesehen, dass die Presse auch ziemlich nichtssagenden, aber bezeichnenden Initiativen zur öffentlichen Beachtung verhilft. Die Gegendemos haben diese Beachtung  noch einmal gesteigert, bis der Spuk, wie vorausgesagt, kollabiert ist. Niemand ist auf die Idee gekommen, das Ganze durch Nichtbeachtung in der Presse abzukürzen. Das wäre auch nicht lehrreich gewesen.