Über die Paralympics

Wir rechnen mit allem!

Wenn man die Welt des zur Ware überdrehten Sports auch auf Behinderte ausweitet, dann erscheint das zunächst als programmatische Inklusion mit allen Effekten der gerechten Teilhabe. Weltweit gilt jeder zehnte Mensch als behindert. Das ist eine Basis, um auch dem Sport für Behinderte weltweit den Weg zu bereiten.

Ich bin auch durchaus dafür, dass jeder Mensch mit seinem Handicap alles Mögliche unternimmt, um seine Leistungsfähigkeit zu steigern und sie auch noch zur Schau zu stellen.

Wenn man aber, wie gerade in Sochi, für die Paralympics ein Sponsoring- und Urinprobenfestival für gut gezüchtete Sportler aufzieht, dann werden doch einige Unwürdigkeiten besonders auffällig, die bei dem Vorbild der olympischen Winterspiele noch verdeckt waren.

Zunächst fällt mir auf, dass eine Anna Schaffelhuber täglich als Siegerin durchs Ziel fuhr. Also insgesamt 5 mal und bei eifrigen Nachrichtenkonsumenten das dann auch noch jeweils 10 mal in Wiederholungen. Da rufen die Kinder schon: Lauft da die Anne Waffelhuber wieder? Offenbar gibt es eine derart schmale Elite der speziell geförderten Sportler, die die Sache unter sich ausmachen soll. Eine breite Basis scheint zu fehlen. Allein die russischen Sportfunktionäre haben als Ergebnis einer kurzfristigen und zielgerichteten Förderung speziell für die wilden Spiele in eigener Regie 22% der Goldmedaillen okkupiert. Die Deutsche Anna Schaffelhuber sicherte sich allein 3,6% aller Goldmedaillen. Man sah zudem, wie in unwürdiger Art unzählige Sportler gänzlich hilflos wie Dummies über die Pisten schossen, um dann oft schwerverletzt in Fangzäunen zu landen. Man sah auch noch, dass diejenigen, die überhaupt noch ins Ziel kamen, bisweilen in ihrer Gesamtheit nicht einmal die drei Medaillenränge abdecken konnten. Das war ein Spektakel nach dem Geschmack der Fernsehzuschauer im wohlig temperierten, weichen Wohnzimmer und erst recht nach dem Geschmack der Veranstalter, der Sender und ihrer Werbepartner.

Hier war offenbar nach bewährtem Konzept ein Zirkus aktiv, den wenige Lichtgestalten kommerziell zu nutzen wissen und der als Aushängeschild einer gut inkludierten Gesellschaft verkauft wird. Er hat keine Volkssportbasis, sondern ist weitgehend künstlich-strategisch hergerichtet. Er gestattet offenbar auch nur wenigen Menschen, mittels dieses Sport eine verbesserte soziale Anerkennung zu finden.

Alles das gilt natürlich prinzipiell für jeden Leistungssport. Im Behindertensport ist allerdings eine Schmerzgrenze sichtbar.

Und das alte Problem des vergleichenden Messens bei Individuen, die je und je unterschiedlich sind, um die Medaillen und Ränge zu verteilen, ist auch noch nicht gelöst. Im Behindertensport drängt sich noch sehr viel deutlicher die Erkenntnis auf: Man kann sich gerechterweise heute bestenfalls an seinen eigenen Leistungen von gestern messen. Aber eigentlich ist man ja heute auch schon wieder ein anderer Mensch.

Profisport

Es ist mir ja weitgehend gleichgültig, wer mit wem seine sexuellen Beziehungen gestaltet.

So lange aber beispielsweise Menschen im Dienst des FC Bayern München Herrn Hoeneß nicht als Verbrecher bezeichnen dürfen, ohne die Verbindung zum Verein einzubüßen, ist es nicht ratsam, den öffentlichen Teil der sexuellen Orientierung gegen den Mainstream zu betreiben.

Profisport behält einen Geschmack von Leibeigenschaft.

