Wir demonstrieren für die Rettung eines gedeihlichen Weltklimas

Am 20. September 2019 um 5 vor 12 in Rheydt

Demonstrationen enden ja repräsentativ mit einer Kundgebung.

Ich weiß nun nicht, was die Veranstalter mit der Polizei und der Stadt abgesprochen haben. Mein Eindruck war, dass die Veranstalter über den Tisch gezogen worden sind.

Bereits am Aufstellort (Fischerturm) habe ich mitgekommen, dass ein Polizist einem anderen berichtete, das „da hinten“ noch ganz viele Leute kommen. Offenbar hatte zumindest die Polizei damit nicht gerechnet. Wie viele Menschen es insgesamt waren, weiß ich nun nicht, aber der Demonstrationszug hatte ein beeindruckende Länge und Dichte. Er wurde mit relativ wenig Aufwand an der Innenstadt vorbei bis zum Hauptbahnhof Rheydt geführt. Dort war dann Schluss. Der kleine Parkplatz dort war viel zu klein, so dass die Demonstranten in der Not auf die eine Hälfte der Straße ausweichen durften. Ich fand die Situation angesichts des Anliegens, die Welt zu retten, unwürdig und armselig. Irgendwer sprach unverständlich und in der Menge unsichtbar mit einem unterdimensionierten Megaphon. Dabei löste sich die Demo zwangsläufig auf.

Ich meine, dass der Rheydter Marktplatz ein angemessener Ort für ein breit unterstütztes Anliegen gewesen wäre. Er ist groß genug und auf der Rathaustreppe ist es möglich, in angemessener Weise eine Kundgebung zu gewährleisten. Marktplätze sind dazu ja auch da. – Ich bin verärgert!

Nachtrag: Man hatte zunächst mit 70 Teilnehmern gerechnet, dann mit 150, schließlich waren es laut Veranstalter 1400.

Hier ne Demo – da ne Demo …

In der gestrigen Sendung der ARD „Politik trifft auf Protest – Pegida bei Günther Jauch“ wurde es deutlich:

Dieses Pepita ist kein Gegner, sondern eine kleine Inszenierung eines außerparlamentarischen Widerstandes mit bewahrender und erneuerungsfeindlichen Ausrichtung. Eine Vertreterin, Kathrin Oertel (nicht zu verwechseln mit einer tapferen Frau nahezu gleichen Namens, die ihre Unabhängigkeit behaupten muss „I`m not the Katrin Oertel from PEGIDA and I have nothing to do with this!!!„) hat das deutlich so vermittelt. Sie ist unzufrieden mit der Politik. Sie stimmt den etablierten Parteien im Wesentlichen zu und beklagt schließlich nur, dass die herrschende Politikerkaste den bestehenden Gesetzen gegenüber zu anwendungsfaul ist. Sie sieht auch die Heere von Trittbrettfahrern, die mit naiven oder neurotisch verschleimten Argumenten sich ihrer Gruppe zum Spaziergang hinzu gesellen, ohne eine bedachte Position zu haben.
Offenbar hat sich Pepita unerwartet, ungeplant und feuerschnell als zündende Idee etabliert und nun weiß man nicht, wie man das steuern soll. Damit sich diese Ansammlung nicht bald in Wohlgefallen auflöst, suchen ihre Macher nun doch den Kontakt mit denen, gegen die sie protestieren und machen sich damit dann aber auch langfristig überflüssig. Die etablierten Politiker Spahn (CDU) und Thierse (SPD) empfahlen dann auch, dass sie mit der Unzufriedenheit doch einmal zu „ihrem“ Abgeordneten gehen soll, der in seiner Bürgersprechstunde bereits wartet. Dieser tödlich-arrogante Hauch des bestehenden status quo der Politik auf allen Ebenen, drohte damit das gute an Pepita – nämlich das Bürgerrecht zur Versammlungsfreiheit aktiv zu nutzen – abzuwürgen.
Der aufgezeigte Weg von Herrn Richter (Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung), eben keine Streitparteien quantitativ gegeneinander aufzurüsten, sondern individuell das Gespräch zu suchen, also die versäumte (politische) Bildung ergebnisoffen in der Begegnung nachzuholen, erscheint mir da als bester Weg, etwas zu bewegen. Er verwies auf seine teilnehmende Beobachtung und wegweisende Gespräche.
Ich sehe es so, dass eine eigentlich nicht vorhandene Bewegung durch Gegendemonstranten und die zwangsläufig damit verbundene Aktivierung von Gewalttätern mit „rechter“ und „linker“ Gesinnung erst zu einer Bewegung gemacht wird. Dabei bleibt die dringende Glaubwürdigkeit und Reformbedürftigkeit der Politik auf der Strecke. Sie wird durch die streitenden Akteure ausgeblendet.
Es läuft ja gar nicht so gut, wie die Regierung und die sie tragenden Parteien weiß machen wollen. Das Vertrauen der Bürger in den Staat ist so lange gerechtfertigt, wie sie der Überzeugung sind, dass Fundamentalnormen wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit durch die praktische Politik vertreten werden. Wenn aber der öffentliche Politiker Verständnis heuchelt und auf Deibel-komm-raus Fehlentscheidungen rechtfertigt und immer nur sagt, der Bürger hätte ihn nicht richtig verstanden (das Umgekehrte ist meistens der Fall!), dann wenden sich die Bürger ab. Allein die missglückten Versuche zu den Themen TTIP, Maut, Atomkraft, Soli, Steuerreform, Waffenexporte reichen bei weitem aus, sich dem parlamentarischen Weg zunächst zu verweigern, weil der Vertrauensvorschuss aufgebraucht ist. Damit ist dann auch eine Legitimationskrise des parlamenarischen Systems diagnostiziert.
 Freilich muss sich auch der Bürger als Wähler etwas anstrengen, damit neu zu wählende Parlamente besser arbeiten. Bisher ist der Politiker bürgerverdrossen und nicht umgekehrt – zumindest das zeigt Pepita (oder wie das heißt) deutlich.