Frau Merkel sieht eine Ideologie als etwa grundsätzlich Böses. Ihr griechischer Kollege Tsipras ist ihr beispielsweise zu ideologisch und hart, um als Gesprächspartner angemessen zu agieren. ¥ Sie ist damit nicht allein.
Der Literaturtheoretiker Terry Eagleton hat 1993 gegen solche Positionen den journalistischen Merksatz geprägt: “Ideologie ist wie Mundgeruch immer das, was die anderen haben.” Er nutzt dabei einen Vergleich als ein Stilmittel, das heutzutage das politische Kabarett prägt. Wendet man jedoch die Prämisse Merkels und anderer ins Gegenteil – und es gibt gute Gründe, das auch zu tun – dann gilt aber auch der Merksatz Eagletons nur bedingt:
Eine Ideologie müssen wir uns nämlich als etwas grundsätzlich Gutes vorstellen. Für den Mundgeruch gilt das grundsätzlich nicht. Grundsätzlich gibt es aber auch Ausnahmen.
Gefangen im Liveticker
Zeitungen bieten in ihren Onlineabteilungen gerade Liveticker zum Referendum in Griechenland an. Wie soll ich mir das vorstellen? —
9:29 Uhr Familie Archimedes strömt gerade ins Wahllokal. Sie haben auch die Oma mitgebracht. Die älteste Tochter hat ihr Haar zum Zopf gebunden. Sie ist etwas aufgeregt, denn sie ist Erstwählerin.
9:31 Uhr Jetzt verschwindet die Mutter hinter einem Vorhang, ist aber sehr schnell zurück, denn sie hatte ja nur die Wahl zwischen ja und nein.
9:35 Uhr Der Vater ist nun erwartungsgemäß etwas schneller. Dafür ist er bekannt.
9:36 Uhr Der Wahlleiter schreitet ein, weil die Tochter die Oma hinter den Vorhang begleitet. Das ist ein Verstoß gegen das Wahlgesetz.
9:39 Uhr Na bitte, es geht doch auch einzeln.
9:45 Uhr Die Familie verabschiedet sich. Was die einzelnen Familienmitglieder gewählt haben, werden wir nie erfahren, weil alles sehr geheimlich organisiert ist. Es ist aber gut möglich, dass sich die Familie mit Probeabstimmungen vorbereitet hat.
9:50 Uhr Und schon betritt der stadtbekannte Junggeselle Giorgos das Wahllokal …
Ja, so könnte es ablaufen und ich fürchte, dass mich der Lifeticker noch lange in Atem halten wird.
Beitrag zum Rohstoffmanagement in den Zeiten der Tierliebe
Der Mensch ist anpassungsfähig wie kein anderes Lebewesen. Das Nachdenken und das Vorausdenken über sich selbst und andere führt zu einer ungeheuren Vielfalt, sich so oder aber auch ganz anders einzurichten und zu meinen, dass die getroffene Wahl einzigartig richtig ist. Wenn er erst einmal entschieden ist, neigt der Mensch nicht nur dazu, diese Entscheidung für gut und richtig zu halten. Sogar die begleitenden Emotionen richtet er so ein, dass das in seiner Welt alles ganz normal ist. Mir fällt als gutes, aber unbedeutendes Beispiel wieder der Hundebesitzer ein. Würde er seine eigene Notdurft eintüten und in der Jackentasche herumtragen, bis ein Abfallbehälter auftaucht? Weil es nicht sein muss, würde man ihn wohl nicht dazu bewegen können. Er würde es extrem unangenehm empfinden und sähe sich im Beisein anderer Leute sogar gedemütigt. Verschärft man aber das Gedankenspiel und bietet die Notdurft eines andern an, dann ändert sich an der Ablehnung nichts. Verschärft man das Gedankenspiel noch einmal und nimmt ein ganz anderes Säugetier, etwa einen Hund, dann sieht die Sache auch nicht gerade appetitlich aus, aber doch wesentlich entspannter. Man kommt im Rahmen der Urbanisierung des Hundelebens eben nicht daran vorbei, soziales Verhalten vorzuleben, indem man den Hundekot aufklaubt und wegträgt. Mittlerweile wird Hundekot in Plastiktüten als besondere Belastung der Zivilisation erkannt. Der Hundebesitzer wird es selbstverständlich auch gut finden, den Hund an geeigneten Vorrichtungen rektal abzusaugen, wenn der Mensch damit als Freund der Hunde und der Menschen überleben kann, weil er ja so anpassungsfähig ist. Die Absaugvorrichtung gäbe es – ganz nebenbei – an jeder Tankstelle und würde den Rohstoff direkt zu einem Dünger für urbane Tomatenzuchten aufbereiten und in einem Rohrsystem weiterleiten. Es wäre zweifellos aber noch besser, wenn der Hund das Ende seiner Entwicklung noch nicht erreicht hat und irgendwann ein Leben ganz ohne Verdauungstrakt bewerkstelligen könnte. Das Tamagochi kehrt zurück und markiert in weiser Voraussicht den Höhepunkt der Tierliebe. Sogar einen Tod könnte man dann durch einen Batteriewechsel als Intermezzo gestalten. Auf Messen für Senioren werden jetzt bereits solche Tiere angeboten. Die Resonanz ist überwältigend.
