Arzt und Apotheker sind nicht allein

Die Werbebranche lebt doch sehr agil, wenn es um die Werbung für Medikamente geht. Selbst frei verkäufliche Medikamente mit zweifelhafter Wirkung sollen wirksam in der öffentlichen Meinung ankommen. Deren Hersteller freuen sich nun, endlich einmal mit den Herstellern der ernsthaften Medizin auf Augenhöhe geadelt zu werden.  Das gilt auch für den Hersteller einen Mittels gegen Blähungen, dessen Werbung am Ende mit einem Furz eines Hundes aushallt. Danach kommt  ein grauer und äußerst schnell gelesener Warntext in Bild und Ton. Der Gesetzgeber will damit die Naivität aus den Werbeversprechungen herausnehmen und weist auf die Fachexperten hin.

Menschen aller Generationen kennen den Text: „… und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ auswendig. Die ganze Republik kann den Text fehlerlos und schnell nachsprechen.

Nun hat die Bundesregierung den Warntext aber geändert, weil an den Genderprofis vorbei die ganzen Jahre nicht aufgefallen ist, dass es auch Ärztinnen und Apothekerinnen gibt.

Wie bei allen wichtigen Reformen erscheint die neue Variante, die wir nun lesen und hören, aber auch nicht so ganz optimal zu sein. 

Neuerdings lautet der offizielle Warntext: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke“.

Es bleibt nämlich unbeantwortet, ob man in der Apotheke nun den Apotheker oder die Apothekerin fragen soll oder gar noch jemanden anders, der da so `rumläuft. Die Apotheke selbst kann ja wohl hoffentlich erst dann sprechen, wenn ihr demnächst ein Anrufbeantwortungs- oder Kundenbedien-BOT implementiert worden ist.


Es ist schade, dass „der Deutsche“ im internationalen Vergleich den Ruf verdient, sehr fehlerhaft gründlich zu sein, auch wenn es sehr viel Zeit kostet.

Der LKW

Wenn es um den LKW geht, werden wir oft belehrt, vor allem, wenn es um den Plural geht. — Ich will das nicht und es ist meist auch falsch.

LKW ist eine Kurzform eines anderen Wortes und ist als Akronym sogar auch ohne Vokal sprechbar. Solche Kurzformen sind eigenständige Wörter. Die Pluralendung kann in solchen Fällen vom Langwort übernommen werden oder aber neu gebildet werden. Dazu findet man in der Allgemeinsprache Vorbilder, die sich auch verständlich anhören. Am beliebtesten ist das angehängte s. Die Anfügung des s lässt sich also kaum vermeiden und gilt in diesem Fall regelgerecht als Plural 2. In dem Umfang, wie das Kurzwort praktischerweise das Langwort verdrängt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Plural 1 nicht mehr gebraucht wird.

SingularPlural 1Plural 2
Nominativder Lkwdie Lkwdie Lkws
Genitivdes Lkw des Lkwsder Lkwder Lkws
Dativdem Lkwden Lkwden Lkws
Akkusativden Lkwdie Lkwdie Lkws

Die Uhr ist unbarmherzig

Als technische Erfindung läuft sie ab – ohne innezuhalten. Wir schaffen uns ganz schnell billige Symbole, so als könnten wir damit die Zeit für die ja die Uhr steht, für ein paar Extrasekunden eintauschen und eine Besinnung einschieben. Aber auch darüber geht die Zeit achtlos hinweg. Als hätten wir es gewusst, haben wir die Brille mit dem Blick ins neue Jahr äußerst preiswert und gleichwohl zu teuer ausgewählt. Sie wird schneller ausgedient haben als wir denken können, derweil das Modell fürs folgende Jahr zuversichtlich bereits in Arbeit ist. 

Die Uhr hat uns die vielgelobte Pünktlichkeit beschert. Aber wäre es nicht besser, wir würden zuerst einmal das Silvesteressen, den ultimativen Jahresendschaumweintrunk nicht an der Uhr ausrichten, sondern das neue Jahr in unsere selbstgewählten Tagesabläufe  einbauen – oder auch nicht? Das Böllerevent würde sich zumindest als unbrauchbar erweisen, wenn jeder Mensch sich seine Böllersekunde frei in der Zeit selbst einrichten könnte – wenn er will. Die Kunstform des Feuerwerks bekäme ihren mittlerweile zerböllerten Freiraum zurück. Man kann ja sogar den Jahresbeginn verschlafen, ohne damit den Einfluss auf bessere Zeiten einzubüßen. 

Bleibt locker, cool, gesund und menschenfreundlich – 2024 und danach wie zuvor.

