Fiese Wanne

Bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gibt es ständig üble Verletzungen, weil der lästige Gegner den Weg des Balls zum Tor verstellt. Lediglich der guten Körperverfassung der Spieler ist es zu verdanken, dass nicht alle als Sportinvaliden vom Platz getragen werden. Gleichwohl ist eine offenbar normierte Spielertrage ständig im Einsatz, die sehr stark an eine Wanne erinnert, die gut nach unten abdichtet und die mutmaßlich auch noch über einen Deckel verfügt. Beides zusammen wäre dann auch als Verpackung für ein irgendwie abgeschlossenes Leben denkbar. Das Teil liegt ästhetisch nahe an der Ekelschwelle. Aber wir wissen ja, dass der FIFA nichts zu fies ist.

Fußball mit Biss

Wenn ein Fußballspiel erst beim Biss des Gegners in irgendein Körperteil spannend wird, dann bedeutet das doch, dass die bestehenden Regeln des Fußballs sukzessive aus dem Spiel genommen worden sind, um die Regelhaftigkeit des Durchbeißens als neue Norm einzuführen.
Ich frage mich schon lange, ob taktische Fouls, das provozieren foulträchtiger Berührungen und schwalbenähnliche Flüge ohne Kontakt mit dem Gegner nicht dem Spiel mit dem Ball, sondern dem Spiel mit den Regeln dienen.
Gelbe und rote Karten haben das Potential zum Fußballspiel zurück zu finden.

SENSATIONen

Bei der Fußballweltmeisterschaft wird täglich über Sensationen berichtet. Das ist bei vielen Spielergebnissen so, aber auch bei gern einmal ausgewählten einzelnen Tritten gegen den Ball.
Nach meinem Verständnis ist die Sensation eine so seltene Ausnahme, dass sie in der Erinnerung lange überdauert.
Meine ‪Sensation‬ bleibt auf alle Fälle in Erinnerung: Als ich einmal in der gerade bezogenen Wohnung in der Nacht mit dem Pantoffel eine Motte jagte, dann aber die Deckenlampe traf, die mit perfekter Ballistik durch das offene Fenster flog und schließlich eine Etage tiefer vor der Haustür zerschellte – war das irgendwie höchst sensationell.

Über die Elfenbeiner

Ich sehe gerade die Mannschaft der Elfenbeinküste Fußball spielen.
Die Menschen von der Elfenbeinküste – oder heißt es: aus der Elfenbeinküste – werden erstaunlicherweise von irgendwie fachkundigen Sprechern als Ivorer bezeichnet. Nun ist Ivoire aber dass französische Wort für Elfenbein. Die Bezeichnung ist wohl ein Relikt aus Kolonialzeiten. Sollten die Menschen dann doch nicht besser in der deutschen Sprache Elfenbeiner genannt werden?

Über die Paralympics

Wir rechnen mit allem!

Wenn man die Welt des zur Ware überdrehten Sports auch auf Behinderte ausweitet, dann erscheint das zunächst als programmatische Inklusion mit allen Effekten der gerechten Teilhabe. Weltweit gilt jeder zehnte Mensch als behindert. Das ist eine Basis, um auch dem Sport für Behinderte weltweit den Weg zu bereiten.

Ich bin auch durchaus dafür, dass jeder Mensch mit seinem Handicap alles Mögliche unternimmt, um seine Leistungsfähigkeit zu steigern und sie auch noch zur Schau zu stellen.

Wenn man aber, wie gerade in Sochi, für die Paralympics ein Sponsoring- und Urinprobenfestival für gut gezüchtete Sportler aufzieht, dann werden doch einige Unwürdigkeiten besonders auffällig, die bei dem Vorbild der olympischen Winterspiele noch verdeckt waren.