Räuber und Gendarm

Ja, es gibt viele böse Menschen. Deshalb gibt es auch eine Polizei. Die Polizisten haben gelernt, damit professionell umzugehen. Dass der Moslem häufiger aggressiv ist als andere, ist nicht belegt und verleitet nur zur pauschalen Anwendung einer falschen Hypothese und damit gegebenenfalls auch zur Unprofessionalität der Polizei. Die friedfertigen Muslime kreuzen den Weg der Polizistin, die die aggressiven Muslime nicht ausstehenden kann, wohl nicht so oft … Sie schrieb das unlängst so in einem Leserbrief und spricht damit aus, wie der Amateurpolizist so denkt.

Sozialarbeit und Schule

In Nordrhein-Westfalen hatte die obskure Idee der Bundesministerin von der Leyen, im Jahr 2011 „Bildungs- und Teilhabepakete“ über den Kommunen abzuwerfen, ganz abenteuerliche Konsequenzen. Hauptsächlich wurden Leistungen, die es immer schon gab, mit bureaukratischem Aufwand umfinanziert, um das unerwartete Geldgeschenk dann auch zu verbrauchen. Das Geld hätte ursprünglich – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – den armen Menschen zugute kommen sollen. Nach Ansicht der damaligen Regierung, wären die damit mutmaßlich aber nicht vernünftig genug umgegangen.

Vor allem die armen Kommunen im Ruhrgebiet hatten eine tolle, aber eben auch unvernünftige Idee, mit dem Geld nämlich weitere Mitarbeiter zu beschäftigen. Weil die armen Kommunen Neueinstellungen eigentlich ausgeschlossen hatten und bei manchen sogar die Finanzaufsicht des Regierungspräsidenten Neueinstellungen untersagte, machte man aus den Personalkosten, einfach Sachkosten. Das ging nach bewährtem Muster so, dass Träger der Jugendhilfe für die Sachaufgabe „Schulsozialarbeit“ Geld bekamen und dann ihrerseits dieses Geld als Personalkosten einsetzten. Das war förmlich nicht zu beanstanden.

Nebenbei stellt sich aber die Frage, ob nicht bei diesem Konstrukt die Teilhabe der Armen ohnehin auf der Strecke bleibt.

Immerhin wurde dieses Verfahren zum Anschub akzeptiert mit der Maßgabe, dass die „Schulsozialarbeit“ absehbar, also schon bald, anders finanziert werden soll. Damit war die aktuelle Diskussion über den „Kahlschlag“ bei anstehender kommunalen Institutionalisierung des Systems vorprogrammiert, zumal es Ideen für eine dauerhafte Finanzierung nicht gab und diese im Finanzierungswettbewerb auch schädlich gewesen wären. Öffentliches und solidarisches Wehklagen bei auslaufender Finanzierung hat nämlich schon oft geholfen, das unvermeidliche Ende zu verzögern und Geldgeber zu erweichen.

Man hat stets den rekrutierten Sozialarbeitern versichert, dass ihre befristeten Verträge irgendwie weitergeführt werden, notfalls, wenn eben alle Betroffen solidarisch trommeln!

So betrachtet, geht es jetzt weniger um den Tod der Sozialarbeit an Schulen, sondern um ein unverantwortlich blauäugiges und noch junges Großprojekt, über das man sich eher beschweren sollte, als über sein Ende.

Obendrein ist es so – allen, meist naiv vorgetragenen, Erfolgsgeschichten in der Presse zum Trotz – dass es für die „Schulsozialarbeit“ gar kein fachlich tragfähiges Konzept gibt, wenn man einmal von den Gesamtschulen in NRW absieht, die von Anfang an Sozialarbeiter mit eigener fachlicher Autonomie eingesetzt haben und diese in Dauerarbeitsverträgen auch zukunftsträchtig beschäftigen. Es gibt auch noch ähnliche aber sehr kleine Nischen, in denen Sozialarbeit an Schulen vertretbar gut eingerichtet ist.

