In Nordrhein-Westfalen hatte die obskure Idee der Bundesministerin von der Leyen, im Jahr 2011 „Bildungs- und Teilhabepakete“ über den Kommunen abzuwerfen, ganz abenteuerliche Konsequenzen. Hauptsächlich wurden Leistungen, die es immer schon gab, mit bureaukratischem Aufwand umfinanziert, um das unerwartete Geldgeschenk dann auch zu verbrauchen. Das Geld hätte ursprünglich – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – den armen Menschen zugute kommen sollen. Nach Ansicht der damaligen Regierung, wären die damit mutmaßlich aber nicht vernünftig genug umgegangen.
Vor allem die armen Kommunen im Ruhrgebiet hatten eine tolle, aber eben auch unvernünftige Idee, mit dem Geld nämlich weitere Mitarbeiter zu beschäftigen. Weil die armen Kommunen Neueinstellungen eigentlich ausgeschlossen hatten und bei manchen sogar die Finanzaufsicht des Regierungspräsidenten Neueinstellungen untersagte, machte man aus den Personalkosten, einfach Sachkosten. Das ging nach bewährtem Muster so, dass Träger der Jugendhilfe für die Sachaufgabe „Schulsozialarbeit“ Geld bekamen und dann ihrerseits dieses Geld als Personalkosten einsetzten. Das war förmlich nicht zu beanstanden.
Nebenbei stellt sich aber die Frage, ob nicht bei diesem Konstrukt die Teilhabe der Armen ohnehin auf der Strecke bleibt.
Immerhin wurde dieses Verfahren zum Anschub akzeptiert mit der Maßgabe, dass die „Schulsozialarbeit“ absehbar, also schon bald, anders finanziert werden soll. Damit war die aktuelle Diskussion über den „Kahlschlag“ bei anstehender kommunalen Institutionalisierung des Systems vorprogrammiert, zumal es Ideen für eine dauerhafte Finanzierung nicht gab und diese im Finanzierungswettbewerb auch schädlich gewesen wären. Öffentliches und solidarisches Wehklagen bei auslaufender Finanzierung hat nämlich schon oft geholfen, das unvermeidliche Ende zu verzögern und Geldgeber zu erweichen.
Man hat stets den rekrutierten Sozialarbeitern versichert, dass ihre befristeten Verträge irgendwie weitergeführt werden, notfalls, wenn eben alle Betroffen solidarisch trommeln!
So betrachtet, geht es jetzt weniger um den Tod der Sozialarbeit an Schulen, sondern um ein unverantwortlich blauäugiges und noch junges Großprojekt, über das man sich eher beschweren sollte, als über sein Ende.
Obendrein ist es so – allen, meist naiv vorgetragenen, Erfolgsgeschichten in der Presse zum Trotz – dass es für die „Schulsozialarbeit“ gar kein fachlich tragfähiges Konzept gibt, wenn man einmal von den Gesamtschulen in NRW absieht, die von Anfang an Sozialarbeiter mit eigener fachlicher Autonomie eingesetzt haben und diese in Dauerarbeitsverträgen auch zukunftsträchtig beschäftigen. Es gibt auch noch ähnliche aber sehr kleine Nischen, in denen Sozialarbeit an Schulen vertretbar gut eingerichtet ist.
Ich kenne eine Grundschule, die erst konsequent gar keinen Schulsozialarbeiter haben wollte, weil es nicht vorgesehen war, dass der Schulleiter ihn als Lückenfüller für kranke Lehrer einsetzt. Ich kenne aber sehr viel Schulen, die pragmatisch immer ja sagen, wenn etwas umsonst ist und sich das Personal dann selbst mit der Zeit dienlich herrichten. Der Sozialarbeiter mit dem Zeitvertrag ist in der Regel fest an der Schule und dort ziemlich allein. Er muss sich einfügen, um die Chance auf eine Weiterbeschäftigung zu erhalten. In der Schule steht mittlerweile selbstverständlich der Unterricht im Vordergrund. Fast alle anderen Aufgaben der Schule können ausgelagert werden und werden daran gemessen, ob sie unterrichtsdienlich sind. Der einsame Sozialarbeiter ist mit seiner spezifischen Fachlichkeit dabei nicht gefragt. Er ist aber gefragt als ein Zuarbeiter, der den Lehrern die Konzentration auf das Kerngeschäft ermöglicht. Die derart outgesourcte Schule ist betriebswirtschaftlich gut ausgerichtet, weil sie mit weniger Lehrern auskommt und das persönlicher Gespräch, den Umgang mit den Eltern, Festivitäten und Stadtteilgespräche, die Störenfriede und vieles andere den Sozialarbeitern überlässt. Eine Verarmung der traditionell ganzheitlich ausgerichtete Lehrerrolle ist die Folge. Und der einstimmige Ruf erschallt: Ohne Sozialarbeiter ist diese Schule nicht mehr denkbar! Auch die Anstellungsträger der Sozialarbeiter stützen diesen Ruf aus der Ferne kritiklos. Sie leben von den eingerechneten Overheadkosten und bieten meistens nicht mehr als eine auf Deibel-komm-raus stabilisierende Supervision und lassen ihren Sozialarbeiter im Konfliktfall allein. Der Sozialarbeiter selbst bleibt auf der Strecke, weil ihm eine sozialarbeiterische und institutionelle Heimat fehlt, in der er Werkzeuge, Kollegialität und Rückhalt hat, echte Sozialarbeit zu betreiben. Gerechterweise muss man allerdings sagen, dass es an Schulen manchmal humane Grundkonstellationen gibt, die dem Sozialarbeiter eine erträgliche Nische gewährleisten. Professionell ist das aber auch nicht.
Vor der, wie gesagt, finanziell begründeten Schwemme von Sozialarbeitern an Schulen, war die Sachen noch klar: Sie wären, wenn denn finanzierbar, dezentral im Jugendamt angesiedelt worden, mit guten Kapazitäten, um nicht nur, sondern auch, mit Schulen und in Schulen zu arbeiten, mit direkten Zugang zu den Grundlagen und dem Werkzeug der Sozialarbeit und der Lebenswelt im Sozialraum. Eine diversive und inkludierte Öffentlichkeit mit Schule, Jugendamt und vielen anderen wäre möglich … gewesen.
Wenn ich jetzt lese, dass unzählige Sozialarbeiter, die sich auf ihre Teilhabe an dem unseriös aufgezogenen Geschäft „Schulsozialarbeit“ eingelassen haben, nun ihren Job retten wollen und dazu auch jedes denkbare Argument nutzen, so haben sie meine uneingeschränkte Solidarität! Aber eine „Schulsozialarbeit“, die brauchen wir – im Gegensatz zu einer Sozialarbeit in der Kooperation mit Schulen – nicht!