SENSATIONen

Bei der Fußballweltmeisterschaft wird täglich über Sensationen berichtet. Das ist bei vielen Spielergebnissen so, aber auch bei gern einmal ausgewählten einzelnen Tritten gegen den Ball.
Nach meinem Verständnis ist die Sensation eine so seltene Ausnahme, dass sie in der Erinnerung lange überdauert.
Meine ‪Sensation‬ bleibt auf alle Fälle in Erinnerung: Als ich einmal in der gerade bezogenen Wohnung in der Nacht mit dem Pantoffel eine Motte jagte, dann aber die Deckenlampe traf, die mit perfekter Ballistik durch das offene Fenster flog und schließlich eine Etage tiefer vor der Haustür zerschellte – war das irgendwie höchst sensationell.

Über die Elfenbeiner

Ich sehe gerade die Mannschaft der Elfenbeinküste Fußball spielen.
Die Menschen von der Elfenbeinküste – oder heißt es: aus der Elfenbeinküste – werden erstaunlicherweise von irgendwie fachkundigen Sprechern als Ivorer bezeichnet. Nun ist Ivoire aber dass französische Wort für Elfenbein. Die Bezeichnung ist wohl ein Relikt aus Kolonialzeiten. Sollten die Menschen dann doch nicht besser in der deutschen Sprache Elfenbeiner genannt werden?

In seltenen Fällen gibt es den Plural mehrfach

Den Beton könnte ich beispielsweise, wenn er mir mehrfach begegnen würde, als Betone oder als Betons bezeichnen. Ich warte nun dringend auf die erste Anwendung. Ich bin darauf gut vorbereitet. Betone ist für mich der Nachname des Mafiosi, der die Widersacher final im Hafenbecken versenkt. Ich werden also sagen: „Oh, schau einmal! Diese Vielfalt an Betons bereichert unser Leben!“ Hoffentlich …

Das kann man doch nicht vergleichen

Es wird immer beliebter, in einer Auseinandersetzung zu behaupten, man könne das doch gar nicht vergleichen. Eigentlich wird damit immer nur eine von mehreren strittigen Positionen auf die Schiene des Siegers gehoben, ohne wirklich zu argumentieren. Die Redewendung entspricht der gewinntakischen Bedeutung der anderen Redewendung, dieses oder jenes wäre alternativlos. Man wird jeweils aufgefordert, die stets verfügbaren anderen Lösungen erst gar nicht zu prüfen. Die auch von der deutschen Bundeskanzlerin Merkel lange Zeit favorisierte Alternativlosigkeit wurde deshalb zum Unwort des Jahres 2010. Die Redewendung von der Unvergleichbarkeit beinhaltet aber noch etwas besonderes: Sie ist – unausgesprochen, wie grotesk – stets das Ergebnis eines Vergleiches. Man tut es also und behauptet gleichzeitig, dass es nicht ginge. Vergleichen kann man doch alles, wenn man denn ein Vergleichskriterium bestimmt. Sind Äpfel oder Birnen beliebter? Darauf gibt es eine Antwort. Manchmal hat man den Eindruck, dass das Reden von der Unvergleichbarkeit fälschlicherweise bedeuten könnte, dass bestimmte Dinge oder Sachverhalte nicht gleich sind. Aber das ist ja, wenn man genau misst, immer so. Es ist also nicht wert, hervorgehoben zu werden. Selbst der Klon kann den Platz nicht besetzen, den sein Ebenbild einnimmt.

Über das Eszett

[ẞ]

Wenn jemand sich mit Nachdruck ins Geschäft bringen will, dann schreibt er seinen Namen häufig in Versalien. Man sieht das immer wieder auf Fußballtrikots, jetzt aber auch wieder auf vielen Wahlplakaten, die einen Menschen zur Wahl anbieten.

Gerade in Wortbeiträgen, die man nicht von Angesicht zu Angesicht übermittelt, werden die sprachbegleitenden Verhaltensweisen gern durch Zeichen ersetzt, die auf Gefühlslagen Hinweisen und den Text auszeichnen. Versalien signalisieren dabei das alles übertönende Herausschreien. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden.
Nun sagt der Rat für deutsche Rechtschreibung, dass ein „ß“ als Ersatz für eine Versalie in ein „ss“ aufgelöst wird. Zugelassen ist das kleine „ß“, verloren zwischen Versalien, lediglich in amtlichen Ausweisen, um die Eindeutigkeit von Namen sicherzustellen. Typographen arbeiten schon lange an dem offenbar fehlenden großen „ß“, das uns auch helfen könnte, manche Substantive besser in ßene zu setzen. Dessen ungeachtet ziehen im Fußball ein Herr „KIEßLING“, ein Herr „GROßKREUTZ“ und in der Politik ein Herr „NIEßING“ und viele andere ihre Kreise. Das lässt mich nicht unbeeindruckt und ich schaffe es nicht, darüber hinweg zu sehen. Ich bin geneigt, in diesem Zusammenhang jede Form von Liken zu unterlassen und das „ß“ einfach mal wegen der Ähnlichkeit als „B“ zu deuten und dann auch so auszusprechen: „Der Kiebling steht doch im Abseits!“

Nachtrag am 29. Juni 2017:

Der Kampf hat sich gelohnt. Ab sofort gibt es das ẞ (also das große ß) – sagt der Rat für deutsche Rechtschreibung!

Aufruf an alle Typografen: Macht euch an die Arbeit!

Ich freue mich so sehr: Gib mir ein ẞ! – Ach, da stimmt die Typografie noch nicht.

 

Baustelle

Sehr geehrter Herr Minister Dobrindt,

AB

Täglich werde ich offenbar von Ihnen, zumindest dann wohl aber doch aus ihrem Zuständigkeitsbereich auf der Autobahn in einen ärgerlichen Dialog verwickelt. Ich meine den Pseudosprechakt, der am Ende von Baustellen auf mich wartet: „Vielen Dank für Ihr Verständnis“. Ich habe ihnen einmal fotografiert, worum es mir geht. Offenbar unterstellen sie da, dass ich irgendein Verständnis habe und bedanken sich dafür, ohne sich davon zu überzeugen, dass ich dieses Verständnis wirklich habe. Ich halte das für einen niveaulos dummen und zum Scheitern verurteilten Gesprächsversuch, der in der Werbebranche allerdings ebenfalls weit verbreitet ist. Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass nun auch noch irgendwie undurchsichtige staatliche Stellen ohne personales Gesicht mich derart blöde ansprechen.

Ich möchte gern, dass sie ihr Anliegen bürgergerecht formulierten und schlage ihnen deshalb einen Text vor, der ihr Anliegen vermutlich besser zur Geltung bringt.

„Die Fahrbedingungen auf dem zurückliegenden Autobahnabschnitt werden gerade optimiert. Es kann sein, dass sie dadurch belastet werden. Wir wünschen uns, dass sie trotzdem dafür Verständnis aufbringen. Sollte das so sein, dann wollen wir uns bei Ihnen bedanken, tun es aber jetzt noch nicht, weil wir ja nicht wissen, ob sie uns wirklich Verständnis entgegen bringen.“
Hinzu gehört ein Hinweis darauf, wer denn da überhaupt mit mir einen Dialog anstrebt. Bei meiner Beschleunigung am Ende der Baustelle wird es allerdings erforderlich sein, den Text auf mehrere Tafeln zu verteilen. Der Gewinn an geglückter Kommunikation sollte das aber wert sein.

Es wäre für viele Menschen ein Lichtblick in der Verkehrspolitik.