Ein bißchen Hass muss sein …

Der Hass wird ja nicht größer, wenn jetzt in allen Medien irgendetwas mit Hass gekennzeichnet wird.
Der Hass ist ein sehr intensives Gefühl.

Wenn nun vor allem Formulierungen wie: „Ich hasse allen Leute, die …“ die Runde machen, ist mir gewiss, dass die Wortwahl nach den Charts der beliebtesten Wörter getroffen worden ist und dass das jeweils zugeordnete Gefühl in Wirklichkeit so oberflächlich ist, dass man es pimpen muß, um beachtet zu werden.

Dazu Roberto Blanco in einer hier leicht gefälschten Fassung eines vielgesungenen Liedes:

„Ein bisschen Hass muss sein,
dann ist die Welt voll Sonnenschein. 
So gut wie wir uns heute verstehen, 
so soll es weitergehen.“

Horch, was kommt von draußen rein?

Das veranstaltete politische Klima in der Türkei drückt wohl etwas auf den Verstand und schwappt sogar nach Deutschland. Jetzt ruft die türkische Gemeinde zum Boykott der Drogeriemarktkette dm auf und behauptet, von dort aus plane man, an die militante Kurdenorganisation PKK zu spenden, mit der die Türkei gerade einen Krieg betreibt.

In Wirklichkeit kassiert Rupert Neudeck aus dem Anlass des Jubiläums einer Drogeriemarktfiliale (dm) für eine Stunde selbst an der Kasse die Einnahmen, die er dann für einen humanen Zweck einsetzt. Es ist eigentlich nicht zu bezweifeln, dass Herr Neudeck das Geld für einen humanen Zweck einsetzt. Es gibt keinen Hinweis, der das rechtfertigt. Rupert Neudeck ist seit Jahrzehnten einer der weltweit praktisch und konzeptionell erfolgreichsten Helfer in humanitären Katastrophen.

Es bleibt die Erkenntnis, dass hier eine üble Stimmungsmache der ewig dumpfpatriotischen Türken uns einen Geschmack davon vermittelt, wie die aufgeheizte Emotionalität in der Türkei den Sachverstand beiseite schiebt und den demokratischen Wettbewerb zu fressen droht.

Auf so einen armseligen Kampf am falschen Objekt mag ich verzichten. Es ist insgesamt sehr unfreundlich, so einen Müll zu importieren, der gegen unsere Erfolge im Zusammenleben der Kulturen verstreut wird.

Jetzt fehlt nur noch eine türkische Drogeriemarktkette.

Der Händedruck ist kein Prüfkriterium für Integration

Da hat ein islamischer Vorbeter der Frau Klöckner von der CDU nicht die Hand geben wollen und es wird nun überall diskutiert, ob so ein verweigerter Händedruck für eine misslungene Integration steht oder sogar als Absage an die Verfassung zu werten ist.

Micha Brumlik hat in der TAZ  erst einmal diese dumme Idee von den Verfassungsfeinden entlarvt, die den Frauen den Händedruck verweigern.

 

Abgesehen von solchen Wirrungen rund um die Grundrechte, hat die ganze Sache doch auch eine Dimension der Verständigung:

Wir sind alle so sehr anders, dass der Normalfall der Kommunikation das Missverständnis ist. In der Regel teilt man allerdings einen Bedeutungskern. Erst wenn man Beziehungen gestaltet, dann kann man das Missverständnis weiter reduzieren und den geteilten Bedeutungskern erweitern.

Es ist ja bekannt, dass die Mitteleuropäer mit dem Händeschütteln, als einer Form der Sprache, ziemlich allein sind. Selbst der mitteleuropäische Hausarzt rät mittlerweile davon ab. Die ausgestreckte Hand bleibt trotzdem ein traditionell hochgeachtetes Ritual zur Gesprächseröffnung. Es ist also zu erwarten, dass der Mitteleuropäer immer wieder die Hand ausstreckt. Der autonom handelnde Mensch kann aber dieser ausgestreckten Hand gegenüber anders reagieren als erwartet. Er macht damit seine Motive zum Thema und öffnet der Spekulation darüber Tür und Tor, wenn seine Weigerung als Ablehnung gewertet wird und der Weg zur Erläuterung verbaut ist.

