Die Pipi-Langstrumpf-Kaserne

Es werden neue Namen für Kasernen gesucht, deren Namen als Aushängeschilder ja immer schon fragwürdig waren, ohne dass wirksam gefragt wurde, ob dieser oder jener Name wirklich sein muss.

Die letzten Realschulen mit Namen verdienter Nazis heißen mittlerweile Pippi-Langstrumpf-Schule, damit nichts mehr schief gehen kann, denn Namen sind ja auf Dauer angelegt.
Nun sind die Kasernen dran.
Die Rommel-Kaserne ist nach einem ziemlich genialen Kriegshandwerker im 2. Weltkrieg benannt, dem lange Zeit ein edles Seelenleben zugeordnet wurde. Auch das ist nun nicht mehr haltbar. Die Tilly-Kaserne trägt einen Feldherrn im Schilde, der im 30-jährigen Krieg sehr viel Leid befehligt hat. Das ist ja auch nicht viel besser. Jetzt müsste man auf Heinrich-Böll zurück greifen, der den Krieg gut kannte und Pazifist war. Er würde sich allerdings im Grab herumdrehen, wenn eine Kaserne nach ihm benannt würde. Es gab dann auch noch bis 2014 die Alfred-Delp-Kaserne in Donauwörth, benannt nach einem katholischen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, der wohl nie aktiv mit dem Kriegshandwerk zu tun hatte. Man wird nie erfahren, ob er der Namensgebung zugestimmt hätte.
Die Namen gehen aus. Es bleiben Bezeichnungen wie Wald-und-Wiesen-Kaserne oder Kaubitzen-und-Granaten-Kaserne oder Kaserne1-Köln. Das alles ist nicht überzeugend.
Schließlich läuft dann doch wieder alles auf die Pippi-Langstrumpf-Kaserne hinaus.
Mir soll es recht sein!


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Schwarzbraun

Jetzt landet das Verteidigungsministerium in der Riege aller Volkstheater:
Ein Liederbuch der Bundeswehr kommt auf den Index. Das Panzerlied und das Lied von der schwarzbraunen Haselnuss wurden beispielsweise als unwürdig markiert.
Die Soldaten der Bundeswehr singen diese Lieder überall und öffentlich seit 60 Jahren. Da mag ich nicht glauben, dass das niemand gehört hat oder dass niemand je ein befohlenes Lied zu singen verweigert hat.
Dort im Ministerium wird nun Volkstheateraktionismus außer Rand und Band und ohne Verstand inszeniert, um irgendetwas zu retten, was offenbar niemand so genau kennt. Vielleicht ist es ja nur die Ministerin.
Meine Empfehlung als Marschlied ist auf alle Fälle „Yellow Submarine“ von den Beatles — wenn man denn überhaupt marschieren will.


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Der Staub der Jahre

Der Generalinspekteur ordnet gerade die Durchsuchung aller Kasernen an, um fragwürdige Symbole des rechtsradikal interpretierten Kriegshandwerks aufzuspüren.
Er kritisiert damit – zu Recht oder zu Unrecht – die alltägliche Arbeit der Kompaniefeldwebel und die vor dem Wochenende üblichen Kontrollen aller Stuben und Reinigungsreviere. Es ist nicht anzunehmen, dass die von dem Inspekteur erwartete neue Sensibilität etwas hervor bringt, das die Standardaugen nicht schon zigmal gesehen haben. Offenbar ist es mit dem Vertrauen in die Urteilskraft der bereits etwas beförderten Soldaten nicht weit her.
Ich erinnere mich an ein Beispiel gänzlich anderer Art: In meiner Wehrpflichtzeit gab es im Eingangsbereich des Kompaniegebäudes einen Schaukasten mit Texten und Gegenständen zum politischen Zeitgeschehen, den ich abwechselnd mit einigen anderen aktuell gestalten durfte. Es wurde deutlich betont, dass eine Zensur nicht stattfindet. Sobald der Kasten dann aber gestaltet war, haben der Kompaniechef und der Kompaniefeldwebel die Arbeiten begutachtet und die Verantwortlichen gebeten, das eine oder andere zu ändern. Die Diskussionen darüber waren ziemlich blödsinnig, weil stets das besser Wissen fehlte. Manchmal wurde man gar in der Liste der Schaukastengestalter heimlich nach hinten verschoben.
Man sieht an beiden Beispielen, dass das propagierte Idealbild des Bürgers in Uniform bis heute eher uniform bewahrend ist und sich möglicherweise auch an Hakenkreuzen kaum stören mag, wenn sie erst einmal überliefert sind und Staub angesetzt haben. Irgendwelche humanen Innovationsschübe kann man weit und breit nicht ausmachen.
Nur zur Vollständigkeit: Ich wurde nie als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und hatte aber eine gesellige, lehrreiche 18-monatige Wehrpflichtzeit und einen allseits hoch geachteten Status.

Schnittmenge: Von Land zu Land

Es gibt ja fast 200 Länder auf der Erde. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, wenn von einem x-beliebigen Land die Rede ist, es irgendwo auf unseren innern Landkarten wiederzufinden.

Und jetzt kommt die Stufe zwei: Länder mit wenigen gleichen Merkmalen werden gemeinsam in unterschiedlichen, auch überschneidenden Stückelungen betrachtet und deshalb unter einem neuen Namen vereint. Es gibt die EU-Staaten, die Maghreb-Staaten, die OPEC-Staaten, die ASEAN-Staaten, die BRICS-Staaten, der Schengen-Raum usw. Daraus ergeben sich dann schon passable Quizfragen danach, wer das ist, welches Interesse dahinter steckt und wie stark die Gemeinsamkeit überhaupt vertreten wird usw.
Diese Verbundbezeichnungen verkürzen das Gespräch, verlassen aber auch die Alltagssprache und dienen dazu, die Gruppe der Wissenden exklusiv zu halten.
Manchmal wären wir also gut beraten, uns die Zeit zu nehmen, die Staaten einfach mal wieder in der vereinzelten Form zu benennen. Beispielsweise bei den Magreb-Staaten halte ich das fast immer für angebracht. Die Aufzählung der zuzuordnenden Länder würde die Sprache ohne Zweifel gerechter machen.