Ich kenne eine Grundschule, die erst konsequent gar keinen Schulsozialarbeiter haben wollte, weil es nicht vorgesehen war, dass der Schulleiter ihn als Lückenfüller für kranke Lehrer einsetzt. Ich kenne aber sehr viel Schulen, die pragmatisch immer ja sagen, wenn etwas umsonst ist und sich das Personal dann selbst mit der Zeit dienlich herrichten. Der Sozialarbeiter mit dem Zeitvertrag ist in der Regel fest an der Schule und dort ziemlich allein. Er muss sich einfügen, um die Chance auf eine Weiterbeschäftigung zu erhalten. In der Schule steht mittlerweile selbstverständlich der Unterricht im Vordergrund. Fast alle anderen Aufgaben der Schule können ausgelagert werden und werden daran gemessen, ob sie unterrichtsdienlich sind. Der einsame Sozialarbeiter ist mit seiner spezifischen Fachlichkeit dabei nicht gefragt. Er ist aber gefragt als ein Zuarbeiter, der den Lehrern die Konzentration auf das Kerngeschäft ermöglicht. Die derart outgesourcte Schule ist betriebswirtschaftlich gut ausgerichtet, weil sie mit weniger Lehrern auskommt und das persönlicher Gespräch, den Umgang mit den Eltern, Festivitäten und Stadtteilgespräche, die Störenfriede und vieles andere den Sozialarbeitern überlässt. Eine Verarmung der traditionell ganzheitlich ausgerichtete Lehrerrolle ist die Folge. Und der einstimmige Ruf erschallt: Ohne Sozialarbeiter ist diese Schule nicht mehr denkbar! Auch die Anstellungsträger der Sozialarbeiter stützen diesen Ruf aus der Ferne kritiklos. Sie leben von den eingerechneten Overheadkosten und bieten meistens nicht mehr als eine auf Deibel-komm-raus stabilisierende Supervision und lassen ihren Sozialarbeiter im Konfliktfall allein. Der Sozialarbeiter selbst bleibt auf der Strecke, weil ihm eine sozialarbeiterische und institutionelle Heimat fehlt, in der er Werkzeuge, Kollegialität und Rückhalt hat, echte Sozialarbeit zu betreiben. Gerechterweise muss man allerdings sagen, dass es an Schulen manchmal humane Grundkonstellationen gibt, die dem Sozialarbeiter eine erträgliche Nische gewährleisten. Professionell ist das aber auch nicht.

Vor der, wie gesagt, finanziell begründeten Schwemme von Sozialarbeitern an Schulen, war die Sachen noch klar: Sie wären, wenn denn finanzierbar, dezentral im Jugendamt angesiedelt worden, mit guten Kapazitäten, um nicht nur, sondern auch, mit Schulen und in Schulen zu arbeiten, mit direkten Zugang zu den Grundlagen und dem Werkzeug der Sozialarbeit und der Lebenswelt im Sozialraum. Eine diversive und inkludierte Öffentlichkeit mit Schule, Jugendamt und vielen anderen wäre möglich … gewesen.

Wenn ich jetzt lese, dass unzählige Sozialarbeiter, die sich auf ihre Teilhabe an dem unseriös aufgezogenen Geschäft „Schulsozialarbeit“ eingelassen haben, nun ihren Job retten wollen und dazu auch jedes denkbare Argument nutzen, so haben sie meine uneingeschränkte Solidarität! Aber eine „Schulsozialarbeit“, die brauchen wir – im Gegensatz zu einer Sozialarbeit in der Kooperation mit Schulen – nicht!

