Hairy Social Performing

Die Berliner BZ traut sich, am 22. 2. 2015 folgende Überschrift:
RTL-Show „Secret Millionaire“
Promi-Enthaarer wird zum Sozialarbeiter
Jens Hilbert zeigt sich gern in schriller Designermode. Für RTL schlüpfte er jetzt in Billigklamotten.

Damit werden die Schlagzeilen aus dem letzten Jahr vertieft, als der abgehalfterte Politstar Berlusconi zur Ableistung von „Sozialarbeit“ verurteilt wurde (sofern man der Presseberichterstattung glauben schenkt). Auch der Ex-BVB-Präsident Niebaum muss übrigens laut BZ vom 13.2.2015 jetzt 50 Stunden „Sozialarbeit“ ableisten.

Es wäre jedoch weitaus seriöser, wenn ein Sozialarbeiter zum Promi-Enthaarer umschulen würde. Eine Dokumention auf RTL zur Enthaarung von Promis würde ich mir gern mal reinziehen.

Jetzt fragt man sich aber doch: Was ist Sozialarbeit? – Ach, ist ja scheißegal!

Valentin

Ohne „Valentinstag“ hat uns nichts gefehlt. Jetzt haben wir das käufliche Glück der Valentinsindustrie. Noch ist es nicht allzu schwer, zum eigentlichen Glück zurück zu finden!


Und jetzt ist auch OXFAM außer Rand und Band und zelebriert den Valentinstag.

Liebe OXFAMs: Die  Erfindung der algorthmisierten Freundschaft nach der Art des Valentinstags durch gewinnorientierte Unternehmer ist nicht gemeinnützig und schließt auch nicht die Lücke zwischen arm und reich!

Ganz schön geheim …

Weil Geheimdienste eben im Geheimen arbeiten, beugen sie sich nicht dem demokratischen verfügten Willen. Kontrollversuche durch Parlamente können die Öffentlichkeit als Ort der Intervention und Korrektur nicht ersetzen. Damit ist der Kriminalität in Geheimdiensten Tür und Tor geöffnet.

Der selbstgefällige Umgang der Geheimdienste mit unseren Daten zeigt allein schon, dass im Selbstverständnis der Geheimdienste die Idee der Allmacht gut verankert ist. Vielfalt und Extravaganz ist jeden Geheimdienst ein Gräuel. Deshalb stehen auch immer die Menschen, die einfach nur ihre Daten für sich selbst beanspruchen ganz vorn auf der Liste der mutmaßlich gefährlichen Störenfriede. Nur im farblosen Mainstream gefällt man den Geheimdiensten, während vom aktiven Bürger abweichendes Verhalten zu erwarten wäre, um dem Entwicklungserfordernis von Mensch und Gesellschaft gerecht zu werden.

Überblick

Die Welt ist zu komplex, um immer und in jeder Situation wirklich verstanden zu werden. Deshalb neigen wir dazu, Hilfsmittel zu erarbeiten und zu nutzen, die die unendliche Vielfalt auf den Punkt bringen. Alles in allem treffen wir unsere Wahlentscheidungen auf der Basis eines Potpourries aus wilden Zurufen, bewährten Traditionen, emotionalen Bindung an Meinungsführer oder irgendwelche Chefs, durchgemixt im Bauchgefühl. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn wir haben nur wenige Chancen, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Ein Problem bleibt jedoch: die besonders komplexen Dinge auf der Welt beugen sich nicht einer Vereinfachung ohne Schaden zu nehmen. Deshalb neigt die veröffentlichte Meinung dazu, solche Sachen auszublenden und die ganz einfachen Dinge zu bevorzugen.
Es ist also kein Wunder, dass in diesen Tagen die Presse darüber berichtet, dass der Mann im Verhältnis zu seinem Vermieter mit Unterstützung eines Gerichts im Stehen pinkeln kann, ungeachtet aller anderen Einwände gegen das Pinkeln im Stehen.
Die öffentliche Beachtung solchen Gerichtsentscheidungen steigt also mit ihrer Bedeutungslosigkeit.

Die Freiheit ist immer …

Die Tagesschau meldet, dass die Kanzlerin Merkel für die #Demonstrationsfreiheit ist.

Ist das denn wichtig?
Freiheitsrechte stehen doch über so einer Kanzlerin und sind damit für sie ohnehin außer Reichweite. Sie könnte mit Vernunft also gar nicht dagegen sein.
Sie spielt wohl nur so einflussreich und wiegt mit einem leeren Bekenntnis das Volk in einer Sicherheit, die dar nicht zur Debatte steht.
Es bringt stets Beliebtheitspunkte, wenn alles so bleibt wie es ist. Und die Kanzlerin steht dafür mit ihrem Wort.
Ich befürchte dagegen den Tod im Dornröschenschlaf, weil sich Entwicklungen nicht schadlos und auch nicht dauerhaft einfrieren lassen. Bekanntlich werden Innovationen nicht im Mainstream geboren, sondern in dem oft zu Unrecht abgelehnten abweichenden Verhalten – also am Rand der Gesellschaft aus der bunten Vielfalt.

