Über die Leihmutter: Ich will ein Kind von dir!

Die Idee der Leihmutterschaft ist so alt wie die Menschheit. Dabei kommt die Leihmutter neuerdings dann ins Spiel, wenn es unerträglich erlebt wird, das weitere Leben ohne Kind zu gestalten. Dabei gehört eigentlich die Kinderlosigkeit durchaus zum normalen Leben dazu. Es gibt eben keinen unbedingt einlösbaren Anspruch auf eigene Kinder. Viele Menschen arrangieren sich damit ohne Probleme. Die Unerträglichkeit der Kinderlosigkeit tritt vor allem dann auf, wenn im Wohlstand Dynastien erhalten werden sollen. Früher war das beim Adel, heutzutage sind es immer mehr Leute, denen der Wohlstand die Fantasie erlaubt, dass sich alles kaufen lässt, auch ein Kind.

Der Wunsch eines eigenen Kindes hat über die Jahrtausende merkwürdige Wege hervor gebracht. Es gibt untergeschobene Kinder, Adoptionen und den Wechsel des Geschlechtspartners. Die Leihmutter gibt es als Folge der medizintechnische Erfindung, den biologischen Zusammenhang von Zeugung und Geburt aufzulösen, erst seit 40 Jahren, hat sich aber erst in jüngster Zeit auf einem internationalen Markt ausdifferenziert. Meist arme Frauen in anderen Ländern vermieten dabei gegen Geld ihre Gebärmutter. Es ist unmittelbar klar, dass allein diese Möglichkeit materielle, medizinische, soziale, emotionale und rechtliche Folgen hat die unüberschaubare und unregelbare Probleme hervor bringen. Die Fortpflanzungsmedizin eröffnet auch die Option, dass gleichgeschlechtliche Paare, alte Menschen und viel andere, die traditionell kinderlos bleiben, einen Kinderwunsch ausarbeiten können. Die Leihmutterschaft in vielen Ländern grundsätzlich strafbar, meistens für die Reproduktionsmediziner, die technologisch assistieren.

In der weltweiten Verflechtung von Märkten wird allerdings die Leihmutterschaft zum Geschäft. Sowohl die meist hilflosen Leihmütter als auch die wohlständigen Menschen mit ungebändigtem Kinderwunsch bieten sich an, von Vermittlerorganisationen zwischen den Kulturen und Rechtssystemen gezielt angeworben und ausgebeutet zu werden. Diese Organisationen stellen sich in der Öffentlichkeit allerdings so dar, als würden sie zum Wohl aller Beteiligten eine Situation herstellen, in der alle gewinnen und glücklich werden. Am liebsten arbeiten sie jedoch ganz ohne Öffentlichkeit und nutzen die weltweiten Preisunterschiede.

Wenn nun – wie es heute in allen Zeitungen steht – ein wohlständiges Ehepaar das bestellte Kind abholt, nicht jedoch das behindert geborene Zwillingskind, dann wird deutlich, dass der Markt der Möglichkeiten aus dem Ruder läuft, wenn die Vielfalt der Natur die präzise Bestellung aushebelt.

In dieser Situation ist es einfach, die Besteller als Unmenschen zu brandmarken, nur weil sie das wollen, was sie bestellt haben. Die Zeitungen und die Leserkommentare sind voll davon.

Offenbar ist es erforderlich, die internationale Regeln und passende Gesetze für eine Leihmutterschaft international zu entwickeln und abzustimmen.

Es ist eigentlich klar, dass die Möglichkeiten der Reproduktion rechtlich flankierender Regelungen und einer dazu passenden Ethik bedarf. Es wird höchste Zeit, eine solche Regelung nicht nur national, sondern auch international auf den Weg zu geben. Eine entsprechende Konvention würde erreichen, dass fast wieder alles beim alten wäre. Fast – denn es ist so, dass Erfindungen, auch wenn sie unnütz sind, grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden können. Es wird also begleitend eine Ethik zu entwickeln und zu verbreiten sein, die die immer mal versteckt mögliche Leihmutterschaft am besten an der Stelle der medizintechnischen Schwangerschaftsassistenz ächtet.

Der Moslem als Schützenkönig

Aktuell wird zum Problem, was sich der auf der Straße gefragte Deutsche immer so unter Integration vorstellt: Wer so handelt wie der vermeintlich „gute Deutsche“ hat sie integriert – fertig. Was Integration sonst noch so sein könnte, wird erst gar nicht erwogen.

Nun ist irgendwo in Westfalen, wo auch das Schweinefleich als unverzichtbareres Grundnahrungsmittel hoch gehandelt wird, ein Moslem zum Schützenkönig geworden.
Zunächst versteht ja niemand, warum dieses scheinbare Musterbeispiel der Integration zum Problem werden kann.
Dem Moslem nutzt es auch nichts, dass seien Frau katholisch ist und er damals zum Abiturium den Leistungskurs Katholische Religionslehre gewählt hatte.