Zunächst fällt mir auf, dass eine Anna Schaffelhuber täglich als Siegerin durchs Ziel fuhr. Also insgesamt 5 mal und bei eifrigen Nachrichtenkonsumenten das dann auch noch jeweils 10 mal in Wiederholungen. Da rufen die Kinder schon: Lauft da die Anne Waffelhuber wieder? Offenbar gibt es eine derart schmale Elite der speziell geförderten Sportler, die die Sache unter sich ausmachen soll. Eine breite Basis scheint zu fehlen. Allein die russischen Sportfunktionäre haben als Ergebnis einer kurzfristigen und zielgerichteten Förderung speziell für die wilden Spiele in eigener Regie 22% der Goldmedaillen okkupiert. Die Deutsche Anna Schaffelhuber sicherte sich allein 3,6% aller Goldmedaillen. Man sah zudem, wie in unwürdiger Art unzählige Sportler gänzlich hilflos wie Dummies über die Pisten schossen, um dann oft schwerverletzt in Fangzäunen zu landen. Man sah auch noch, dass diejenigen, die überhaupt noch ins Ziel kamen, bisweilen in ihrer Gesamtheit nicht einmal die drei Medaillenränge abdecken konnten. Das war ein Spektakel nach dem Geschmack der Fernsehzuschauer im wohlig temperierten, weichen Wohnzimmer und erst recht nach dem Geschmack der Veranstalter, der Sender und ihrer Werbepartner.

Hier war offenbar nach bewährtem Konzept ein Zirkus aktiv, den wenige Lichtgestalten kommerziell zu nutzen wissen und der als Aushängeschild einer gut inkludierten Gesellschaft verkauft wird. Er hat keine Volkssportbasis, sondern ist weitgehend künstlich-strategisch hergerichtet. Er gestattet offenbar auch nur wenigen Menschen, mittels dieses Sport eine verbesserte soziale Anerkennung zu finden.

Alles das gilt natürlich prinzipiell für jeden Leistungssport. Im Behindertensport ist allerdings eine Schmerzgrenze sichtbar.

Und das alte Problem des vergleichenden Messens bei Individuen, die je und je unterschiedlich sind, um die Medaillen und Ränge zu verteilen, ist auch noch nicht gelöst. Im Behindertensport drängt sich noch sehr viel deutlicher die Erkenntnis auf: Man kann sich gerechterweise heute bestenfalls an seinen eigenen Leistungen von gestern messen. Aber eigentlich ist man ja heute auch schon wieder ein anderer Mensch.

Profisport

Es ist mir ja weitgehend gleichgültig, wer mit wem seine sexuellen Beziehungen gestaltet.

So lange aber beispielsweise Menschen im Dienst des FC Bayern München Herrn Hoeneß nicht als Verbrecher bezeichnen dürfen, ohne die Verbindung zum Verein einzubüßen, ist es nicht ratsam, den öffentlichen Teil der sexuellen Orientierung gegen den Mainstream zu betreiben.

Profisport behält einen Geschmack von Leibeigenschaft.

Politik als Fußballspiel

Es geht mir nicht aus dem Kopf und deshalb schreibe ich es auf.

Wir suchen ja stets danach, mit Vergleichen argumentieren zu können, damit man uns zuhört. Es ist immer spannend zu hören, ob so ein Vergleich auch hält oder hinkt. Und wenn die Aufmerksam flächendeckend sichergestellt werden soll, dann nutzten wir immer gern den Fußballsport.
Am Wahltag (22. September 2013) war es auch so. Zunächst sagte wohl der Bundeskanzlerkandidat der SPD, Herr Steinbrück, der Ball liege nun in der Spielhälfte von Frau Merkel, der Bundeskanzlerin. Deshalb müsse sie nun den nächsten Spielzug der Koalitionsverhandlungen einleiten. In unzähligen Interviews mit bisherigen Oppositionspolitiker tauchte der Fußball an diesem Tag in den Medien immer wieder auf, und mit unwesentlichen Abweichungen sagten alle das selbe. Bis Frau Schwesig kam! Sie ist im Kompetenzteam von Herrn Steinbrück. Sie bestand darauf, dass der Ball nun bei Frau Merkel „im Tor“ liegt … Da hat sie doch wohl ein Eigentor geschossen! – und belegt, dass sie jedenfalls in Fragen des Fußballs vom Expertenstatus sehr weit entfernt ist. Ich glaube nicht, dass die regierende Welt des Fußballs so etwas jemals verzeiht.

