Gefangen im Liveticker

Zeitungen bieten in ihren Onlineabteilungen gerade Liveticker zum Referendum in Griechenland an. Wie soll ich mir das vorstellen? —

9:29 Uhr Familie Archimedes strömt gerade ins Wahllokal. Sie haben auch die Oma mitgebracht. Die älteste Tochter hat ihr Haar zum Zopf gebunden. Sie ist etwas aufgeregt, denn sie ist Erstwählerin.

9:31 Uhr Jetzt verschwindet die Mutter hinter einem Vorhang, ist aber sehr schnell zurück, denn sie hatte ja nur die Wahl zwischen ja und nein.

 

9:35 Uhr Der Vater ist nun erwartungsgemäß etwas schneller. Dafür ist er bekannt.

9:36 Uhr Der Wahlleiter schreitet ein, weil die Tochter die Oma hinter den Vorhang begleitet. Das ist ein Verstoß gegen das Wahlgesetz.

9:39 Uhr Na bitte, es geht doch auch einzeln.

9:45 Uhr Die Familie verabschiedet sich. Was die einzelnen Familienmitglieder gewählt haben, werden wir nie erfahren, weil alles sehr geheimlich organisiert ist. Es ist aber gut möglich, dass sich die Familie mit Probeabstimmungen vorbereitet hat.

9:50 Uhr Und schon betritt der stadtbekannte Junggeselle Giorgos das Wahllokal …

 

Ja, so könnte es ablaufen und ich fürchte, dass mich der Lifeticker noch lange in Atem halten wird.

Rumgriechen …

Die Presseberichte scheinen ein neues Lieblingsthema zu haben. Die Zeitungen sind voll davon, dass die griechischen Regierung gern zu Drohungen greift und aber auch erpresst
Beispielsweise twittert heute die ZEIT:
28.04.15 04:17
Griechenlands Regierungschef Alexis #Tsipras droht mit einem Referendum über umstrittene Sparmaßnahmen. (nd) zeit.de/wirtschaft/201…

Ich vermag in solchen Zusammenhängen allerdings weder eine Drohung noch eine Bedrohung erkennen. Mit den Zitaten, die Erpressung erwähnen, geht es mir ebenso. Eine Erpressung mag ich nicht erkennen.. Wenn die in anderen Ländern manchmal unbeliebte Regierung Griechenlands eine offensichtlich volksnahe Politik ankündigt, dann ist es doch genau das, was man von ihr erwarten muss. Man muss sogar erwarten, dass sie das auch umsetzt. Sollten solche Ankündigungen außerhalb der Internationalen Erwartungen liegen, dann steckt ein Drohpotential offenbar in solchen Erwartungen und ihrer Vermarktung, weil ihnen Machtverhältnisse zu Grunde liegen. Entgegen allen herrschenden Erwartungen liegt der Fortschritt zudem niemals im Mainstream, sondern in der begründeten Abweichung davon.

Politik im Mainstream erstirbt in ihren Ritualen.