Unverhältnismäßige Anteilnahme

In der TAZ wird heute, einen Tag nach dem Flugzeugunglück zwischen Barcelona und Düsseldorf, kommentiert
Der Kommentar von Edith Kresta folgt der These, wir würden lokal fühlen und global denken und deshalb sei der Gefühlehype zugunsten der Betroffenheit der Deutschen in den Medien ganz normal.
Ich meine aber:
Die TAZ ist auf dem richtigen Pfad, bricht den Flug durch die Gefühle aber mitten in der Luft ab.
Die Nähe, die Gefühle auslöst, ist die unmittelbare Beziehung. Volkstrauern war früher verordnet und wird heute durch soziale Medien rekonstruiert. Sie erlauben jedem, Gefühle zu zeigen, die er gar nicht hat und fordern ihn sogar dazu auf: „Bitte teilen!“ So entwickelt sich die Spezies der Trittbrettfühler, die sich kritiklos in den sozialen Medien ausleben können.
Neben den Gefühlen steht uns aber auch das Denken zur Verfügung.
Wir leisten uns die sichersten Verkehrsmittel der Welt. Dieser für uns käufliche elitäre Wohlstand kostet aber auch – konstruktionsbedingt – ab und zu eine größere Anzahl von Toten. Nach Angaben von UNICEF aus dem Jahr 2009 sterben derzeit jedes Jahr 8,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Viele davon an Unterernährung oder Krankheiten, die leicht zu verhindern/behandeln wären. Auch diese leisten wir uns ohne mit der Wimper zu zucken. Und es gibt unzählige Beispiele mehr.
Der aufgeklärte Mensch beschränkt sich nicht, — weder auf Gefühle, noch auf Gedanken — und widersteht dem gut versteckten Nationalismus in diesem TAZ-Kommentar.

Und das auch noch zum Thema I
„Die ganze Welt“ die nach den aktuellen Medienberichten trauert, hat gar keinen Zugang zu den Medien, um sich in den Trauermedienhype einklinken zu können.
Es hilft sehr, wenn wir die Trauer der Angehörigen respektieren und nicht als Betroffenheitstrittbrettfahrer entern.

Und das auch noch zum Thema II
Weil die Absturzstelle unwegsam ist, wurde die Kanzlerin an einem zugänglichen Ort in der Nähe erwartet. Unmaßgeblicher Zwischenruf aus meiner Nachbarschaft: „Die sollen die ***** *** mal mit dem Heli abseilen! Das muss schon sein, wenn sie ihre Chancen als kommende Bundespräsidentin wahren will.“
Dann sind auf einmal die Helfer der Bergwacht sauber aufgestellt, und berichten. Frau Merkel benötigt also die Medien nicht einmal zur Information, lediglich zur Präsentation . Es erinnert alles etwas an den Hype um Charlie Hebdo: Ein Riesenschau der Betroffenheit …

Kommentar

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