Die kleine Ausgrenzung

Es ist ja gut und hilfreich, dass bei der Fernsehübertragung von Sportveranstaltungen die Namen der Sportler und andere wichtige Informationen eingeblendet werden.

Aber gerade deshalb hört das, was wir über Inklusion wissen, ganz eigenwillig und plötzlich auf.  Ein denkwürdiges Beispiel geben die Paralympics 2024  in Paris ab. In der französischen Sprache gibt es ja keine Umlaute. Bei internationalen Veranstaltung wäre schlimmstenfalls ein winzigkleines technisches Problem zu bewältigen, um alles richtig zu schreiben. Trotzdem heißt die Sportlerin Müller plötzlich in der Einblendung Muller und der deutschsprachige Berichterstatter muss den Fehler ausgleichen. Heute gewann ein türkischer Schwimmer namens Unlu eine Goldmedaille. Und der deutschsprachige Reporter sagte tatsächlich Unlu. Nun habe ich keinen türkischen Reporter gehört. Ich weiß aber aus sicherer Quelle, dass er Ünlü gesagt hätte. In kaum einer Sportveranstaltung geht es angeblich so sehr um jede Sportlerin selbst, wie im Parasport. Ist das ernst gemeint?

Das Problem ist wohl, dass so eine Sportberichterstattung gedankenlos konfektionierten wird. Das Gebot der Achtsamkeit fällt durch das Raster.  Wohl denen, die einen international konfektionierten Namen tragen – ohne irgendwelche Sonderzeichen. Respekt und Anerkennung bleiben aber ein wenig auf der Strecke.

Hobby Horsing 

Das moderne Hobby Horsing ist beeindruckend und albern. 

In seiner Albernheit schließt es an kurzzeitige Kinderspiele in begrenzten Lebensphasen an, die schließlich das kommerzielle Steckenpferd hervorgebracht haben und in den Kokosnussschalen der Ritter der Kokosnuss veredelt wurden. Beeindruckend ist seine Nähe zum Tier, ohne diesem weh zu tun und sind seine phantasievollen und lehrreichen Leibesübungen, die das Wiehern nicht ausschließen.

Ich befürchte nur, dass das unsägliche Reglement allen Pferdesports (sic!) nun auch noch Kinder und Erwachsene zugrunde richtet. 

Abgebildet ist mein Steckenelch (ein altes Geschenk) und mein selbstgefertigtes Hufsimulationsequipment nach Monty Pyton. Man braucht allein dafür schon  bei gleichzeitigem Einsatz mindestens zwei Personen. Es ist absolut tourniertauglich, wenn auch nicht zugelassen.

Merke: Wer ein Steckenpferd hat, ist gegen Hobby Horsing gewappnet und holt das Beste aus der deutschen Sprache hervor.

Nachtrag:
Die Tagesschau berichtet am 14. 9. 2024
„Der Trend kommt angeblich aus Finnland und wird auch in Deutschland beliebter: Hobby Horsing. In Frankfurt finden an diesem Wochenende die Deutschen Meisterschaften statt. Die Gewinner:innen werden in drei Kategorien ermittelt: Zeitspringen, Stilspringen und Dressur. Echte Pferde bleiben im Stall, stattdessen „reiten“ die Teilnehmenden auf Steckenpferden.“

Ziemlich para

Das olympische Feuer hat Tradition. Es ist ein weit sichtbares Zeichen dafür, dass der Sport für die Zeit der Spiele einen Vorrang hat und weltweite Friedfertigkeit einfordert. Am Ende der Spiele erlischt es.

Dass es seit einiger Zeit auch paraolympische Spiele gibt, hat die fortschreitende Gerechtigkeit von Vielfalt und Teilhabe  zur Grundlage.

Wer jetzt – wie so mancher Sportreporter – vom Paraolympischen Feuer spricht, hat wohl nicht viel davon verstanden. Es gibt keine zwei Olympischen Feuer.

PS • Die Eröffnung der parapoympischen Spiele war auch nicht  auf der Place de la Concorde, sondern auf dem Place de la Concorde, wenn man es als Berichterstatter in deutscher Sprache vorträgt.

Mein Olympia VI: Spocht und Sprache

In diesen Tagen spiegelt sich der Disput darüber, ob man überhaupt Eskimorolle sagen darf …

Fachsprache der Kanuten: Kenterrolle
(verbindliches Ergebnis einer Gremienarbeit)

Alltagssprache: Eskimorolle
(Ergebnis zeitenüberdauernder Sprachpraxis)

Fachsprache der Sprachkünstler 1: nasse Frühlingsrolle
(Ergebnis von Fantasie und Denken)

Fachsprache der Sprachkünstler 2: kleines Boot in Wasserpanade
(Ergebnis von Fantasie und Denken)

Wobei die Alltagssprache sich der Ablage verbrauchter Bezeichnungen  der Fachsprache bedient und der Künstler ohnehin alles darf.

