Ein Kuchen ohne Hilfe eines professionellen Bäckers kann vorteilhaft sein.
Ich habe heute einmal einen Kuchen gebacken. Es ist nichts besonderes: Hefeteig, Kirschen aus dem Glas und Streusel. Dass besondere ist aber, dass ich so viel Hefeteig verarbeitet habe, wie üblicherweise für zwei oder drei Bleche gebraucht wird. Es ist eine unsägliche Entwicklung in der Praxis der Profibäcker, dass man den Teig knapp hält und dann aber den Kuchen mit viel feuchtem Zeug und viel Zucker und etwas Farbe hochpimpt. Der Konsument muss sich darauf einstellen, dass er auf süß und nass abfahren muss, um solchen Kuchen zu mögen. Bäcker verschweigen gern, dass sich ihre feucht-süßen Kuchen eine verhältnismäßig lange Zeit verkaufen lassen. Das ginge bei meinem Kuchen nicht, aber ich verkaufe ihn ja auch nicht. Besser ist es, wenn ein Kuchen frisch gegessen wird. Bei einem Hefekuchen ist das am besten an Tag des Kuchenbackens.
Also mein Kuchen schmeckt mir fabelhaft. Weil er aus kommerziellen Zwängen befreit ist, kann ich ihn überhaupt backen. Es ist eine Freude, den Standardbäcker einfach mal abzuschalten.
Übrigens gilt die Unsitte nass auch für gekochte Speisen. Dabei kommt anstatt süß die Eigenschaft knackig als weitere Unsitte hinzu. In Soße ertränkte Speisen und knackige Salate sind mir ein Gräuel, wie auch die vertikale Anrichtung der Speisen und alle Geschmacksexplosionen.
Nachdem der Koch Björn Freitag in einer seiner zahlreichen alltagsnah konzipierten Kochsendungen davor gewarnt hat, die Pfeffermühle zwischendurch auch mal rückwärts zu drehen, weil sie dabei angeblich kaputt geht, glaube ich dem kein Wort mehr. Die Pfeffermühle geht davon selbstverständlich nicht kaputt! Es bleibt also nur eine bedeutungsmächtige und drohwarnende Allüre, die der Koch besserwisserisch inszeniert, weil er wohl nichts Besseres zu bieten hat. Und der WDR träumt als zuständiger Sender einfach mal an den lecker eingebundenen Fakenews vorbei und ergötzt sich mutmaßlich zum wiederholten Mal an wachsweich gekochten Eiern, die obenauf liegen und allererst mit dem Essbesteck angestochen werden, um in einem Erguss sämtliche Pfefferpartikel bei aller Frische zu umschmeicheln. Verstehst du das?
Die Pizza ist so eine Sache, die auch ohne Rezept oft zu schmackhaften Ergebnissen führt. Sie bietet sich geradezu für Innovationen an.
Mit einem autoritären Charakter ausgestattet, sucht man trotzdem unweigerlich nach einem „Original“. Das fängt schon damit an, dass man vorträgt, die Pizza würde im Plural Pizze heißen. Da die Pizza seit der Mitte des letzten Jahrhunderts weltweit eingebürgert wurde, gibt es eine unüberschaubare Vielfalt, die sich nicht nur auf den Belag beschränkt. Trotzdem ist die italienische Pizza die Referenzpizza für alle Abweichungen. Das liegt vor allem an den traditionell bodenständig wie weltläufigen Italienern, die nahezu weltweit Filialen für italian Food eingerichtet haben. Wohl deshalb wird auch die Geschichte weitergereicht, die italienische Grammatik würde auch den Plural von Pizza festlegen. Das ist aber nicht so. Jede Sprache hat ihre eigene Grammatik, die immer auch für die Einbindung ausgeliehener Wörter gilt. Gerade gebildete Menschen mit autoritärem Charakter lassen das nicht gern gelten. Ihnen sind mehrere richtige Grammatiken suspekt und sie verlieren damit auch ihr Selbstverständnis, polyglott zu sein. Genauso wenig mögen sie alle Abweichungen von der „original italienischen Pizza“, die selbst in Italien bereits regionale Besonderheiten aufweist.
Ich verfolge gerade die deutsche Debatte darüber, ob die Pizza Chicago Style, eine umgedrehte Abfolge der Beläge der italienischen Pizza etabliert. Dazu muss man wissen, dass die deutsche Pizza von Deutschen in der Regel für eine Pizza gehalten wird, die mit der italienischen identisch oder sogar besser ist. Dabei ist es so, dass in Italien der Käse in der Regel direkt auf die Tomaten kommt. Das bietet sich auch an! Denn anderenfalls würden die weiteren Zutaten abgeriegelt im Käse kochen, anstatt obenauf zu garen, Geschmack und eine angenehme Textur zu entwickeln. Der Deutsche neigt dagegen dazu, in einer Überbacken-Hysterie, den Käse obenauf zu platzieren – oft doppelt. Ich nenne das mal, wegen der großen Verbreitung in deutschen Haushalten, die deutsche Pizza. Ich mag die ja nicht. So gesehen ist die Pizza Chicago Style eigentlich eine Umkehr der deutschen Pizza: Der am Rand hochgezogene Boden wird üppig mit Käse gefüllt. Darauf kommen Tomaten und dann weitere Zutaten. – So vielfältig ist die Pizza. Man wird sie nicht in allen Varianten mögen.