Et hät noch emmerjootjejange – doch der Fan an sich ist behandlungsbedürftig

Nun ist das Sportgeschäft schon lange nicht mehr der Händler mit den Trainingshosen. Der Sport ist selbst ein Geschäft und pflegt Produkte, die sich blendend vermarkten lassen. Wer hätte damals gedacht, dass allein der Fussball das Geld sprudeln läßt? Allein Bayern München machte 2011 einen Umsatz von über  321 Millionen Euro und der Jahresverdienst der Fussballer ist mehr als ein Inflationsausgleich. Lionel Messi erhält im Jahr 31 Millionen Euro, das sich aus Gehalt und Werbeeinnahmen zusammen setzt.

Der Fan spielt jedoch ebenfalls eine große Rolle im Marketing aller Ligen und Vereine. Er füllt die Stadien, füttert die Presse, futtert Würste, kauft Devotionalien, Bier und Bengalos, macht Stimmung und wird genutzt, das gewünschte Image des Vereins zu leben und zu bestätigen. Er ist eigentlich unbezahlbar, zahlt aber selbst noch drauf und die Bettwäsche in den richtigen Farben bekommt er zum Geburtstag. Er merkt nicht mehr, dass die „Raute im Herzen“ auch in Mönchengladbach kein empirischer  Befund ist.

So lange der Fan mitspielt, werden keine Sorgen markiert. An dieser Stelle wird es brenzlig: Wir erwischen immer wieder Fans, die dem strategisch vorgegebenen Wunsch-Image einen Bärendienst erweisen, weil sie sich partout nicht an die Regeln halten. Sie werden deshalb kategorisiert. Für die Polizei sind Fans der „Kategorie C“ die schlimmste Sorte. Sie erfüllen aber trotzdem ihren Zweck und füttern sogar die Presse mehr als uns lieb sein kann.

Nun ist der Fan – gleichgültig welcher Kategorie – von vornherein bereit, sich in die Situation einer sozialen Masse zu begeben, in der tendenziell die Individualität aufgegeben wird und in der das ganz große Gefühl der Gemeinsamkeit über Rituale und Symbole auf die Spitze getrieben wird. Es bedarf nur kleinster, auch zufälliger Impulse und die Restindividualität geht den Bach runter und es kommt zu kollektiven und unkalkulierbaren Grenzüberschreitungen und Stimmungswechseln. Wenn also Fans vor dem Ende des Spiels die Wiese stürmen und sogar auch den Elfmeterpunkt als Devotionalie in Sicherheit bringen — wie am 15. Mai 2012  beim Relegationsspiel zwischen den Fußballmannschaften aus Berlin und Düsseldorf — dann sieht man doch klar, dass hier der Verstand aussetzt und man zur Norm des Handelns lediglich das zur Verfügung hat, was die Masse gerade macht. Alles andere ist ausgeblendet. Das Massenverhalten ist archaisch geprägt und läuft einfach so ab.

Dem Einzelnen gegenüber, der sich in solchen Situationen befindet, ist es also ungerecht, ihn als dumm, blöd, egoistisch und als Totengräber des lustigen Fussballs und der Fankultur zu bezeichnen, wie es in der veröffentlichen Meinung dominierend ist. Es ist auch nicht sinnvoll, ihn individuell zur Rechenschaft zu ziehen, wenn er überhaupt nicht individuell gehandelt hat. Der Fan kann nicht anders!

Er kann allerdings vor den Ereignissen, an denen er als Fan üblicherweise beteiligt ist, darüber nachdenken, ob er sich Situationen aussetzen will, in denen seine Individualität in der Masse aufgeht und in denen er sein Steuerungsvermögen einbüßt. Wendet er sich nicht ab, könnten spitzfindige Juristen über seine Gefährdungshaftung für Massenphänomene nachdenken.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand über den Durst trinkt. Es ist allerdings bedenklich, wenn er nicht aus der Erfahrung lernt. In der Fankultur ist es nicht anders. Die Fans werden mit sehr vielen Annehmlichkeiten  bei der Stange gehalten und für das Wirtschaftsunternehmen Sport ausgenutzt. Und sie werden allein gelassen, wenn sie in Situationen in und vor dem Stadion so viel Individualität einbüßen müssen, dass es zu unvertretbaren Übergriffen kommt.

Dem leidenden Fan sollte vom Nutznießer des Fanwesens eine günstige Therapiemöglichkeit vermittelt werden. — Wat wells de maache?