Frage mich besser nicht!

Ein Teil meiner Antwort würde dich verunsichern. – So lautet die gerade vielbeachtete Kernaussagen des Innenministers de Maizière.

Üblicherweise hilft der Umgang mit Fragen und Antworten, um etwas Neues zu erfahren. Es ist der tiefere Sinn einer Frage, dass man die Antwort nicht kennt und deshalb nicht vollständig auf sie vorbereitet ist. Unsere Lehrer haben jedoch unverständlicherweise immer gegen diese grundlegende Weisheit gearbeitet und Fragen gestellt, deren Antworten Ihnen vermutlich bekannt waren. Allein deshalb kann ich fragende Lehrer nicht leiden. Es wäre gerechtfertigt, aber auch ziemlich sensationell gewesen, wenn ich in der Schule gesagt hätte: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern!“ Und trotzdem steht mir der Herr Minister nicht nahe. Er weicht nämlich nur einer Frage samt einer erhellenden Antwort aus, indem er Angst verbreitet. In seiner Unbeholfenheit erinnert er mich an die Übergriffigkeit gegenüber Kindern mit dem Standardsatz: „Du brauchst keine Angst zu haben!“ Kaum ist es ausgesprochen, stellt sich auch schon eine Angst ein, die das Vertrauen ablöst.

Weil es – wie gesagt – der Sinn jeden Fragens ist, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, gibt es auch keine guten und schlechten und schon gar keine bestellten Antworten. Mit jeder Frage gehen wir das Risiko ein, von der Antwort mehr oder weniger überrascht zu werden. Ja, eine Antwort kann uns tief treffen. Das Leben mit einer bestimmten Antwort kann sich sogar entscheidend ändern.

Der Wohlfühlbürger, der sein bisheriges Leben kritiklos für die Zukunft hochrechnen will, kann getrost auf Fragen und möglicherweise verunsichernde Antworten verzichten. Der Umgang mit Fragen und Antworten gehört allerdings zur Grundqualifikation, um die Wechselfälle des Lebens und eine bereichernde Vielfalt zum Wohl und zur Freude entwicklungsoffen zu gestalten. Schwierig wird es für den gerade aufgestandenen Typus des Wutbürgers. Er hat erlebt, dass es als Wohlfühlbürger nicht überleben kann, weil ihm die Ressourcen abhanden kommen und ihm das Gestaltungswerkzeug für eine offene Gesellschaft fehlen. Ihm bleibt vor allem die fundamentale Emotion der Wut. Schenken wir ihm doch das, was man mit Fragen und Antworten so alles machen kann. Aber das ist leicht gesagt, wenn schon ein Minister vor Antworten warnt, weil sie verunsichern könnten.

„Es ist schon so:  Die Fragen sind es, aus denen das, was bleibt, entsteht. 
Denk an die Frage deines Kindes: „Was tut der Wind, wenn er nicht weht?“
Erich Kästner

Kommentar

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