Über die Eigentümlichkeit der Kunst

Während der Begriff Beute eine lange Geschichte hat, wird der Begriff der Beutekunst so gehandhabt, als sei die Kunst als Beute eng mit dem Nationalsozialismus des 20. Jahrhunderts verbunden. Der Begriff Beutekunst nutzt zur vermeintlichen eigenen Wirksamkeit die Kunst als Ware, ohne am Ende wählerisch zu sein.
Ob die Kunst zur Ware taugt, ist damit zwar beantwortet. Welchen Wert sie hat, bleibt aber offen, wenn man einfach einmal den Marktpreis ignoriert. Dabei stellt sich die heute pervertierte Antwort auf die Frage nach dem Wert der Kunst immer schon. Der hohe Wert der Kunst besteht allgemein darin, dass sie eine nur scheinbar überflüssige Ansicht liefert, die deshalb bedeutungsvoll ist, weil sie nicht bestellt, also frei ist, den Staus quo zu kommentieren und damit über das hinaus zuweisen, was uns immer schon umgibt. Kunst ist damit unbezahlbar. Wenn der Kunsthandel Preise hervorbringt, die es dem Künstler unmöglich macht, seine eigenen Werke zu kaufen, dann wird unmittelbar deutlich, dass der Preis der Kunst den eigentlichen Wert der Kunst nicht abbildet. Der Preis sorgt allerdings dafür, dass die Kunst elitär bewacht wird und breite Bevölkerungsschichten davon abhält, den eigentlichen Wert der Kunst aufzunehmen, weil schließlich teure Kunst als gute Kunst behandelt und gehandelt wird. Kunst bleibt schließlich elitär der Kunstbranche, den reichen Leuten und der kleinen Gruppe der Bildungsbürger vorbehalten, die den Weg zum Kunstwerk gehen wollen und bezahlen können.
Es wird Zeit, dass die gefangen genommene Kunst aus dem Zwang zur Vermarktung befreit wird, und in die Auseinandersetzung der Menschen zurück gegeben wird. Das wirtschaftliche Konzept von Wachstum und Gewinnmaximierung ist vielfach umstritten. In der Kunst zeigt sich die Unzulänglichkeit und Teilhabefeindlichkeit dieses Konzepts des modernen Wirtschaftens.
Die aktuelle Diskussion (2013) um die versprengte Beutekunst aus der Zeit des Nationalsozialismus vermittelt auch, dass das Privateigentum an der Kunst ein Übel ist, das es zuvor schon gab und das bis heute andauert.
Ich wage deshalb die These, dass bezahlte Kunst per se Beutekunst ist. Respektiere ich eine Bagatellgrenze, etwa von einem durchschnittlichen Monatsgehalt für den Privatbesitz von Kunst, dann ist doch jede Kunst im Eigentum, die darüber hinaus geht, eine Beutekunst. Denn sie bedient sich der Ausgrenzung und nutzt Finanzierungsmittel, die sich bereits im Missverhältnis von Arbeit und Kapital in Ausbeutungen und aus Überfluss generiert und sogar im Kunstbetrieb regenerieren. Die Kunst der Museen und des Privatbesitzes hat die Moral der Wertangemessenheit und der Gemeindienlichkeit zunächst nicht auf ihrer Seite. Dieser Mangel kann nur ausgeglichen werden, wenn die Kunst ohne wenn und aber an den Menschen gebracht wird. Der Weg zum Bürger bleibt aber bisher in armseligen Arthotheken und freiem Zutritt an ausgesuchten Tagen stecken.
Beutekunst – dieser oder jener Prägung – gehört schonungslos in die Öffentlichkeit. Wem sie eigentumsrechtlich gehört, ist dabei vollkommen gleichgültig. Immer schon wurde Kunst zur Beute gemacht, um dann nach eine Tilgung des Beutemakels vom nächsten Dieb erbeutet zu werden uns so weiter. Es darf deshalb eine Rückgabe von Beutekunst so wenig geben, wie die absolute Sicherheit, im Besitz eines Kunstwerks zu sein. Im unverrückbaren Besitz verschließt sie die Kunst vor der Erkenntnis. 
Was macht also die Nofretete in Berlin? Sie ist Beutekunst! Ihre Abschiebung nach Ägypten, ihrer alten Heimat, ändert daran nichts. Der öffentliche Zugang zu ihr muss hier wir dort bewerkstelligt werden. Und wie ist es mit dem Bernsteinzimmer? Ebenso! Für Geld kann man dabei selbstverständlich auch andere Positionen einnehmen.
Die 1400 Kunstwerke, die mit abenteuerlichen Strategien und obskuren Gewinnabsichten aus der Zeit des Nationalsozialismus bis heute verschollen waren und über die jetzt gerade öffentlich diskutiert wird, gehören nur in die Öffentlichkeit, sonst nirgendwo hin!