Doch die anzuwendende Satzung des Dachverbandes der Schützenvereine steht dagegen: Er hat im Schützenverein nichts zu suchen!
Ja, es ist so, Vereine und Verbände und auch Religionsgemeinschaften bilden in unserer Gesellschaft eine Vielfalt ab, die insgesamt höchst vernünftig ist, sich aber zusammensetzt aus Einzelteilen, die uns abstrus bis abartig erscheinen. Es gibt Raucherclubs, Vereine für Übergewichtige, Fanclubs für längst verstorbene Popstars und selbst die katholische Kirche ist nie angetreten, im Kerngeschäft demokratisch zu wirken.
Wir sollten uns also die Vereine, die zur Verfügung stehen gut angucken.
Gerade in der Katholischen Kirche gibt es immer wieder die Kritik, dass sie nicht demokratisch sei, so als habe sie die Demokratie zur Grundorientierung, verwirkliche sie aber nicht. Einfacher wäre es und es würde auch die Vielfalt sicheren, wenn man nicht gerade im Chinarestaurant ein Wiener Schnitzel bestellt, und auch die katholische Kirche in ihrem Selbstverständnis respektiert. Man ist ja frei, eine andere Kirche zu wählen oder gar zu gründen.
Mit den Schützenvereinen, die vor einigen hundert Jahren meist im Schulterschluss mit der katholischen Kirche christliches Brauchtum tradieren, ist es nicht anders. Sie sind nun mal traditionell weder für Moslems noch für Juden zugänglich.
Der Fall des muslimischen Schützenkönigs muss also nicht daran gemessen werden, ob der Verein dem Wunsch dieses Schützenkönigs und dem Anspruch vieler anderer gerecht wird. Offenbar war der besagte Schützenkönig im Irrtum darüber, worauf er sich eingelassen hat. Er sollte sich zunächst einen Verein suchen, in dem er wirklich willkommen ist. Möglicherweise ist der eine oder andere Schützenbruder dort wohl auch nicht richtig. Freilich kann der Dachverband sich ändern und die Vorschriften für die Mitgliedschaft für viele Kulturen und Glaubensrichtungen öffnen. Eine Änderung, die sich plötzlich aus dem genannten Fall ergibt, wäre reiner Populismus.
Ich rate dazu, über Eintritte und Austritte abzustimmen! Dann haben wir letztendlich die Vereine, die wir verdienen. Und die Vielfalt ist gesichert. Es ist kein gute Idee, Pizza Funghi ohne Pilze zu bestellen oder aber Vereinen abzuverlangen, was sich gar nicht sein wollen.

Anti

Okay — ich bin nun mal immer „anti“.  – Das ist so.

Ich will daran nicht viel ändern, auch wenn der eine oder die andere einmal dumpfe Schmusesolidarität einfordert.

Aber — ich bin ja auch irgendwie ziemlich auf Pasti aus. Man kann es nicht unbedingt auf den ersten Blick sehen. Ich bin vor allem anti Salzkartoffeln.

Vielleicht trifft man sich ja einmal zu reichlich Antipasti.

Hurensöhne

Der Fußballspieler „Schweini“ Schweinsteiger singt vor einer Kamera über Dortmunder Hurensöhne, entschuldigt sich dann aus dem Urlaub per Video dafür und die Dortmunder finden das ganz ok so und bieten Gesangsunterricht an —

Das erinnert doch stark an den rheinische Katholizismus: Man darf im Suff alles ungestraft machen, wenn man anschließend nur ordentlich beichtet und zur Strafe etwas von Helene Fischer singt.
Warum ist die Fankultur auch für Weltmeister in der Kreisklasse stecken geblieben?

Über die Sprachlosigkeit

Die Linguistik und die Entwicklungspsychologie wissen mittlerweile viel darüber, wie der Mensch die Sprache erwirbt. Aber die deutsche Politik weiß es vermeintlich besser. Das wundert nicht, weil die Politik immer auch ein Wettbewerb der Besserwisser um die Gunst des Publikums ist. Wenn nun die Politik falsch liegen würde, bedeutete das ja, dass der Mensch, wenn er Probleme beim Spracherwerb hat, also beispielsweise bei einer nichtdeutschen Zielsprache, in die falsche Richtung geschickt wird oder dass gar sein gelungener Erwerb einer Sprache erst gar keine Anerkennung findet, wenn es nicht die deutsche Sprache ist. Es ist aber so: Die politische Debatte über die Migration kreist seit Jahrzehnten ohne Fortschritt um politische Annahmen, denen die fachliche Grundlage fehlt.