Hier ne Demo – da ne Demo …

In der gestrigen Sendung der ARD „Politik trifft auf Protest – Pegida bei Günther Jauch“ wurde es deutlich:

Dieses Pepita ist kein Gegner, sondern eine kleine Inszenierung eines außerparlamentarischen Widerstandes mit bewahrender und erneuerungsfeindlichen Ausrichtung. Eine Vertreterin, Kathrin Oertel (nicht zu verwechseln mit einer tapferen Frau nahezu gleichen Namens, die ihre Unabhängigkeit behaupten muss „I`m not the Katrin Oertel from PEGIDA and I have nothing to do with this!!!„) hat das deutlich so vermittelt. Sie ist unzufrieden mit der Politik. Sie stimmt den etablierten Parteien im Wesentlichen zu und beklagt schließlich nur, dass die herrschende Politikerkaste den bestehenden Gesetzen gegenüber zu anwendungsfaul ist. Sie sieht auch die Heere von Trittbrettfahrern, die mit naiven oder neurotisch verschleimten Argumenten sich ihrer Gruppe zum Spaziergang hinzu gesellen, ohne eine bedachte Position zu haben.
Offenbar hat sich Pepita unerwartet, ungeplant und feuerschnell als zündende Idee etabliert und nun weiß man nicht, wie man das steuern soll. Damit sich diese Ansammlung nicht bald in Wohlgefallen auflöst, suchen ihre Macher nun doch den Kontakt mit denen, gegen die sie protestieren und machen sich damit dann aber auch langfristig überflüssig. Die etablierten Politiker Spahn (CDU) und Thierse (SPD) empfahlen dann auch, dass sie mit der Unzufriedenheit doch einmal zu „ihrem“ Abgeordneten gehen soll, der in seiner Bürgersprechstunde bereits wartet. Dieser tödlich-arrogante Hauch des bestehenden status quo der Politik auf allen Ebenen, drohte damit das gute an Pepita – nämlich das Bürgerrecht zur Versammlungsfreiheit aktiv zu nutzen – abzuwürgen.
Der aufgezeigte Weg von Herrn Richter (Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung), eben keine Streitparteien quantitativ gegeneinander aufzurüsten, sondern individuell das Gespräch zu suchen, also die versäumte (politische) Bildung ergebnisoffen in der Begegnung nachzuholen, erscheint mir da als bester Weg, etwas zu bewegen. Er verwies auf seine teilnehmende Beobachtung und wegweisende Gespräche.
Ich sehe es so, dass eine eigentlich nicht vorhandene Bewegung durch Gegendemonstranten und die zwangsläufig damit verbundene Aktivierung von Gewalttätern mit „rechter“ und „linker“ Gesinnung erst zu einer Bewegung gemacht wird. Dabei bleibt die dringende Glaubwürdigkeit und Reformbedürftigkeit der Politik auf der Strecke. Sie wird durch die streitenden Akteure ausgeblendet.
Es läuft ja gar nicht so gut, wie die Regierung und die sie tragenden Parteien weiß machen wollen. Das Vertrauen der Bürger in den Staat ist so lange gerechtfertigt, wie sie der Überzeugung sind, dass Fundamentalnormen wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit durch die praktische Politik vertreten werden. Wenn aber der öffentliche Politiker Verständnis heuchelt und auf Deibel-komm-raus Fehlentscheidungen rechtfertigt und immer nur sagt, der Bürger hätte ihn nicht richtig verstanden (das Umgekehrte ist meistens der Fall!), dann wenden sich die Bürger ab. Allein die missglückten Versuche zu den Themen TTIP, Maut, Atomkraft, Soli, Steuerreform, Waffenexporte reichen bei weitem aus, sich dem parlamentarischen Weg zunächst zu verweigern, weil der Vertrauensvorschuss aufgebraucht ist. Damit ist dann auch eine Legitimationskrise des parlamenarischen Systems diagnostiziert.
 Freilich muss sich auch der Bürger als Wähler etwas anstrengen, damit neu zu wählende Parlamente besser arbeiten. Bisher ist der Politiker bürgerverdrossen und nicht umgekehrt – zumindest das zeigt Pepita (oder wie das heißt) deutlich.

Mit Freude in den Krieg: Warum?

