Wir verkleiden uns doch alle

„Kleider machen Leute“ – das ist die Novelle von Gottfried Keller, in der der Zufall Regie führt. Ein bettelarmen Schneider ist gut gekleidet, weil das zu seiner Profession gehört. Und schon nimmt das Verhängnis seinen Lauf, weil er ja dem Anschein nach nur eine hochgestellte Persönlichkeit sein kann.

Der gleichfalls arme Schuster Voigt nutzt zu seinem Vorteil die Uniform eines Hauptmanns (von Köpenick). Carl Zuckmayer hat die wahre Geschichte zum Märchen ausgebaut.

Das Verkleiden und seine Deutungen fangen schon an, bevor wir deshalb in die Kleiderkiste greifen. Welche Rolle wir spielen, das hängt von unseren Vorlieben ab, die den Erwartungen der anderen eine große Bedeutung beimessen. Die äußere Verkleidung ist nur das Sahnehäubchen. Ist sie erst einmal angelegt, ist allerdings die verbundene Rolle nur noch über die Demaskierung zu verlassen. Auf einer Bühne sind wir in unseren Rollen noch halbwegs sicher. Es gibt ja einen vorgeplanten Ablauf und das Publikum wird nur selten und dann zum Schein in eine spielaktive Rolle gebracht.

Gerät die Verkleidung in die Öffentlichkeit, greift eine nicht leicht durchschaubare Melange von Phantasie und Wirklichkeit, wenn man darauf nicht in traditioneller Abfolge vorbereitet ist. An Karneval und sogar an Nikolaus kann da wenig schief gehen. Gleichwohl gibt es stets Einzelpersonen, die die Möglichkeiten ihrer Rolle, samt Verkleidung überfordern. Aus dem Clown wird dann an Halloween gern ein Gruselclown, der entsprechend aggressive Attitüden auslebt und aus einem Nikolaus ab und zu mal ein Bankräuber.

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Ja und dann ist da noch die Burka, die wir von den Bildern kennen.

Burka und Konsorten

Die als Burkaverbot in ganz Europa gehandelte und diskutierte Einschränkung des Outfits von Staats wegen, ist ein Thema ohne Ende und eigentlich auch ohne Gegenstand.

Die verschwindend wenigen Leute, die jemals mit einer Burkaträgerin gesprochen haben, haben wahrscheinlich nie so ein Burkaverbot gefordert.

Aber ich sage gern noch einmal etwas dazu:
Grundlage demokratischer Verhältnisse ist, dass der Staat nichts zu verbieten, sondern die Vielfalt der Lebensführungen zu fördern hat. Zur Vermeidung oder Verhinderung privater Gewaltausübung schützt der Staat den Bürger durch Rechtsnormen und Verwaltungshandeln. Bei Interventionen sind vorab die Wirksamkeit und die Verhältnismäßigkeit der geplanten Intervention zu überlegen.

Auf jeden Fall hat der Staat keine Handhabe, über individuelle Lebensführungen etwas zu entscheiden, nur weil „der Bürger” es so will. Dies auch dann nicht, wenn es viele Bürger wollen.

In (beruflichen) Begegnungen mit Burkaträgerinnen habe ich nie den Eindruck, dass mir ein Verbot der Burka helfen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Das Gespräch käme möglicherweise erst gar nicht zustande und die belastende Wirkung des Gesprächs durch die Ausschaltung alltäglich erforderlicher Kommunikationskanäle, könnte erst gar nicht thematisiert werden. Es könnte auch kaum vermittelt werden, dass das Gesprächsergebnis im bestimmten Fall auch nur bedingt oder gar nicht formuliert werden kann, wenn eine Burka im Spiel ist. Ich sehe überhaupt nicht, was so ein Burkaverbot verbessern könnte, zumal die Zahl der kommunikativen Begegnungen mit Burkaträgerinnen doch extrem klein ist.

Was in den Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation gehört, kann ohnehin nicht reglementiert werden.

Ergänzung:
Die Einladung einer verschleierte Frau in eine Talkshow erregte Aufsehen im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen. Der Widerspruch war erheblich.
Es ist langweilig, nur das zu sehen, was gefällt.
Wo sonst, wenn nicht in den öffentlich-rechtlichen Medien kann man so etwas verantwortlich zeigen? Es ist nicht fahrlässig, denn es ist eingebunden in die große Welt der Widersprüche und damit gut eingeordnet. Die Aufgabe kann man dem Bürger nicht abnehmen, sich selbst ein Bild von der Welt mit allen Gründen und Abgründen zu machen.

Darf es etwas mehr sein?

Wir kennen die Übereifrigen! Sie gibt es überall. Wer die Burka trägt, der gehört auf alle Fälle dazu. Denn mit der Burka wird das Verhüllungsgebot des Koran voreilend übererfüllt.

In der CDU diskutiert man nun wieder ein Verbot der Burka.

Dabei ist eigentlich seit der Deklaration der Menschenrechte klar, dass ein Verbot – gleichgültig, was da zum Verbot ansteht – lediglich die Vernunft auf die lange Bank schiebt.

Klar ist aber auch, dass die Möglichkeit besteht, dass eine Frau mit Burka glaubt, besser auszusehen als ohne Burka. Mit welchem Argument sollten wir ihr die Burka verbieten?
Und klar ist auch, dass es Männer gibt, die sich unter einer Burka –aus welchen Gründen auch immer – ins öffentliche Leben begeben. Und weil das so schwer zu belegen ist, sage ich einmal ungeprüft: „Hinter der Burka – das sind doch alles Männer!“
Ich bastle mir gerade eine Burka, damit ich auch einmal die Vorzüge der Burka austesten kann. Wenn ihr mich ansprecht, versuche ich mit gehobener Stimmlage zu reagieren. Ich bin gespannt, ob ihr mich erkennt.