Mit der Zeit müssen Frau Klöckner und der Vorbeter – und mit ihnen viele andere auch – den Umgang mit unerwünschten Reaktionen eines möglichen Gesprächspartners so gestalten, dass das Gespräch nicht abbricht und möglicherweise in Mutmaßungen über das Grundrecht endet. Der Vorbeter muß neue Möglichkeiten entwickeln, der ausgestreckten Hand zu begegnen und Frau Klöckner muß lernen, dass sie kein Privileg hat, bestimmte Sitten einzufordern. Der herrschaftsfreie Dialog der Subjekte kann scheitern. Er muß aber nicht scheitern, wenn man sich ins Gespräch begibt.

Ich denke an die Mutter einer türkischen Freundin. Mir wurde empfohlen, ihr nicht die Hand zu geben, um ihr innere Konflikte zu ersparen. Ich habe es dann aber doch gemacht, weil es ja nicht vermittelbar ist, dass kulturelle Selbstverständlichkeiten nebeneinander her gelebt werden sollen. Es ist dann auch nichts Schlimmes passiert. Mir auch nicht. Aber irgendwie wird man in der Begegnung sensibler.

Wohnraum für Flüchtlinge

Der Innenminister de Maizière streitet für Massenunterkünfte für Flüchtlinge. Doch die Erfahrung und die Menschenrechte stehen dagegen.

Wenn sich also ein grundlegendes Maß an Menschlichkeit in diesen großen Flüchtlingsheimen nicht gewährleisten lässt und sich die Wartezeit an den Registrierungsstellen allein mit Körperkraft verkürzen lässt, dann ist die Behauptung des Innenministers, dass schnelle Verfahren und die Gerechtigkeit Massenunterkünfte erfordern, widerlegt.
Es entstehen lediglich weitere unmenschliche Belastungen.

So lange es mehr leerstehende Wohnungen als Flüchtlinge gibt, ist deshalb gerade in der Not eine dezentrale Unterbringung vorzuziehen. Die Logistik der Registrierung sollte den Menschen folgen, nicht umgekehrt.

Update für Kunstwerke

Große Künstler haben immer schon Updates gemacht, weil sie die vorausgehende Version doch als nicht allzugut verwarfen. Sie haben sie nur anders nennen müssen, weil das Update bis vor kurzem außerhalb der verwendeten Begriffe lag. Viele Künstler vernichten mit der Fertigstellung der neuen, die alte Version. Manche Künstler lassen verworfene Versionen und andere dem Werk zugeordnete Vorarbeiten aber auch überleben. Dadurch wird nicht nur für das Zustandekommen von Kunstwerken sensibilisiert. Es lassen sich damit auch gute Geschäfte machen.

Arbeitet der Künstler analog, ist die Arbeit mit Updates insgesamt ein aufwändiger und teurer Arbeitsstil. Die meisten bildenden Künstler beschränken sich darauf, irgendeine Fassung als letzgültig zu bestimmen und dem Anspruch auf eine ewige Updatearbeit auszuweichen. Mit dieser Unvollkommenheit muss er dann leben. Digital wäre es ihm möglich, mehr noch als der Häuptling, der tausende von Nachkommen zeugt, die ganze Welt mit einem Kunstwerk zu beglücken. Er kann die Kunstwerke durch unendlich vielen Algorithmen laufen lassen und unendlich viele Varianten in Umlauf bringen.
Keith Haring, der zu früh verstorbene Graffitiheld, der die Anfänge der digitalen Kunst noch erlebt hat, hat einmal die Idee vorweggenommen, man könne seine Kunst durch die Welt spammen und jeder Mensch könne sie aufnehmen und in anderen Zusammenhängen verarbeiten und ganz nebenbei dabei helfen, sie zum Gemeingut machen.
Ach wie kleinlich sind doch die Profiteure am Kunstmarkt, denen schon kleine Druckauflagen zum Gräuel werden, weil ihnen bei aller Vielfalt schnell die Urheber- und Nutzungsrechte am Einzigartigen zu entgleiten drohen.

Volkswagen

Erst habe ich das nicht richtig verstanden und gemeint, VW habe nur die Amerikaner mit vorgegaukelten geringen Schadstoffbelastungen in Azubiqualität betrogen.