Und dann auch noch dies:
Ich spüre ein Defizit.
Und dann auch noch das (im November 2015):
Waffenlobby
Die US-Waffenlobbyorganisation NRA (National Rifle Association) ist so einflussreich, dass der Präsident Obama immer wieder scheitert, den Waffengebrauch in den USA in gelenkten Bahnen verlaufen zu lassen. Ein führender Vertreter der NRA hat nun behauptet, der bei dem Massaker in Charleston getötete Pastor sei der Schuldige und nicht der Täter, denn er habe das Tragen von Waffen im Gotteshaus untersagt. Es wurde in der Kirche neun Menschen getötet.
Terrorismus könnte nicht schlimmer sein.
Wahrheitswendung
Hilfe!!!
Die Zeitungen mit speziell eingerichteten Satire- und Unwahrheitsseiten kreuzen sich mit den unfreiwilligen und den freiwillig schlechten Komikern in den sozialen Netzen und stoßen dort auf diejenigen, die keinen Spaß verstehen und andere Verschwörungstheoretiker.
… landen im Garten
Wenn du so weiter machst,
dann landest du mit deiner Kunst
noch im ZDF-Fernsehgarten!
- Ja, Du!!!
Von Geheimdiensten zu Öffentlichkeitsdiensten
Das ist eine Variante von Schwertern zu Flugscharen.
Bienenklicken
Pro 7 sammelt Klicks und zahlt dafür Geld zur Rettung von Bienen.
Mit unserem Zuspruch adeln wir Pro7, die – wie sie sagen – „Verantwortung zeigen“, weil sie Geld für Bienen spenden, wenn wir nur fleißig bei Facebook klicken. So, wie die behauptete Verantwortung offensichtlich einer Werbeidee zuzuordnen ist, wird sie auch an den Spender weitergereicht. Er soll tatsächlich glauben, dass ein Klick Geld losschlägt und eine Biene rettet.
Bedeutungszertifikat
Mein Bedeutungszertifikat soll die Welt verbessern!
Heute: Der Charleston-Mörder
„Während der Charleston-Mörder die Schlagzeilen beherrscht, …“ NTV 21.6.2015
Den „Charleston-Mörder“ muss man sich so gelenkig und beherrscht vorstellen, dass er heftig in Gesellschaft tanzend mit einem Bindestrich ins Schwarze trifft und dabei den Charleston selbst für immer verstummen lässt.🐊
Mein Bedeutungszertifikat soll die Welt verbessern!
Heute: Rücktrittsdrohung
In den Zeitungen stand, der Vorsitzer der SPD habe mit Rücktritt gedroht, wenn ihm die Partei nicht in die Vorratsdatenspeicherung – vds – folgt.
Heute: theoretisch
Heute: Vergleich
Heute: Nachricht
Heute: Grexit
Grexit ist ein Fliesenkleber aus dem Baumarkt auf Grenadinebasis.
Austerität basiert auf einer sozialen Anerkennung herausragender Eigenschaften einer bestimmten Muschel.
Heute: Dummejungenstreich
Wenn andre klüger sind als wir,
das macht uns selten nur Pläsier,
doch die Gewissheit, daß sie dümmer,
erfreut fast immer.
Wilhelm Busch
Lieblingsworte
- Wenn ich nicht bereits ein Lieblingswort hätte, dann wäre Schrumpfschlauch erste Wahl.
Ich nutze Schrumpfschläuche zur Stabilisierung der überall in Gebrauch befindlichen Käbelchen der neuen Kommunikationsgeräte und werde das Gefühl nicht los, dass so ein Schlauch auch erdrosseln kann. - Wenn ich nicht bereits ein Lieblingswort hätte, dann wäre Hochsteckfrisur erste Wahl.
Ich nutze die Hochsteckfrisur, um die Ohrringe richtig zur Geltung zu bringen und werde das Gefühl nicht los, dass ich unter Brücken Anstoß nehme.
- Wenn ich nicht bereits ein Lieblingswort hätte, dann wäre Mehrtürer erste Wahl.
Das ist also so jemand, der sein Leben für eine vermeintlich gute Sache geopfert hat. Dabei kommt es mir lediglich auf die Schriftform an. Als gesprochenes Wort bleibt es wohl dauerhaft unbedeutend.