Es lohnt sich also, die linguistischen und entwicklungspsychologischen Erkenntnisse für die Politik aufzubereiten. Ob es gelingt, sie dort auch einzuschleusen, bleibt zweifelhaft. Die Zielsprache, das ist die erste Sprache, die ein Mensch erwirbt und keine zweite, kann man sich nicht frei aussuchen. Sie ist bereits vorgeburtlich in Ansätzen vermittelt und schon festge- legt. Es ist die Sprache der Mutter und ihrer unmittelbaren Lebenswelt. Diese Zielsprache wird also nicht unterrichtet sondern in einem höchst individuellen Entwicklungstempo von Kindern erworben. Eine insgesamt förderliche Umgebung erleichtert den Spracherwerb. Die erworbene Zielsprache führt zu Begriffen, Begriffe ermöglichen das Denken und das Denken führt zur Bildung. Ist der Spracherwerb erfolgreich, dann ist es auch für Kinder kein Problem, sogar mehrere weitere Sprachen zu lernen. Diese Sprachen zu lernen, setzt aber stets den Erwerb der Zielsprache voraus. Die Kehrseite der so beschriebenen gelungenen Entwicklung ist, dass ein fehlerhafter oder unvollständiger Erwerb der Zielsprache nicht nur das Denken und die Bildung behindert, sondern dass die weiteren Sprachen nur mühsam und mit Paukelementen gelernt werden. Das erlernen einer weiteren Sprache kann das Defizit beim Erwerb der Zielsprache auf alle Fälle nicht ausgleichen. An der Zielsprache führt also kein Weg vorbei.

Nun ist auch politisch richtig erkannt, dass die Sprache grundsätzlich ein gutes Werkzeug ist, in der Welt zurecht zu kommen. In Deutschland ist man nun gut beraten, auch die deutsche Sprache zu nutzen, weil damit der Austausch zwischen den Menschen am einfachsten gelingen wird. Deutsch sprechen die meisten. Man ist aber nicht gut beraten, Anforderungen zu formulieren, in denen die deutsche Sprache zur unumgänglichen Zielsprache deklariert wird. Trotzdem sind politische Programme zum Thema Migration voll davon. Es bleibt trotzdem so: Kinder mit Eltern, die eine nichtdeutsche Zielsprache haben, werden die deutsche Sprache eben nur als Fremdsprache lernen können. Dies wird allerdings mit sehr gutem Erfolg gelingen, wenn der Erwerb der Zielsprache dem voraus geht.

Wenn man nun das Werkzeug „Deutsche Sprache“ verfügbar machen will, ist es also kontraindiziert, Deutschkurse zu protegieren, wenn die Zielsprache Probleme macht. Kontraindiziert ist es vor allem, die Zielsprache zu unterdrücken und „Deutsch“ zur einzig zulässigen Sprache zu machen. Wenn also auf Berliner Schulhöfen das Türkische als Sprache verboten wird (die Presse berichtete darüber), dann ist der Applaus aus der Politik sicher. Der Sinn des Spracherwerbs und der Verständigung, also die Bildung, ist allerdings ad absurdum geführt. Der Gebrauch der deutschen Sprache in der Schule ist verhaltenstherapeutisch nicht zu bewirken, wenn man von kleinen Paukerfolgen absieht.

Wenn der türkische Ministerpräsident Edogan wieder einmal 90 Minuten in großen Hallen vor Landsleuten spricht, dann formuliert er die Essenz linguistischer und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse: „Türken sollen zunächst türkisch lernen und dann deutsch“. Auf der deutschen politischen Bühne wirkt so eine Festlegung abstrus. Deutsche Politiker antwortet dann auch für viele andere: „Kinder, die in Deutschland groß werden, müssen zu allererst deutsch lernen.“ Pointiert wird die ganze Vorstellung dadurch, dass der Patriotismus der Türken das ganze Szenario auch noch emotional einkleidet. Dabei gehört der Patriotismus zu einer grundsätzlich unkritisierbaren kulturellen Besonderheit, an der man Türken häufig erkennt. Sie halten im türkischen Selbstwertgefühl bisweilen neben der türkischen sogar auch die deutsche Fahne mit überbordender Leidenschaft hoch.

Ob Herr Erdogan seine Position linguistisch und entwicklungspsychologisch begründet, das ist bisher nicht bekannt. Aber irgendwie hat er trotzdem recht. Hoffentlich ergeht es ihm besser als es ihm in der deutschen Politik gehen würde. Dort wurde unlängst die Wertschätzung der Wissenschaft ganz und gar aufgegeben und ein Verteidigungsministers Guttenberg für außergewöhnlich gut befunden, nachdem er eine Dissertation versucht hatte, die zusammengestohlen war. Für eine Ministerin Schavan, die ebenfalls plagiiert hatte und Amt und Titel nun los ist,  haben gar Spitzenwissenschafter in ihren Verbänden für eine unbegründete Milde insistiert.

In der Politik, sogar in der Wissenschaftspolitik ist es also ausdrücklich gefragt, die Wissenschaft zur Marginalie zu machen. Denn sonst gingen ja alle Argumente verloren, denen die Wissenschaft entgegen steht. Eigentlich sollte es darum gehen, den Zielspracherwerb zu fördern. Dann ist der Umgang zwischen den Kulturen ein Kinderspiel und die Vielfalt zwischen den Kulturen ist einfach nur reichhaltig und gut. Schließlich kann man mittels der Sprache darüber befinden. Die verschrobenen Vorstellungen hinter dem völlig randunscharf gebräuchlichen Wort Integration verlieren ihren Gegenstand aus den Augen.

Aber: Es passiert einfach! Es ist alles schon da. Es gibt einen Grund zu sprechen: „Diversity and Inklusion“.