Dann wurde mir schnell klar, dass es zum weltweiten Standard der Automobilvermarktung gehört, dass gesetzliche Grenzwerte ohne ein gültiges Verfahren zu Gunsten der Unternehmen letztlich beliebig erprüft werden.

Und nun höre ich, dass es ebenfalls ein Standard ist, dass die Herstellerangaben einfach unkritisch übernommen werden, obwohl seit langem bekannt ist, dass sich die Messergebnisse unter realen Bedingungen nicht wiederholen lassen.

Es ist ja nicht neu, dass der König der Ausbrecher auch die Sicherheit im Gefängnis geliefert hat.
Es ist aber immer wieder überraschend, dass man gegen jede Vernunft kollektiv dabei mitspielt.

Ein paar Stunden später: Dieser Herr Winterkorn von VW tritt jetzt zurück, weil sich die Aktionäre mit ihm nun keine Gewinne mehr versprechen. Es hat nichts damit zu tun, dass er irgendeine Schuld auf sich geladen hätte. Schuld ist der Gesetzgeber, der an Autoproduzenten Freifahrscheine verteilt, selbst zu entscheiden ob und wie sie die Schadstoffgrenzwerte einhalten.

Interessant am Wegesrand

Feuerwehranwalt
Rechtsanwälte überschreiten gern die seriöse Begrenzung ihrer Tätigkeit. Die Welt ist ja auch zu bunt, um allein mit Gesetzen ausgemessen zu werden.

Konstruierte Analogien locken dabei gern zur Fehlinterpretation einer Rechtslage.

Eine Drehleiter für die Flucht des Mandanten aus dem Gerichtssaal wäre also wesentlich origineller und dazu auch noch zweckdienlicher.

Die Konkurrenz schläft nicht.

Feuerwehranwalt2

Kontrollen durch Jugendämter sind höchst fragwürdig

Immer wieder kommen Jugendämter ins Gerede, weil Kinder zu Schaden kommen. In den Zeitungen, die einem Massengeschmack folgen, steht dann meist, die Kontrollen müssten verschärft werden. Ganz unabhängig davon, dass die obrigkeitlichen Eingriffe mit gutem Grund eine periphere Bedeutung in Jugendämtern haben, weil sie der Hauptaufgabe, nämlich zu helfen, entgegen stehen. Wer von oben herab kontrolliert hat nicht das Vertrauen, das eine Hilfe erfordert.
Wie stellt man sich denn so eine Kontrolle des Jugendamtes vor, die einer Gefährdung von Kindern entgegenwirken soll?

Es ist ja wohl so, dass die Jugendämter die Hilfen vermehrt per Mausklick im Bereich der preiswertesten Anbieter aussuchen. Die wirksamen Hilfen liegen aber meist am anderen Ende der Skala oder sind im System gar nicht erfasst. Die eifrig gehandelten Anbieter schreiben dann selbst, was sie da so anbieten und schreiben dabei die schönsten Dinge voneinander ab. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Eine Vergleichbarkeit, die der Absicht Gut-und-günstig folgt, ist schon lange nicht mehr möglich. Der einzelne Jugendamtsmitarbeiter ist zudem gehalten, aus dem System der Hilfewahl und Hilfeführung per Mausklick nicht eigenmächtig auszusteigen und wieder auf höherwertige Sozialarbeit zu setzen.
Auch für die Jugendämter muss es um Beziehungen gehen, bei denen auch gute Vorerfahrungen eine Rolle spielen. Und der jeweilige Mitarbeiter sollte die Beziehung zum Kind und zu den helfenden Personen höher bewerten, als Ablaufschemata der Hilfeplanung und Kontrolle. Eine Kontrolle in dem Sinn einer Abfrage und Inaugenscheinnahme vorgegebener Parameter, ist vollkommen fremd im Rahmen einer verantwortlich geführten Hilfe und stört die sensiblen Beziehungsgeflechte nur. Auf dumme Fragen wird es bestenfalls dumme Antworten geben die akribischen protokolliert werden. Damit wäre der Mitarbeiter des Jugendamtes auf der sicheren Seite ohne auch nur etwas bewirkt zu haben.
Es wäre ganz hilfreich, wenn es auch einmal andere Forderungen gäbe als die, besser zu kontrollieren.