Mein Zusammenleben mit Wespen ist abenteuerlich

Die Wespenvölker siedeln Jahr für Jahr neu. Meine Lebenswelt bietet offenbar auch ein gutes Pflaster für Wespen. Im Garten ist das nichts besonderes. Es gab sogar mal ein Wespennest in meinem Komposthaufen. Das ist soweit kein Problem. Aber die Wespen machen sich auch unter meinen Dachpfannen breit und schwappen immer mal wieder in meinen Wohn- und Arbeitsbereich da oben unterm Dach. In einem Jahr hatte ich sogar mal einen Kammerjäger da, nachdem ich von sinnlos umher torkelnden Wespen gestochen worden war und unter der Holzverkleidung da oben des Nachts ein an- und abschwellendes Summen kein Ende nahm, das die Anmutung eines Hochleistungsgebläses hatte. Der Kammerjäger machte dem Spuk ein Ende, indem mit einer Lanze am Einflugloch eine Giftration zwischen die Dachpfannen schoss. Es dauerte dann etliche Stunden, bis der Spuk ein Ende hatte. Unzählige verstorbene und von mir gemeuchelte Wespen haben die Staubsaugerbeutel gefüllt. Einmal saß eine Wespe am frühen Morgen in meinem Pantoffel und hat mich stärker geweckt, als ich es gewünscht hätte. Mittlerweile habe ich mein Zusammenleben mit Wespenpopulationen kultiviert. Das muss man ja machen, wenn es gelingen soll. In diesem Jahr kommen sie auf unerfindlichen Wegen in den Raum. Vermutlich gibt es Schneisen zwischen Hauswand und Dach. Wenn ich die Fenster öffne, fliegen sie zwar manche raus, die meisten tummeln sich aber überall und suchen am Ende der Saison auch merkwürdige Ecken aus, um dort zu sterben. Wenn ich die Fenster schließe, hindert sie die Scheibe daran, weg zu fliegen. Sie sammeln sich dann dort in größeren Gruppen mit bis zu 40 Exemplaren, laufen an der Scheibe hoch, inszenieren einen Sturzflug bis unten, um dann erneut flügelunterstützt wieder hoch zu laufen. Nach rechts oder links laufen sie selten. Wenn es dämmert, kehrt Ruhe ein. Sie sitzen dann am Rand der Scheibe einzeln oder gruppiert still zusammen. Das ist der günstigste Zeitpunkt, um sie kurz und schmerzlos in den Staubsauger zu ziehen. Anderenfalls würden sie direkt mit dem Beginn der Morgendämmerung Licht im Raum suchen und zum Beispiel rund um meine Nachttischlampe unkontrollierbar werden. Das Ende des Wespenlebens ist, wie es ist. Es als irgendwie grausam zu bezeichnen wäre reines Menschenwerk. In diesem Jahr war die letzte Wespe bis in den Advent hinein aktiv. Sie wirkte sehr bemitleidenswert. 

Monströse Lichterfahrten

Wenn ich die dösigen Lichterfahrten der Monstertrecker durch die niederrheinischen Dörfer mit blinkenden Krippenlandschaften auf den Schaufeln sehe, dann nehme ich nur noch lärmende, stinkende und gleißende Emissionen war. Mit Weihnachten und Besinnlichkeit hat das wohl nichts zu tun. 

Wenn schon der Wegfall der Steuerbegünstigung für landwirtschaftliche Dieselfahrzeuge die Veranstalter nicht ausbremst, dann hat die Steuerbelastung ihr Ziel noch nicht erreicht. Man sollte wohl noch etwas mehr an der Steuerschraube drehen, bis der letzte Bauer seiner Selbstinszenierung den Zündschlüssel zieht.

Nachtrag am 6.1.2024:

Zwischenzeitlich sausen diese Trecker bundesweit über alle Straßen und blockieren bisweilen strategische Punkte, um ihre Forderung – es soll unbedingt alles beim alten bleiben – durchzusetzen. Mir dem Piratenakt am 4.1.2024 wurde die Frage aufgeworfen, die Bauern würden rechtsradikal unterwandert. Die Bauern hatten nämlich einen Schiffsanleger blockiert, um ein Schiff mit dem Wirtschaftsminister Habeck gegen den Polizeischutz des Ministers zu entern. Die These von der Unterwanderung schützt die Bauern vor der Verantwortung für das was sie machen. Sie erlaubt aber auch eine große Solidarität aller Demokraten zu denen sich auch erkannte Rechtsradikale strategisch zurechnen. Nach meinem Geschmack ist aber wohl eher der Vermutung nachzugehen, dass es tatsächliche rechtsradikale Bauernkreise gibt.

Eine Grenzen des Sports

Gehören Berichte über Sportfunktionäre eigentlich ins Sportressort der Medien oder doch viel besser in das Ressort der Politik und in weniger schweren Fällen ins Feuilleton?

Wenn also der ewige Olympiafunktionär Bach an der Unvergessbarkeit seiner Amtszeit arbeitet, dann spielt der Sport doch nur eine leidende Rolle. Bei allem Respekt davor, dass der verbindliche Überbau der Sportverbände auch erstklassigen Sport hervorruft, wenn der Sportler das Zentrum des öffentlichen Interesses verlässt, dann wird der Sport auch uninteressant. Nun gehört ja alles rund um den Sport als eine Bedingung zum Sport dazu. Aber es nimmt überhand. Das Fußballspiel oder die Turnübung landet im Business und der naive Sportsfreund neigt dazu sich abzuwenden.