Mein Olympia V: • Über die Falle der Regeloptimierung •

Besonders dem Sport in Mannschaften liegt eine Idee zugrunde, die dann über die Spielpraxis verfeinert wird. Auch mit steigendem Trainingsniveau und mit taktischen Überlegungen werden einmal bestehende Spielregen oft so brüchig, dass nicht unbedingt die beste Mannschaft gewinnt. Als Kinder haben wir notfalls auch mit Konservendosen zwischen zwei Gullideckeln Fußball gespielt. Wir hatten keinen Schiedrichter, keinen Torhüter, keine Kleidung, die Mannschaften kennzeichnet, keine Abseitsregel und meist keine Ecke. Selbst das Spielfeld hatte keine exakten Grenzen und keine hervorgehobene Punkte und Zonen.

So, wie die Spieler performen, werden auch im Spieldiskurs die Regeln ohne Ende abgeschliffen und angebaut.

Heute gibt es Fußballverbände, die die Regeln verwalten und mitgestalten. Sie ergänzen und ersetzen das Fuzzylogicsystem der lebhaften Ungenauigkeiten durch präzise verbindliche Formulierungen. 

Mit manchen Regeln kann man das gut machen. Ob der Ball im Tor ist, ob jemand im Abseits steht oder den Ball mit der Hand berührt hat, das kann so gemessen werden, dass alle Zweifel ausgeschaltet sind. Die Technik dazu ist allerdings kostspielig und wird deshalb den armen Amateuren vorenthalten. Andere Regeln bleiben dabei ewiglich fuzzylogical zu bewerten. Dabei geht es darum, wie absichtsvoll ein Foul war und ob die Hand am Ball mehr oder weniger absichtsvoll war. Mit zunehmendem Spielniveau  werden die Regeln bei allen Beobachtern unterschiedlich bewertet und  die Entscheidung schafft unvorbereitet nur noch fragwürdige Gerechtigkeiten. Der Schiedsrichter hat derweil andere Sorgen: Er bleibt im konservativen Sinn regelgerecht, weil es sein Job ist. Daraus ergeben sich gern Redewendungen in der Berichterstattung, die gar nicht ins Regelwerk passen: „Das ist zu wenig für einen Elfmeter!“ Im Zweifel siegt also die Fuzzylogik gegen die exzessive Technik und der edle Amateur ist letztlich besser dran. Er hat ein zweifelhaftes, aber am Ende akzeptiertes Ergebnis und darf über Generationen diskutieren, ob das damals wirklich ein Tor war.

Mein Olympia IV: • Über den Reporter •

Während der klassische Rundfunkreporter in der gebotenen Geschwindigkeit alles in Sprache übersetzt hat, was er gesehen hat, führte das mitgelieferte Bild der audiovisuellen Medien vierzig Jahre später zu einer gewissen Verkommenheit in der Reporterpraxis, die ratlos macht. Man konnte ja nicht über etwas berichten, was jedermann viel besser im Bild selbst sehen konnte. Die ehemals hoch geschätzten Fußballreporter befanden sich zwischenzeitlich in einer Situation, in der sie stoisch etwa die Namen der ballführenden Spieler von vorn bis hinten emotionslos aneinander reihten.  Sprachinnovationen blieben in dieser Zeit bescheiden: „Er schlenzt das Leder!“. Mit zunehmender Qualität der Bilder war auch das Sprechen selbst weitgehend überflüssig. Fortan veranstalteten die Reporter jeweils eigene Huckepackshows und verknüpften erwartende Bilder mit gut recherchierten oder hilfreich fantasierten Hintergrundberichten und Fachsprachenschnipseln. Das brachte Hinweise hervor, dass der Protagonist im Bild bestimmt an seine Oma denkt, die auf dem heimischen Sofa mitfiebert und dass Geld keine Tore schießt.  Die argentinische Rückhand lag oft in der Luft. Solange es eine gedankliche Brücke zum Bild gab, war möglicherweise alles erlaubt, was den Zuschauer veranlasst, nicht abzuschalten. 

Es gibt heutzutage Reporter, die bereits jede Andeutung von Gefühlen in ein emotionales Drama übersetzen, das die ganze Welt mittels vorgeführter weinerlicher Schnappatmung in Schwingung versetzt und beispielsweise, das innigste Verhältnis von Reiter und Pferd in der aristokratischen Dressur zum Thema hat. Die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Bild macht sich breit. Das gesprochen Wort schickt sich an, die Bilder zu überlagern. Der Lucky Punch wird jetzt am Ende jedes Sportwettbewerbs vom Reporter ins Spiel gebracht. Und schließlich darf man rücksichtslos sagen, was man will, ohne dass die Bilder mitkommen. Man sagt dann beispielsweise, dass die Marathonläuferin gerade schwer zu kämpfen hat. Das Ergebnis sind immer mehr aus der Reporternot geborene Fakenews. Irgendwann können die Bildhersteller auch nicht mehr liefern, was die Reporter vorsprechen. Es wird am Ende mit reinen Symbolen bebilderte Hörspiele mit Zwischenexplosioneninszenierungen im Schwimmbecken geben. Die schnöde Wirklichkeit bleibt eine abgedunkelte Kulisse in der Abstellkammer. Bei der naiven Beobachtung bleibt das Glück, dass endlich jeder sagen kann, was er will, auch wenn es unerheblich ist. Dass Fakenews glücklich machen, ist unwahr. Es lässt sich aber empirisch belegen, etwa die „Emotionalexplosion am Eiffelturm“ (Zitat aus der ZDF-Berichterstattung am 3. 8. 2024)