Politik als Fußballspiel

Es geht mir nicht aus dem Kopf und deshalb schreibe ich es auf.

Wir suchen ja stets danach, mit Vergleichen argumentieren zu können, damit man uns zuhört. Es ist immer spannend zu hören, ob so ein Vergleich auch hält oder hinkt. Und wenn die Aufmerksam flächendeckend sichergestellt werden soll, dann nutzten wir immer gern den Fußballsport.
Am Wahltag (22. September 2013) war es auch so. Zunächst sagte wohl der Bundeskanzlerkandidat der SPD, Herr Steinbrück, der Ball liege nun in der Spielhälfte von Frau Merkel, der Bundeskanzlerin. Deshalb müsse sie nun den nächsten Spielzug der Koalitionsverhandlungen einleiten. In unzähligen Interviews mit bisherigen Oppositionspolitiker tauchte der Fußball an diesem Tag in den Medien immer wieder auf, und mit unwesentlichen Abweichungen sagten alle das selbe. Bis Frau Schwesig kam! Sie ist im Kompetenzteam von Herrn Steinbrück. Sie bestand darauf, dass der Ball nun bei Frau Merkel „im Tor“ liegt … Da hat sie doch wohl ein Eigentor geschossen! – und belegt, dass sie jedenfalls in Fragen des Fußballs vom Expertenstatus sehr weit entfernt ist. Ich glaube nicht, dass die regierende Welt des Fußballs so etwas jemals verzeiht.

Über das Telefonbuch

Es ist so lange her, dass sich schon längst nicht mehr jeder daran erinnert: Früher standen alle Menschen mit Namen und Adressen und Berufen in einem Telefonbuch, wenn sie einen Telefonanschluss hatten. In den fünfziger Jahren waren das eher die wohlhabenden Menschen. Danach wurden das Telefon und das Telefonbuch nach und nach zum Standard in jeder Familie. Das Telefonbuch hatte Konjunktur. Denn eigentlich nur dort konnte man Telefonnummern und weitere Informationen nachschlagen. Die telefonische Auskunft wurde nur selten bemüht, nämlich wenn der gewünschte Telefonpartner ziemlich weit weg war. Die Telefonbücher bezogen sich auf die jeweiligen Telefonbezirke. Wer privat oder beruflich deutschlandweit recherchierte, hatte nicht selten aus dem Kinderzimmer ein Telefonbuchzimmer gemacht. Telefonbücher konnte man zu hunderten mit jeweils tausenden von Seiten erwerben. Telefonbücher waren aber bereits damals eine zweifelhafte Geldanlage. Im Turnus von zwei Jahren wurde sie aktualisiert und neu aufgelegt.

Mit der Verbreitung des Computers, der ja immer schon beim Suchen und Sortieren von Daten Hervorragendes leistet, bot es sich an, das Telefonbuchwesen neu zu überdenken. Zunächst gab es eine postamtliche CD, auf Alle Telefonanschlussinhaber deutschlandweit zu finden waren. Private Anbieter ermöglichten sogar bald eine Rückwärtssuche. Man konnte als auf der Basis der Telefonnummer nachschlagen, wer sie denn hatte. Mit dem Mobiltelefon und seinen privaten Anbietern entstanden aber schließlich Verzeichnisse, die privat erstellt wurden und gänzlich an dem ehemaligen Monopolisten Post vorbei aufgebaut wurden. Mittlerweile finden wir im Internet jede erdenkliche Information über Telefonkontakte in Windeseile, es sei denn, jemand unterbindet das zu seinem persönlichen Schutz und wird dann eigentlich nur von denen angerufen, zu denen er schon lange einen Telefonkontakt unterhält.

