Im Tunnel

Als Kind habe ich das Wort Tunnel immer auf der zweiten Silbe betont. (Ich habe ohnehin immer sehr verrückte Sachen gemacht.) Durch den Druck der Straße habe ich unfreiwillig eine Anpassung durchgemacht und dabei auch Tunnel auf der ersten Silbe zu betonen gelernt. Bis heute habe ich darüber eigentlich nicht nachgedacht.

Und ausgerechnet heute berichtet das Fernsehen über einen der vielen Tunnel in der Schweiz. Da taucht eine deutschsprachige Schweizerin auf und betont Tunnel auf der zweiten Silbe. Wie kommt die nur darauf?

⚽️ Spielermaterial

Spielermaterial ist auch in der Fachwelt des Fußballs ein umstrittenes Wort. Es macht den autonomen, individuellen Spieler zur fremdverfügbaren Sachen. 

Ich aber sage euch: Das Wort heißt Spieler – einfach nur Spieler! — Etwas dranzuhängen bedeutet nur, dass der Sprecher wichtig genommen werden will, ohne etwas Wichtiges zu sagen.

In der diskutierten Vorschlagsliste zur Umbenennung wird Kader gesagt – ein Begriff aus der Militärfachsprache …

Wording als Schattendasein

Es gibt ja unzählige erhellende Adjektive, die es uns ermöglichen, die Substantive des Lebens auch mit lebendiger Individualität auszustatten. Wir können sogar ganz neue Adjektive erfinden und mit ihnen bis zur Ausformulierung spielen. In der Praxis des Sprechens und Schreibens werden Adjektive allerdings bis kurz vor der Vernichtung reduziert – und es bleibt ein Standard, der nicht einmal ausdrückt, was man sagen will.

Mein liebstes Beispiel: Das Adjektiv schön geht mir überall, vor allen Dingen in der medial dargebotenen Kochkunst, total auf die Nerven … Schön ist offenbar allein diese schlotzig-knackig aufgehübschte Kochkunst im Windschatten der Sterneküche. Ein Adjektiv als Floskel zu gebrauchen, das geht auf keinen Fall gut. „Bleibt alle mal schön saftig!“

Der Normalfall des Regens

Der normale Meteorologe hat offenbar eine besondere Freude an Spracherfindungen. Er lädt diese Erfindungen dann in der Fachsprache der Meteorologen ab. Da darf man also nur mitreden, wenn man fachlich dazu gehört. Die Zugriffsmöglichkeit eines Meteorologen auf die Allgemeinsprache ist dagegen unbedeutend, denn daran arbeitet jeder unter Gleichen mit, der eine Allgemeinsprache nutzt. Nun will der Standardmeteorologe aber sehr gern, dass sein außerfachliches Klientel seine Spracherfindungen nutzt und wissenschaftsgläubige Anerkennung rüberschiebt.

Ich wettere ja seit Jahren gegen die kommunikationsstörende Erfindung eines spezifischen Beginns der Jahreszeiten, den es überhaupt nicht gibt und eine eigenwillige Kategorisierung des Regens nach Heftigkeit. Ich schließe nicht aus, dass ich hier etwas wiederhole – aber höchstenfalls eine Nebensächlichkeit.

Nun hat der DWD – Deutscher Wetterdienst – den Bürger auf eine vage Bedeutung mit exakten Messspielräumen eingestimmt:

ARD -MIMA(den Wettermann habe mal abgeschnitten)

Dahinter verbirgt sich aber ein Kontinuum. Wenn es regnet, schwankt die Intensität des Regens – ständig. Das ist dem Meteorologen wohl zu variabel, um den Regen in den Griff zu kriegen. Mit willkürlichen Gefrierschnitten durch den Fall des Regens bildet er zum Zweck des Kategorisieres drei unterschiedliche Regen. Dann benennt er sie. Dabei verlässt er einmal kurz sein fachliches Interesse und ringt um Wörter anstatt die Kategorien als Hilfsmitten einfach formal zu benennen, also beispielsweise R1, R2 und R3. In fernen Zeiten käme dann wohl bei einem Jahrtausendregen noch R4 dazu. Der Meteorologe hat also zunächst den Regen, der einfach nur so herumregnet vor Augen. Wenn der Regen aber die bestimmten Kriterien erfüllt und stärker wird, dann heißt er ab einem bestimmten Punkt Starkregen. In einer Unsitte wertet er diesen qualifizierten Regen 1 mit einem neuen Namen auf, indem er das Adjektiv zum Bestandteil des Substantives macht. Das ist gerade so, als ob jemand schön träumt und fortan meint, er wäre ein Schönträumer – der vielleicht schon bald zum Horrorträumer mutiert. Bei der nächsten Stufe – Regen 2 – macht Meterologe den „Starkregen“ in der Wortwahl heftig. Stark und heftig haben dabei keinen merkbaren Bedeutungsunterschied. Wenn man den Heftiggstarkregen so nicht aussprechen mag, dann könnte man wohl verständlicherweise heftiger und starker Regen sagen. Und Regen 3 ist dann also der Extremheftigstarkregen den man so sicher nicht aussprechen mag. Regen 3 soll also ein extrem heftiger und starker Regen sein. Das ist sehr viel verständlicher, aber die drei Adjektive verschwimmen trennunscharf und bedeutungslos ineinander. Ich könnte für Regen 4 auch jetzt schon eins draufsetzen, befürchte aber etwas ganz Schlimmes: Die Kategorien werden schon bald zur weiter differenzierenden Dokumentation und Erforschung des Regens nicht ausreichen und durch ein neues Kategoriensystem, also beispielsweise Re1 bis Re10 ersetzt werden. Dann werden die Meteorologen wahrscheinlich final sprachlos und halten sich von Übergriffen auf die Allgemeinsprache fern.