Mein Olympia III  • Yin und Yang •

Die Leichtathletikdisziplin Gehen ist voller Kuriositäten. Wie auf der Trabrennbahn das Pferd, läuft man in hoher Geschwindigkeit in einem Stil, der sich eigentlich bei weitaus niedrigeren Geschwindigkeiten bewährt hat. Die Trabrennen werden gar als Tierquälerei gebrandmarkt und haben zu Recht die öffentliche Wertschätzung verloren. Die Geher und Geherinnen gehen immer noch, – wenn sie nicht wegen nachgewiesenem Gehfehler disqualifiziert werden. Heute läuft eine Frau Yang an der Spitze und wird auch gewinnen. Sie hat den Bauchnabel abgeklebt. Dazu dient kein Pflaster, das etwa den Windwiderstand verbessert. Der Reporter weiss zu berichten, dass sie das immer macht. Denn offenbar hattet der Fahrtwind – also der Gehwind – einmal durch den Bauchnabel den Weg zu den inneren Organen gefunden und dort erheblichen Schaden angerichtet. Ich mache mir nun Sorgen um meine bauchfreien Auftritte bei der Gartenarbeit und entwerfe bereits eine gepiercte Bauchnabelklappe mit Dichtring, die meine Kurzformel zur Rettung der Welt ziert. Da ist der Sieg! Frau Yang freut sich, dass das Zielband ihr Pflaster noch einmal ordentlich andrückt. Es hatte sich an den Rändern schon gefährlich gelöst.

Ich sage das nur, weil ich erwähnen will, dass vor Jahrzehnten einmal eine nahe Verwandte beim Zahnarzt durch den behandlungsbedürftigen Zahn regelrecht mit Luft aufgepumpt wurde und über Tage mit einem höchst mißgestalteten Gesicht in der Öffentlichkeit gekennzeichnet war, bis die Luft einen natürlichen Ausweg gefunden hatte.

Mein Olympia II • Medaillenzauber •

Manchmal erhalten die siegreichen Gladiatoren neben den Medaillen, die sie für die Ewigkeit im Feld aller Menschen auszeichnen, auch noch ein Extrageschenk. In meiner überbeanspruchten Eigenwilligkeit bin ich sicher, dass es sich dabei nur um eine SpyraThree handeln kann. Ich kann es nicht belegen. Aber es muss doch mit dem Teufel zugehen, wenn es keine SpyraThree Wasserpistole ist. Sie passt einfach ausgezeichnet zu den ausnahmslos hitzigen Wettkämpfen.

Mein Olympia I • Feierlichkeiten •

Ich habe mir die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele angeguckt. Eigentlich interessieren mich solche, meist sehr pathetischen Aneinanderreihungen von Symbolen, nicht so sehr. Die angekündigte spektakuläre Show war nun aber tatsächlich randvoll mit erstklassig dargestellten Künsten, Künstlern und mit weltbewegender Technik und Vernetzung und hat sogar ohne Einschränkung dem Regen getrotzt. Jeder Theaterregisseur, vielleicht auch jeder Filmproduzent würde sehr viele Menschenleben benötigen, um diese Vielfalt in seinem Lebenswerk unterzubringen. Die ganze Sache würde  im normalen Leben der Künstler bereits am Personal und am Geld scheitert.

Es ist zunächst ja gut, dass man für Olympia – dem Ereignis der Rekorde – rücksichtslos aus dem Vollen schöpfen kann. Nachhaltiger wäre es freilich, wenn man sein kreatives Pulver wohldosiert dem Publikum vermittelt.

Es bleibt eine wunderbare und tiefgründige Show, die so einmalig angelegt ist, dass sie danach nur noch als Konserve überleben kann und insgesamt an Redundanzen und pathetischen Überhöhungen erstickt. Allein der Endact mit Celine Dion, die sogar den reinen Pathos tatsächlich zur Kunst transformieren kann, ist ein stilechter wie würdiger Abschluss der Veranstaltung. Ich wünsche sehr, dass die lebhaft beteiligten Personen und die Ideenrealisierer im Hintergrund für die Kunst im Alltag gefragt sein werden. Sie haben es verdient und können dann auch spärliche Symbole in ein tiefes Verständnis transformieren. Dann kann man auch sehr viel mehr genießen, anstatt die Symboldeutung mit unzureichender und manchmal fehlgeleiteter Unterstützung überraschter Reporter über mehrere Stunden zu betreiben. Denn das ermüdet und lenkt ab.