Kennste den?

Jetzt habe ich erfahren, dass ich im Jahr 2024 ein Klassentreffen haben werde. Es wird ein Jubiläum sein. Also vor bald 60 Jahren habe ich die „Realschule für Jungen Essen-West“ mit der „mittleren Reife“ abgeschlossen. Der damalige Direktor der Schule war vor dem Krieg der Klassenlehrer meines Vaters an dieser Schule. Irgendwie hängt man daran. Weil die Schule – immer schon an der Wickenburg gelegen – nun Helmut-Rahn-Realschule heißt, kommt mir unweigerlich etwas in Erinnerung. Wenn man heutzutage über die A40 in unmittelbarer Nähe zur Schule fährt, die zu meiner Zeit noch die kreuzungsreiche B1 war, sind mehrere Brückenüberführungen hintereinander auf 1,4 Kilometer so etwas wie ein Denkmal zum „Wunder von Bern 1954“. Zitiert wird fortlaufend über die Brücken der ARD-Reporter Herbert Zimmermann mit der gebotenen Steigerung im Tonfall: „Rahn müsste schießen, Rahn schießt und TOOOR! TOOOR!!“ – Und kurz danach war Deutschland Weltmeister. Rahn spielte in seiner Glanzzeit bei Rot-Weiß-Essen und dann noch mit sichtbarer Körperfülle bis in die Zeit der Bundesliga. Dann ließ er sich im Essener Stadtteil Frohnhausen nieder und machte irgendwas mit Anhängern. Wenn es da etwas zu schweißen gab, kam er oft zu uns. Mein Vater betrieb damals eine Kunst- und Bauschlosserei und ich war nach der Schule für drei Jahre sein Lehrling. Den Gesellenbrief – geklappt im reisetauglichen Schuber – habe ich noch – aber niemals mehr gebraucht. Meine Episode in Essen war vorbei. Dass ich nun an der heutigen Helmut-Rahn-Realschule war, macht ja doch etwas stolz. Wir haben damals lange Zeit mit gefundenen Pfirsichkernen in der Pause Fußball gespielt und die Kerne dann für die Zeit des Unterrichts  gut versteckt. 

Wenn Geschichte stattfindet, dann sind stets irgendwelche Menschen dabei. Es ertönt auf dem Schulfilm die fette und seichte sowie schwermütige und hoffnungsfrohe von Fußballfans adaptierte Hymne „You‘ll never walk alone“ mit der Stimme von Gerry Marsden, der damit auch vor 60 Jahren die allgemeine Öffentlichkeit betrat, während zahlreiche Schüler und Schülerinnen und die Riege der Lehrenden im Schulfilm das Gebäude nutzen. Das Gebäude hat sich kaum verändert. Aber Schülerinnen und Lehrerinnen gab es damals dort nicht.

Auch nicht uninteressant: Allerdings gab es die „Realschule für Mädchen Essen-West“ die mangels eigenem Schulgebäude in unserer Schule zu Gast war und einen wöchentlichen Wechsel  zwischen Vormittagsunterricht und Nachmittagsunterricht erzwang. An einem Wochentag war der Stundenplan so, dass ich im Herbst oft erst in der fortgeschrittenen Abenddämmerung zur Schule ging. Und als ich einmal ein Schulheft unter der Bank vergessen hatte, das ich für die Hausaufgaben brauchte, musste ich tatsächlich den traumatisierenden Gang in eine Mädchenklasse antreten, die mir bei aller Nähe völlig unbekannt war. Wahrscheinlich hatte die halbe Schule bereits mein Heft gelesen.

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