Ist Nagy Notsch?

Wenn man in einer bestimmten Sprache spricht, dann sind Namen, die ihren Ursprung in anderen Sprachen haben, oft ein Hindernis. Bei den Namen der Länder und vieler größerer Städte muss man meist nicht auf die Ausgangssprache zurück greifen. Man sagt Frankreich und nicht France und Nimwegen und nicht Nijmegen. Bei Namen von Menschen wird es aber brenzlig. Man würde ja den englischen Mr. Miller nicht Herrn Müller nennen und Guiseppe nicht Josef. Wir sind also in solchen Fällen gehalten, das Original beizubehalten und es phonetisch so weit wie möglich nachzubilden. Das führt nicht selten dazu, dass der eine oder andere mangels einschlägiger Fremdsprachkenntnisse sozial auffällig damit umgeht. So machen die Sportjournalisten im ZDF gern aus dem belgischen Weltklassespieler Hazard einen „Hasart“ anstatt einen „Asaar“. Das lässt sich ja verschmerzen, weil nicht im Unklaren bleibt, um wen es da eigentlich geht. Wenn aber nun der ungarische Spieler Nagy „Notsch“ genannt wird, dann verliert man gern den bezeichneten Spieler aus dem Blick. Ich habe recherchiert, dass der Ungar den Namen Nagy tatsächlich „Notsch“ ausspricht. Da hat das Journalistenteam wohl gute Arbeit geleistet. Allerdings ist der Sinn des Journalismus, dem Rezipienten zu einem besseren Verständnis zu verhelfen, dabei auf der Strecke geblieben. Der Modaldeutsche wird wohl Notsch (gehört) und Nagy (gelesen) weiterhin für zwei Personen halten. Vermutlich gibt es noch viele andere sprachliche Missverständnisse dieser Art. Missverständnisse machen uns menschlich. Das Missverständnis ist ja auch der Normalfall der Kommunikation. Ich plädiere trotzdem dafür, in diesem Fall Nagy zu sagen. Ich könnte allerdings auch meinen Hamster Nagy nennen.

Der Name des Brotes

Brote sind mit gutem Grund ein nur schwer verzichtbares Lebensmittel. Die Brotsorten gehen in die Tausende. Früher wurden Brote nach dem Herstellungsverfahren, nach den Zutaten und später dann oft nach den Orten bezeichnet, an denen sie ursprünglich besonders viel Beachtung fanden. Es war bei der Verständigung im Bäckerladen alles noch sehr einfach. Selbst Zugereiste auf fernen Ländern konnten ohne weitreichende Probleme mitreden.

Mittlerweile ist es anders. Man verlässt mit dem Eintritt in den Bäckerladen seinen angestammten Sprachraum weitgehend und lässt sich mit Backwerkbezeichnungen eindecken, für die es kein allgemein gültiges Wörterbuch gibt. Man ist also sprachlos zwischen Weltmeisterbrot, Fitnessbrötchen Mini-Sonne, scharfem Griechen, Nonnenfurz und Ostblock. Es ist offenbar so, wie es auf Speisekarten schon länger üblich ist: Es werden Kosakenzipfel kreiert und sie dürfen vom Foodartisten dann so ausgerufen werden. Er bastelt also, um es im Jargon der Betriebswirtschaft zu sagen, einen Namen als Alleinstellungsmerkmal. Perfide wird die ganze Sache, wenn der Kunde an dieser Bezeichnung nicht vorbei kommt. Das beliebteste Brot ist deshalb seit Jahren das Das-da.

Der emanzipierte Gesprächsteilnehmer verweigert es also, den Sprachgebrauch um sinnlose Vokabeln zu erweitern und stößt damit auf Unverständnis im Bäckerladen. Er steht zwischen den Kunden in einer Sackgasse und versteht fast nichts mehr. Dem Menschen aus einem fernen Land wird auch der Mönchsstengel nur schwer zu vermitteln sein.

Ich habe mich entschlossen, eine präzise Zeigefingergestik einzuüben und arbeite damit. Die Antwort war heute: „Meinen sie die Bauernwecken? – mit oder ohne?“

Ich bin uneingeschränkt dafür, dass der Kunde sagt, was er will und ihm nicht vorgegeben wird, was er sagen soll. Der Rest regelt sich von allein: „Geben sie mir bitte ein Onjeschwedde!“

Meine Höchststrafe wäre es, wenn ich zu einer unbekannten Bäckerei mit dem Auftrag geschickt würde, ein Radlerbrot mitzubringen.


Da fällt mir noch eine Geschichte ein:
Vor vielen Jahren war der Hans aus Düsseldorf auch dabei, als wir mit einer großen Gruppe in den Schwarzwald fuhren. Wir waren so sehr gebildet, dass wir wussten, dass Holländer Kirsch in Düsseldorf Tusnelda heißt. Hans war aber offenbar die Ausnahme. Er bestellte im Café also eine Tusnelda und war fortan in ein erkenntnisleeres Gespräch verwickelt, das noch andauerte, als alle anderen bereits jeweils ein Stück Schwarzwälder Kirsch gegessen hatten.
Übrigens: Man sollte stets das Bier trinken, das am Ort gebraut wird.