Immer der Dieter

Heute war ich bei Aldi.

Im Eingangsbereich sitzen stets Leute auf sehr niedrigen Fensterbänken eingenischt und rauchen und telefonieren. Ich guck mir die Leute  immer genau an. Heute war mir am auffälligsten eine Frau, die einerseits an der rechten Hand eine Zigarette hatte und andererseits einen angewachsenen Unterarm, auf dem reich verziert „Dieter“ stand.

Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Dieters kommen doch immer nur als Loser in Comics vor. Im normalen Leben kenne ich überhaupt keinen Dieter.

Die Circe

„Mit eurem Charme werdet ihr die Händler becircen.“ sagt ein gewisser Horst Lichter in der Moderation der ZDF-Sendung „Bares für Rares“. Ich halte den Satz ja für extrem geschlechtsdiskriminierend. Mir tut das schon fast so weh, dass ich geneigt bin, mich zu schämen.

Ich sag mal so: Hier geht es ja eigentlich um Geschlechterrollen. Das Rollenverständnis unterliegt – wie vieles andere auch – der Entwicklung. In wohlintegrierten mittelalterlichen Gesellschaften herrschte für Kinder und Erwachsene eine eher leicht erlernbare Rollenidentität vor. Bestimmend waren relativ feste Vorstellungen von den Geschlechtern, die im normalen Alltag keine Abweichung duldeten und die gegebenenfalls sanktioniert wurden. Dieses Modell funktioniert heute noch bei Kindern bis zur Adoleszenzkrise, bei Entwicklungshemmnissen auch darüber hinaus. Mit der Industrialisierung und der Auseinandersetzung um Menschenrechte ist es allerdings in der steigenden Vielfalt von Erwartungen erforderlich, eine flexible ich-geleitete Identität zu verfolgen, um in der zunehmend komplexen Welt zurecht zu kommen. Man spielt also wagnisreich mit den nicht mehr kompatiblen Erwartungen der anderen und gleicht sie ständig mit den Erwartungen an sich selbst ab. Die Identität ist also nie im sicheren Besitz, so wie es die Rollenidentität sein konnte. Wer die aktuell erforderliche Entwicklung nicht erreicht, bleibt vorerst in einer Rollenidentität verhaftet. Man merkt es ja auch nicht sofort, wenn jemand Wahrheitsangeboten hinterher hechelt oder sich mit 40 Jahren immer von der Mutter bekochen und bebügeln lässt.

Jetzt komme ich zu den Menschen, die nicht gleichermaßen flexibel und prinzipiengeleitet mit Rollen umgehen können: Man erkennt sie also an mittelalterlichen, respektive kindgerechten Mustern von gut und böse, richtig und falsch. Bei dem Geschlechterrollenverständnis wird das besonders deutlich, weil die Entwicklung seit 200 Jahren läuft aber bis heute nicht abgeschlossen ist. Denn  viele sehen sich nicht in der Lage oder sind auch nicht in der Lage, diese Entwicklung autonom zu meistern. Es sind nicht nur Reichsbürger und andere Bewahrer, sondern eben auch sympathische Kinder mit 50 Jahren.

Was der Herr Lichter da gesagt hat, ist in den Rückzugswehen aus einer männerdominierten Gesellschaft entstanden und hat wohl bis heute zunächst in Kneipen und Betrieben, dann aber auch in Familien und der Volksfestkultur überlebt – und in unglaublich vielen Nischen der digitalen Selbstfindung. Nun könnte das ZDF dem Herrn Lichter Entwicklungshilfe geben oder ihn ganz einfach vor die Tür setzen. Aber er ist ja mutmaßlich ein wertvoller Sympathieträger und Quotenkönig, der alle zusammenhält, die, aus welchen Gründen auch immer, gern ihre Unmündigkeit beibehalten und fröhlich fortsetzen.

Es ist ja richtig, dass eigentlich jeder Mensch im Prinzip becircenden Charme einsetzen kann. Wenn man dann aber nach dem erkenntnisleitenden Interesse fragt, bleibt das Ergebnis aber mager. – Und hier geht es ja auch eher um das Reden über becircen und nicht um das Becircen selbst.

Das Sprechen mit dem Hund

Das Sprechen mit dem Hund ist Legende. Es bleibt aber in der Vorstufe zur Kommunikation hängen. Könnte der Hund mit einem Argument den Befehl verweigern, dann wäre das eine erfolgreiche Kommunikation. Aber der Mensch wäre für diesen außergewöhnlichen Fall gut vorbereitet. Er würde konstatieren, dass der Befehl noch nicht sicher zur gewünschten Reaktion führt und sähe sich veranlasst, weiterhin an der festen Verbindung von Befehl und Gehorsam zu arbeiten. Dass Hunde die besseren Menschen sein sollen, wie es oftmals vorgetragen wird, wird den Möglichkeiten des Menschen nicht gerecht.