Ich erkläre einmal kurz, was immer wieder in den Medien gefragt, aber nie beantwortet wird:

Warum gehen junge Männer und Frauen mit Freude in einen Krieg?
Gesellschaften und Individuen unterliegen einem Entwicklungserfordernis. In der gut integrierten mittelalterlichen Gesellschaft lebte das Individuum in einer freiraumarmen Rollenidentität. In der aktuellen Gesellschaft überlebt das Individuum nur dann ohne Schaden und mit Gewinn, wenn es eine flexible Ich-Identität (Lothar Krappmann) gelernt hat.
Die Statuspassage vom Kind zum Erwachsenen entspricht dem Wandel von der mittelalterlichen zur modernen Gesellschaft. Deshalb erinnert die Pubertät auch sehr stark an die französische Revolution.
GelingtdieStatuspassage nicht, dann gibt es sehr verschiedene individuelle,leidbegleitete Lösungen. Eine Lösung wäre es, eine mittelalterliche Gesellschaft aufzusuchen, die als das Neue erscheint, aber zu praktizieren erlaubt, was das Kind gelernt hat, nämlich ineinerRollenidentität zu leben. Diese Versuche eines islamischen Staats bietet so etwas an. Sie werden eine Episode, weil sich gesellschaftliche Entwicklungen nicht umkehren lassen. Das stört ihre Protagonisten nicht.

Die Sprache drückt solche Entwicklungen aus: Wenn Papa und die heiligen Bücher nicht mehr Recht haben, dann habe ich vielleicht schon bald eine Meinung.
Das ist die Fassung für die eingefleischten Kurztextleser.
Die langen Fassung muss ich noch etwas ausarbeiten.

Falsche Freunde…!?

Gegen die posthume Vereinnahmung der toten Mitarbeiter von Charlie Hebdo wehren sich jetzt die Überlebenden. Sie lehnen die „Freunde“ ab, die sich nun per Mausklick oder Demo millionenfach aufdrängen, weil deren Motive eigentlich nur abseits des Selbstverständnisses von Charlie Hebdo liegen können. Die geschlossene Front der demonstrierenden Politiker gehört ihnen ebenso zu den falschen Freunden wie die Rassisten, die nun strategische Solidarität zeigen.
Diejenigen Politiker, die da in den vorderen Reihen mitmarschiert sind, sind zum großen Teil dafür bekannt, dass sie es mit der Friedfertigkeit selbst nicht so genau nehmen. Die öffentliche Präsenz war – ob mit oder ohne Trauer – politisch vor allem nützlich. Mittlerweile gibt es gottzeidank ja auch eine öffentliche Debatte über diejenigen, die die Ereignisse in Paris zum eigenen Vorteil instrumentalisieren. Allein das Geschäft mit dem Logo „Je suis Charlie“ von Joachim Roncin haben T-Shirthersteller und sogar Geschäftemacher aktiviert, die sich das Logo als gute Einnahmequelle schützen lassen wollte.

Es war also wohl doch durchgängig kein Platz für tränenverwaschene Worte, die eine umfassende Solidarität in trunkenem Mitgefühl ausdrücken, so wie es das Erste Deutsche Fernsehen uns mit der Überschrift „Paris trauert!“ weiß machen wollte.
Die begleitende Presse hätte nicht die Aufgabe haben sollen, die Situation katalytisch auf die Spitze zu treiben und auch noch Menschen ins Feld zu führen, die ihr Land lieben.
Die hat es wohl versäumt, gerade in dieser Situation auf trennscharfe Begriffe zu setzen und einen journalistischen Mehrwert zu markieren.
Ich schätze auch das Spiel mit der Sprache, aber eben nicht als journalistische Nebelmaschine.

Wer soll das bezahlen?

Eine alte karnevalistische Frage stellt sich auch angesichts unüberschaubarer Atomabfälle.
Der Tagesspiegel möchte von ihren Lesern gern wissen: Wer soll das bezahlen?
Mir fällt das ein:

Wir werden den Atommüll Jahrtausende mit uns herumtragen, weil unsere Endlagervorschläge dieser langfristigen Perspektive nicht folgen können.

Die Frage nach dem Kostenträger läßt sich auch nur für wenige Jahre beantworten und ist ebenfalls immer wieder neu zu stellen. Die Politikerhaftung ist problematisch. Die Energieunternehmen sollten zahlen, werden sich aber nach dem Badbankmodell schnell aus der Verantwortung stehlen. Zum Schluss wird der Steuerzahler sich selbst schützen und arm rechnen. Der Atommüll landet final vagabundierend auf den Weltmeeren in der Nachbarschaft zu den Flüchtlingsschiffen unter ständiger Beobachtung der Meerestiere.