Und dann noch: Das ZDF kündigt in den Nachrichten dieser Tage „Extrem ergiebigen Dauerregen“ an. – Da weiß ich jetzt auch nicht mehr weiter. Vielleicht kommt das ja übersetzt aus der Wetterkunde der Maori, die das Wetter  traditionell besser kennen als so ein fieseliger Thermo-Joe aus good old Europe mit Sprachstörungen.

Alles Luft

Nachdem ich gelesen habe: „Ich möchte nicht in einem Heißluftballon fahren. Ich habe Angst vorm fliegen.“ 

Nun meine These:

In der Fachsprache der Ballonfahrer – also zum Beispiel, wenn man sich mit einem Ballon durch die Luft bewegt – dann fährt der Ballon.

In der Allgemeinsprache – also wenn ein Unbeteiligter dabei zuschaut – dann fliegt der Ballon.

Meine Frage: Gibt es diese leichtfertige Unterscheidung auch in anderen Sprachen?

Höckes „für Deutschland“ oder das „Wunder von Bernd“

„Alles für Deutschland“ soll dieser verpeilte Herr Höcke gesagt haben. Das soll auch einmal ein Motto der SA gewesen sein, der paramilitärischen „Sturmabteilung“ der Nazipartei NSDAP. Nun ist dieses Motto derart inhaltsleer, dass es für alles und nichts zu gebrauchen ist. Wenn ein Nazi das sagt, wird es wahrscheinlich auch nationalsozialistisch aufgeladen. Dieses Motto hat also eine derart geringe Schöpfungshöhe, dass es dafür beim besten Willen keine Urheberschaft geben kann, die zudem auch noch in jedem Fall toxisch aufgeladenes Unheil anrichtet. 

Jetzt gibt es dazu wohl ein Strafverfahren.
Ich wusste bisher überhaupt nicht, dass das Motto nationalsozialistisch verankert ist. Es wurde wahrscheinlich vor und nach dem Leben mit der SA in vielen alltäglichen Zusammenhängen genutzt, die mit Sicherheit meist gar nicht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen. Es wird im Grunde mitten aus dem Sprachgebrauch heraus eine bestimmte Wortkombinationen für unbrauchbar erklärt. In der Folge müsste sich ja jeder abbremsen, der einen schnellen Gesprächsbeitrag leisten will und in der Geschichte nachforschen, wer denn dieses oder jenes schon einmal gesagt hat. War es ein Nazi schweigt er, war es kein Nazi, dann muss er das als Zitat kennzeichnen. Erst wenn das erarbeitet ist, wird er reden können, obwohl die Sprechsituation sich bis dahin so geändert hat, dass sein Beitrag nicht mehr passt.

Ich halte den Höcke ja für einen sehr üblen Zeitgenossen und zweifle auch kaum daran, dass er da eine Nazianleihe ins Feld führt.

Die Worte allein ähnelt ja sehr auch stark der ersten Strophe der deutschen Nationalhymne, die zwar nicht gesungen wird, die aber vom Deutungshorizont ebenso nichts sagend und vielfältig aufladbar ist – eine Hülse eben.

Ich würde die Kirche im Dorf lassen und den Sprachgebrauch in diesem Fall nicht beklagen. Es wirkt gerade so, als ob einem da nichts besseres einfallen mag bei einem Typen, der eben ideologisch verpeilt ist und deshalb auch kritisiert werden muss. An Ansatzpunkte mangelt es da doch wohl nicht.