Was ich auf keinen Fall mag, ist die unaufhaltsam gehandelte Auftaupizza und die Fastfoodpizza, die mit einem Aufpreis von 1 € pro Zutat auch eine weitere Schicht von einem Zentimeter hervor bringt. Weniger ist mehr Geschmack und bessere Konsistenz – wenn Oregano dabei ist.
Die dünnwandigen Plastikeinmalflaschen zerkrausen sich unweigerlich beim letzten Schluck aus der Pulle. Um keine Fehlversuche am Flaschenrücknahmeautomaten zu provozieren, sind wir gut beraten, einmal mit einem kräftigen Luftstoß aus dem Mund die Flasche wieder mit dem dafür typischen begleitenden Knistergeräusch in eine annehmbare Form zu bringen und dann fest zu verschließen. Diese Aufbereitung vor der Zerstörung ist mit dem meist günstigen Kaufpreis ausgeglichen.
Für Ungläubige biete ich gern Kurse an. Sie finden mich als Dienstleister direkt am Rückgabeautomaten.
Die Geschichte vom ausgelassenen Speck, der in der Pfanne tanzt, ist küchenhistorisch zweifelsfrei der Nachkriegszeit zuzuordnen, als Pfannen niemals gereinigt wurden, um die Spuren des ausgelassenen Specks in das nächste Gericht aus der Pfanne zu retten. Beim öffnen des Küchenschranks mit der Pfanne suchte dann häufig die letzte der Hausmäuse nach einem weiteren Tanz in der Pfanne noch schnell das Weite.
Hier eines der Convenianceprodukte, die die Menschheit nicht braucht. Würstchenschneiden ist eigentlich nur eine sorgende Zuwendung für die Kleinen, die Alten und die Kranken. Und es ist wirklich schnell gemacht, so dass man sich auf die Zuwendung selbst konzentrieren kann.
Wer mit gehäckselten Würsten Eintöpfe usw. aufzupimpen versucht, merkt zum Ende, dass er mit der Wurst bestenfalls nur den Einheitsbrei gewürzt hat. Das Würstchen selbst hat nach sehr kurzer Zeit des Erwärmens in der Gesamtmasse gänzlich den Eigengeschmack verloren, ohne dass der Eintopf an Qualität gewonnen hätte. Ich nehme an, dass der Hersteller seine Ausschussware vermarkten will.
Immerhin: Es sieht fröhlich aus, wie die blassroten Wurstscheiben auf den saftiggrünen Erbsen herumtanzen. Und alle beide sind offensichtlich kerngesund.
Der Name „Snibbel“ verweist den Vorgang des Kleinschneidens (schnibbeln) in den Niederländischen Sprachraum und legt den Blick auf eine deformierte Currywurst nach Art von ’s-Gravenhage frei.
Die Industrie ist mittlerweile so trendsicher wie die Reichsbürger, während der handwerkliche Bäcker sich qualitätsvoll zugrunde schuftet.
Ich würde das niemals essen.
Was schon bei Fischstäbchen nicht klappt, nämlich sie auf der kleinsten Fläche anzubraten, klappt auch bei diesem Kuchenstück nicht. Wie soll man es um Himmels Willen platzieren, damit es normgerecht die Deutschlandfahne abbildet?
Meine Ausgaben für Parkgebühren übersteigen in den letzten Jahren meine Ausgaben für handgefertigtes Speiseeis erheblich. Es war einmal andersherum, obwohl auch die Preise für Eis gestiegen sind. Um die alte Ausgewogenheit zurück zu holen, stelle ich in der Straße des favorisierten Eisdeales mein Auto ins Halteverbot – ohne den fließenden Verkehr zu beeinträchtigen oder etwas zu bezahlen. Die Parkplätze am Straßenrand sind ohnehin alle belegt. Ich stelle mich in eine Einfahrt, durch die ich noch nie ein Auto habe fahren sehen. Ich gehe dann die 20 Schritte zum Eisdealer, während meine eisliebende Mitfahrerin im Auto das Szenario durchgängig prüft und erforderlichenfalls mit dem Ordnungsamt verhandelt. Aber dann fahre ich ja auch schon wieder weiter:
Heute gab es „Strawberry Cheesecake“ und Limoncello“ …
Die meist vor dem Verzehr geschnittenen Kuchenstücke sind eine bewährte, sehr praktische Digitalisierung von Kuchen und Torten. Anstatt sie nach Gewicht, nach Quadratzentimetern oder etwa löffelweise anzubieten oder zu verkaufen, gibt es eben möglichst gleich große und gleichwertige Kuchenstücke, die eigentlich jeder Mensch gut als Einheit akzeptieren kann. Manche essen sogar mehrere.