Das Telefonbuch selbst erscheint unbeeindruckt von dieser Entwicklung. In gleicher Form und Farbe ist es weiterhin verfügbar. Früher konnte man auf der Basis einer individuellen Benachrichtigung sein persönliches und einziges Telefonbuch bei der Post abholen. Und als der Markt für Telefonbücher nicht mehr da war, wurden in den Postfilialen diese Bücher palettenweise hingestellt mit der Aufforderung, sich davon so viel zu nehmen, wie man will. Aber vermutlich wollte schließlich auch niemand mehr die kiloschweren Verzeichnisse, ältere Traditionalisten einmal ausgenommen.

Jetzt hat die Post reagiert. Sie produziert das Buch immer noch, hat aber nun menschliche Verteiler aus dem Niedriglohnsektor beauftragt, diese Bücher in allen Wohnhäusern zu stapeln. Unnützes und folienverpacktes Papier stapelt sich bundesweit verteilt zigtonnenweise.

Gestern sah ich einen Hausflur, bei dem der Durchgang schon gefährlich zugelegt war. Vor der Tür auf einer Bank, hatten die Bewohner schon ein paar Exemplare ausgelegt, um Wanderern Lektüre zu bieten. Ein Bürger trug auf dem Weg zur Arbeit mal schnell einen Stapel zum Altpapiercontainer.

Ich habe mir gedacht, ich schreibe diese Geschichte mal auf und frage die Post, womit der unbestellte und unerwünschte Segen zu rechtfertigen ist.

Zur Entlastung in einem kommunikativen Zirkelschluss empfehle ich, die Bücher in den Briefkasten der Post zu werfen. Je mehr es sind, um so nachhaltiger wird die Kommunikation sein.

Ich würde auch gern den Energiewert der Telefonbücher einmal ermitteln …

Die Kreatur als Ware

China ist ja weit weg und der Chinese geht ja bekanntlich rabiat mit seinen Tieren um und isst sie beinahe alle auf.

Da passt es gut ins Bild, dass jetzt in China Schlüsselanhänger mit lebenden kleinen Echsen und Schildkröten und sonst was auftauchen: Die Tiere sollen sogar post mortem in ihrer Brühe genießbar sein. Zumindest wird im Internet an allen Ecken darüber berichtet.

Verfolgt man die Berichterstattung, sieht man allerdings immer die gleichen angeblichen Fotobeweise und findet bereits Jahre überdauernde Hinweise, die sich wortidentisch durch das ganze Internet plagiieren. Ernsthafte Belege gibt es nicht, wie zum Beispiel eine Jutta, die sich so ein Ding mal mitgebracht hat.

Wer Lebewesen kennt, dem ist auch schnell klar, dass das Überleben im verschweißten Plastikbeutel in Minuten zu kalkulieren ist. In den Berichten steht aber entweder, dass sie in der nahrhaft-sauerstoffreichen Suppe einige Monate leben, oder dass sie eben nur wenige Tage überleben. Bei beiden Varianten ist die Entrüstung heftig und die kulturelle Offenheit für das chinesische Tierverständnis wird vorsorglich geblockt.

Ich würde ja – und so schlau ist aber auch der Chinese – Weichplastiktiere nehmen, die wirtschaftlicher und extrem langlebig und sauber einzuschweißen sind. Und der Rohstoff kann nicht wegkrabbeln. Für ein Massenprodukt gibt es keine andere praktikable Lösung als schön bunt designtes Weichplastik!

 Wenn uns keine andere Freude bleibt, als uns solidarisch an die Seite der geschundenen Kreatur zu stellen, dann sind wir besonders anfällig für Geschichten, die es offenbar nicht gibt. Als vor Jahren unter dem Schlüsselbegriff Bonsaikitten in einer Kunstaktion gezeigt wurde, dass zur Freude der Menschen Katzen in Flaschen gezüchtet werden, war das Geschrei ebenso groß wie jetzt mit den tierischen Schlüsselanhängern. Obwohl man es auf Bilder sehen konnte, gab es doch keine Katzen in der Flasche.

Ich bin dafür, dass wir die abenteuerliche Engagement für eine Chimäre umleiten und uns wieder verstärkt um die Lebewesen kümmern, denen wir auch tatsächlich begegnen.