Alles Elektro

So mancher kleine Flughafen lässt in seiner Pressearbeit Elektroflüge als Quantensprung in den Himmel schieben.

Elektroflüge? – Das ist wohl so ähnlich wie ein Elektroei, das nämlich auf dem Elektroherd gekocht wird.

Der Quantensprung hat sich allerdings aus der Atomphysik weggeschlichen. Er ist heutzutage nichts anders als die Leugnung kontinuierlicher Entwicklung.

Verbegrifflichung

• Heute: Totholz •

Nehmen wir einfach mal den Baum. 

Solange Wurzelwerk und Krone, vermittelt über den Stamm, zusammenspielen, ist der Baum ein Lebewesen. Wenn das Ende naht, naht auch die posthume Verwertung. Aus dem Baum wird meist Holz, ein nachhaltiger Rohstoff. In dem Begriff Holz ist der Tod des Baumes immer direkt mitgedacht. Man kann mit dem Holz bauen und gestalten, man kann es aber auch einfach unberührt lassen. Dann nimmt es sofort seine Rolle im Kreislauf des Lebens an- wie in einem Urwald. Erst das Eigentum des Menschen an einem Baum macht den Baum vermarktbar. Der Mensch tendiert deshalb dazu, ihn nicht achtlos sich selbst zu überlassen und auf seine Vermarktung zu verzichten, wenn er tot ist. 

Dass ein Baum tot ist, das kann man schon sagen. Totholz gibt es aber eigentlich nicht. Wenn das Holz lebt, heißt es Baum. Wenn der Baum tot ist, heißt er Holz. Dies aber auch nur deshalb, weil seine Verwertung von Alters her zur Debatte steht. Das Wort Totholz steht meist für eine gespielte Fachlichkeit dessen, der davon spricht. Man braucht es eigentlich nicht.

Es ist darüber hinaus schon lange eine Unsitte, Adjektive in Substantiven zu verbauen. Sie sind meist überflüssig, vor allem, wenn sie den Sinn des Substantivs nur verdoppeln. Sind sie einmal nicht überflüssig, hebt man ihre Bedeutung, in dem man ihnen zubilligt, als separiertes Adjektiv in Erscheinung zu treten. Man sagt dann: Der Baum ist tot. Der Baum war schön. Das Holz ist nützlich. – Kurz und bündig, aber wohl zu lang für eine Schlagzeile.

Nach dem Abzug Britischer Streitkräfte

Es gibt Orte, an denen nach dem Krieg und dann mit der Planung der NATO sich britische Soldaten und ihre Familien in eigenen Ortsteilen angesiedelt haben. Vor allem im letzten Jahrzehnt wurden viele dieser Siedlungen leergezogen und für eine künftige Verwertung an die Kommunen weitergegeben. Wenn die Presse darüber berichtet, steht in der Schlagzeile meist etwas von Britenhäusern. Es sind ja eigentlich keine Häuser, die einen besonderen Namen oder eine besondere Gestaltung haben, eben nur eine besondere Vergangenheit. Sie rotten meist vor sich hin und sind in ihrer Siedlungsanordnung auch gern Anlaufstelle für Kleinkriminelle und Neovandalen, weil die soziale Infrastruktur fehlt. In den Schlagzeilen wird aus der Erzählung dann schnell ein Britenhaus, also mit einem Substantiv belegt, das es in der Allgemeinsprache nicht gibt und das deshalb nur Leute einordnen können, die irgendwie mit diesen Häusern befasst sind.

Man darf sogar Teile der Sprache oder sogar auch ganze Sprachen neu erfinden. Das Problem dabei ist die Allgemeinverständlichkeit. Die bleibt dabei schnell auf der Strecke. Es gibt allerdings Fachsprachen, die einen begrenzten Kreis von Sprechern haben – etwa Mediziner, Juristen – und speziell für diese Nutzer besonders präzise sind um den Preis, in der Allgemeinsprache eher unverständlich zu sein. Nun kann es so sein, dass sich in einem kleinen Wohnbereich oder auch einem kleinen Bereich der Politik ein Jargon als Fachsprache etabliert, der dann allerdings eben auch in der Allgemeinsprache unverständlich bleibt. Im DWDS  – dem gültigen  deutschen Wörterbuch – ist „Britenhaus“ nicht verzeichnet. Es wird offenbar auch nur in Zeitungsüberschriften genutzt, in denen aus Platzgründen immer mal wieder geschrumpfte Begriffe ausprobiert werden und das dann wohl nur in Kommunen, die leergezogene britische Siedlungen einer neuen Nutzung zuführen wollen.

Irgendwie niveauvolle Medien nutzen solche Begriffe jedenfalls nicht.