Gut gesagt

Er ist doch viel besser, wenn wir ab und zu einmal selbst einen Spruch raus hauen, anstatt fortgesetzt Sprüche durch die Netzgemeinde zu schieben.
Den ehemalige Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker nehme ich einmal als Beispiel für eine öffentlich beachtete Person, die mit Sprüchen durch die Netzgemeinde geschoben wird. Aus seinen Reden und schriftlichen Aussagen lassen sich bequem tausende von Zitaten generieren. Dazu muss man nur die zusammenhängenden Texte in kleine Sinnsequenzen zerstückeln. Mit solchen Schnipseln, die letztlich nicht einmal authentisch sein müssen, werden Likes in den öffentlichen Medien generiert, die letztlich auch bares Geld bedeuten, wenn sie nur geliebt und geteilt werden. Die Internetseite „Gute Zitate“ pflegt allein 186 solcher Textschnipsel von diesem Bundespräsidenten.

Ich wähle zur Analyse dessen, was da verbreitet wird, einmal folgendes Beispiel:Weizsäcker

Mir geht es darum, herauszuarbeiten, was da überhaupt gespielt wird und die Öffentlichkeit vor der grenzenlosen Auffächerung unbedeutender Inhalte zu schützen.

Das Zitat wirft genau genommen 3 Fragen auf.

  1. Ist es überhaupt ein Zitat?
  2. Warum wird ein vermeintliches Zitat an eine Person gekoppelt?
  3. Ist das vermeintliche Zitat richtig?

Zu 1: Es ist kein Zitat, weil ja nichts zitiert ist. Es könnte trotzdem vom angegeben Autor sei, was sich allerdings kaum überprüfen lässt. Der Satz hat allein genommen auch nicht die Schöpfungshöhe, dass ein urheberrechtlicher Schutz besteht. Jeder kann ihn also im eigenen Namen verwenden. Viele werden das möglicherweise getan haben ohne zu erwägen, dass es überhaupt ein Zitat sein könnte.

Zu 2: Ein Satz der für sich spricht, benötigt keine Koppelung an einen vermeintlichen Urheber herausgehobener Bekanntheit. Das Internet ist trotzdem voll davon. Meistens sind die Kopplungen erfunden, meistens sind die Sätze auf einen Allerweltsniveau (fehlende Schöpfungshöhe), dass sie eigentlich jeder für sich beanspruchen kann. Es ist deshalb ratsam, die feudale Verbindung von Aussage und vermeintlichem Urheber aufzulösen. Der Satz sollte wirklich für sich sprechen können und keinen Fürsprecher benötigen.

Zu 3: Der Satz ist als falsch zu kennzeichnen, weil er bereits im Ansatz widerlegt ist. Einen simplen Wirkzusammenhang von der Schwäche zur Feindlichkeit kann es nicht geben. Es ist dagegen von einem multifaktoriellen Wirkzusammenhang auszugehen, der bei Menschen in ihren sozialen Kontexten stets gegeben ist. Die kolportierte These weicht von der überprüfbaren Erfahrung ab und lässt alle anderen Faktoren außer Acht. Sie ist also für eine Überprüfbarkeit unbrauchbar und dient der Erkenntnis nicht. Zudem ist „Fremdenfeindlichkeit“ ein journalistisch eingeführter, kaum noch gebräuchlicher Begriff, weil es, wenn eine Situation diskutierenswert ist, stets um Rassismus geht und nicht um Menschen, die einfach nur fremd sind, weil sie beispielsweise in einem anderen Stadtteil wohnen, ohne dass sich bereits deshalb regelmäßig eine Feindseligkeit einstellen würde.

Fazit: Der Satz erlangt seine Beachtung erst durch die Kopplung an jemanden, der ihn ebenso gesagt haben kann wie viele andere auch. Er verspricht dadurch eine Bedeutung, die er nicht hat. Es ist insgesamt ein werbendes Arrangement zur Beachtung, also zum liken-und-teilen, wie man das so nennt.

Also: Er ist doch viel besser, wenn wir ab und zu einmal selbst einen Spruch raus hauen.

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