Triage ist ein Begriff aus der Katastrophenmedizin und beruht auf leidvollen Erfahrungen. Aus diesen Erfahrungen kann selbstverständlich für die Medizin außerhalb von Katastrophen das eine oder andere übernommen werden. Triage bezieht sich auf Situationen, in denen sehr viele Schwerverletzte in einer unübersichtlichen Situation nach einem Alarm auf Fachleute aus dem Gesundheitsbereich treffen, die keine helfende Infrastruktur vorfinden aber in der Not wenigstens mobile, aber immer noch unzureichende Hilfsmittel dabei haben, um trotzdem wirksam zu helfen. Sie haben also keine Rechtsnormen oder Verständigungen über Verfahrensweisen und sie müssen unmittelbar handeln. Dabei ist es meist so, dass man eben nicht allen gleichzeitig helfen kann und sich punktuell denen zuwendet, deren Verletzung unmittelbar behandelt werden muss und die nach einer ersten Einschätzung in der bestehenden Situation auch wirksam, meist lebensrettend geholfen werden kann. Auch medizinische Verfahrenstechniken und Hygienebedingungen sind dabei meist eingeschränkt. Man wendet sich dann mit medizinischer Absicht nicht denen zu, die mutmaßlich sehr schnell sterben werden. Die Situation ist also stets ethisch unbefriedigend und dennoch vom Ethos der Medizin getragen. Es ist naheliegend, dass in solchen Situationen die Rechtslage pragmatisch in den Hintergrund tritt. Gleichwohl bleibt die Frage bestehen, oder der eine oder andere Akteur in dieser und jener Situation nicht anders hätte handeln müssen. Eine Antwort dazu wird es aber nur selten geben, weil jeder Akteur mit seiner schnellen Einschätzung per se einen schmalen Blickwinkel hat und nicht über die Zeit verfügt, um weiter differenzierend zu gucken und dann auch zu handeln.
Der Bundesgerichtshof hat nun in einem Urteil feststellt, dass es einer Regelung des Gesetzgebers bedarf, um Behinderte davor zu schützen, in einem Triageverfahren aussortiert zu werden. Das gebietet das Grundgesetz. Das ist einerseits richtig so, verordnet aber der medizinischen Praxis in der Katastrophe Regelungen, die für die geordnete Bewältigung entwickelt worden sind, also beispielsweise eine Begutachtung einer Patienten unter 4 oder gar 6 Augen. Und damit verlässt der Schrecken der Triagepraxis die Katastrophe und zwingt alle Akteure in einen zeitfressenden bureaukratischen Ablauf, den es ja gerade zu vermeiden gilt.
Man merkt schnell, dass sich die Ungerechtigkeit in Situationen der Triage nicht vermeiden lässt. Deshalb sollten im Vorfeld einer Triage alle Vorkehrungen getroffen werden, dass sie erst gar nicht eintritt. Das sichert letzt sich auch die Rechtsstaatlichkeit. Man braucht also politische und administrative Regelungen im Vorfeld der Triage, deren Nichteinhaltung an unmittelbare Konsequenzen gebunden ist.