In den letzten Jahren hat sich eingeschlichen, dass der potentielle Konsument die Kuchenstücke im Privatbereich nicht mehr in der vorgefertigten Form akzeptiert. Er fordert meist halbe Stücke oder seltener besonders große Stücke und wird nicht verlegen, das auch noch zu begründen. Bäckereien folgen diesem Trend mit gutem Grund bisher nicht. Für mich ist die Infragestellung der Vorfarmatierung von Kuchenstücken eine Selbstbestimmung am falschen Objekt von Menschen, die irgend etwas besser zu wissen glauben, anstatt sich einfach mal auf Vorgaben einzulassen. Wer nicht weiß, ob er ein zweites Stück vom Kuchen will, muss sich einfach nur entscheiden. Er wird danach weder verhungern noch zerplatzen.
Die Kuchentafeln mit zweigeteilten oder noch anders geteilten Kuchenstücken sind mir ein Graus. Ich verlasse auch gern den Raum, wenn der Gastgeber im voreilenden Gehorsam bereits alles verbröselt und vermatscht hat, um eine Vielfalt der verkleinerten und verkrüppelten Stücke zu zelebrieren.
ziemlich heidnisches Kuchenstück
Gestern war ich bei einem Beerdigungskaffee, der eigentlich Raue heißt. Es gab Brötchen, Wurst und Käse und gleichgroße Stücke Blechkuchen mit unterschiedlichem Belag auf Tellern angerichtet. Es war für alle genug da. Und dann meinte jemand, er müsse alle Kuchenstücke in der Mitte durchschneiden, damit nicht die eine isst, was der andere gern gegessen hätte. Und dann hat er es tatsächlich auch noch gemacht! Ich hätte gern ein vollständiges Stück Mohnstreusel gegessen. Das ging dann aber nicht mehr. Ich habe mir dann ein paar Brötchen belegt und niemandem eine Brötchenhälfte angeboten. Brötchen esse ich aus der Hand, Kuchen im belgisch-niederrheinischen Style mit Messer und Gabel.
Nachtrag 1:
Ich erzähle die Kuchenstückgeschichte beim sonntäglichen Nachmittagskaffee. Da gehört sie ja auch hin. Ich hätte die Geschichte vorlesen sollen. Denn die Reaktion war: „Es kann schon zu viel sein, wenn ich so ein Kuchenstück esse und dann schmeckt das am Ende fies und ich brauche lange, bis mein Körper wieder auf normal schaltet und für schmackhafte Nahrung zu gebrauchen ist. Wenn ich Besuch bekomme, dann lege ich zuvor schon ein Messer bereit, damit niemand hungrig bleibt oder zu viel essen muss.“ —
Ich habe darauf erst gar nicht reagiert. Ich bin doch kein Missionar. Zur Aufklärung könnte ich ja irgendwann einmal eine ungeschnittene frische Torte mit lediglich einer unbegrenzten Anzahl von Löffeln bereitstellen.
Nachtrag 2:
Auf Zuruf erwähne ich den ziemlich anarchistischen Umgang mit dem Kuchen in Finnland. Richtig verstanden, ist ja die Anarchie im besten Sinn urdemokratisch. Das ist mir sehr sympathisch. Wie weit diese finnische Methode in Finnland verbreitet ist, das weiß ich nicht einmal. Aber es gibt sie dort. In Finnland gibt es also einen Kuchen und ein Messer. Jeder schneidet sich nach eigenem Gusto selbst sein Kuchenstück zurecht. Wer zwanghaft ist nimmt dann wahrscheinlich winzigkleine oder riesengroße Stücke, je nachdem, ob er immer nur an andere oder immer nur an sich selbst denkt. Die Größe und die Form der Kuchenstücke sind dabei im allgemeinen aber vollkommen gleichgültig. Das ist mir ebenfalls sehr sympathisch. Ein Bezahlsystem würde bei diesem Verfahren aber eine Waage und wohl auch eine Ombudsperson erfordern. Und ich befürchte, dass erheblich Reststücke schließlich nur im unkontrollierten Gefecht mit dem Löffel vom Kuchenblech gegessen werden können – wenn der Kuchen wirklich lecker ist. Das ganze finnische Verfahren erinnert doch stark an künsterlische und sportliche Wettbewerbe. Ich würde zum Zweck des Kuchenessens den Gedanken an Wettbewerbe unterbinden und das konfektionierte Kuchenstück wohl doch bevorzugen.