Bedeutungszertifikat

Mein Bedeutungszertifikat soll die Welt verbessern!
Heute: Der Charleston-Mörder

„Während der Charleston-Mörder die Schlagzeilen beherrscht, …“ NTV 21.6.2015

Den „Charleston-Mörder“ muss man sich so gelenkig und beherrscht vorstellen, dass er heftig in Gesellschaft tanzend mit einem Bindestrich ins Schwarze trifft und dabei den Charleston selbst für immer verstummen lässt.🐊


Mein Bedeutungszertifikat soll die Welt verbessern!
Heute: Rücktrittsdrohung

In den Zeitungen stand, der Vorsitzer der SPD habe mit Rücktritt gedroht, wenn ihm die Partei nicht in die Vorratsdatenspeicherung – vds – folgt.

Mir Rücktritten kann man doch nicht drohen! Es ginge nur, wenn Gewalt im Spiel wäre, etwa bei Selbstmordattentätern. Das Wort deutet stets nur auf eine Selbstüberschätzung eines Menschen hin, der meint, sein Rücktritt würde gerade dann Schaden anrichten, wenn die Mehrheit darin eine vernünftige Entscheidung sieht.🐊

Heute: theoretisch

Eine Theorie setzt sich eigentlich aus verknüpften Behauptungen über einen Sachverhalt zusammen. Wenn jetzt die beliebte Redewendung „Das ist mir zu theoretisch!“ ins Spiel kommt, ist es nahezu immer so, dass jemand sagen will: „Ich verstehe das nicht!“ Es ist einfach nur der falsche Satz. Mit einer Theorie hat das nichts zu tun. „Zu theoretisch“ wäre zudem sinnlos, denn Theorien können nur richtig und falsch sein. Es tut etwas weh, wenn man merkt, dass die Gemeinschaft der Sprechenden sich auf einen falschen Satz zu einigen droht.🐊

Heute: Vergleich

Der Vergleich ist ein juristisches Verfahren, um einen Streit beizulegen. Er stiftet aber Streit, wenn jemand behauptet, dies oder jenes ließe sich nicht vergleichen und präsentiert dann das Ergebnis eines Vergleichs zum Beleg. Oh ja, Äpfel und Birnen sind nicht gleich, aber man kann sie überhaupt nur deshalb vergleichen, nach Gewicht, Farbe, Inhaltsstoffen … Merke: Alles was unterschiedlich ist, lässt sich vergleichen.🐊

Heute: Erfolg 

Erfolg stellt sich ein, wenn passiert, was man gewollt hat. Kim Jong Un hat beispielsweise wahnsinnigen Erfolg, nicht nur als Führer seines Volkes. Ihm gelingt einfach alles, sei es auch noch so unbedeutend.
Wenn man aber einen entgegengesetzten Standpunkt einnimmt, dann erscheint sein Erfolg aber sogleich als Misserfolg.
Wer also einen Erfolg feststellt und seinen Standpunkt verschweigt, vernebelt nur das Spielfeld und den Blick auf andere Standpunkte.
In der Politik und in der Wirtschaft sind Erfolge stark verbreitet. 🐊

Heute: Nachricht 

Eine Nachricht ist das Rohmaterial der Pressearbeit. Es sind nicht alle Ereignisse auf der Welt, die die Nachrichten insgesamt ausmachen. Eingespielte und voraussehbare Abläufe bleiben unberücksichtigt, weil es unmöglich ist, dafür ein Interesse zu wecken. Entweder man wartet auf die singende Politikerin, die längste Wurst oder Flüchtlinge mit ausgefallenen Fortbewegungsmitteln. Bereits mit der ersten Wiederholung solcher Nachrichten nimmt das Interesse daran jedoch rapide ab.
Die Welt wie sie ist, spiegelt sich also ausdrücklich nicht in den verbreiteten Nachrichten. Sie präsentieren nur verkäufliche Extravaganzen und vereinzelte, wegweisende Erfindungen wie den Montageschaum.
Um sich ein Bild von der Welt zu machen bleibt uns nichts anderes, als in unserer eigenen Welt umtriebig vom Tellerrand zu springen und Inseln zu besiedeln.🐊

Heute: Grexit 

Grexit‬ ist ein Fliesenkleber aus dem Baumarkt auf Grenadinebasis.


Der Überfall lebt von der Überraschung. Überfallartig ist jedenfalls nicht das Original, sondern eher etwas mit der Anmutung eines Überfalls. Er ist wohl nicht so richtig überraschend. Wahrscheinlich ist es in der Anmutung ein bißchen einem Überfall nachempfunden. Man kennt das aus dem Fußballspiel: Im Zusammenspiel kombiniert man möglichst schnell bis zum gegnerischen Tor und läßt sich dabei vom Gegner nicht aufhalten, bis der Berichterstatter sagt, das sei ja überfallartig. Er wird mutmaßlich dazu neigen, ein Tor als Todesstoß ins Spiel zu bringen, so als sei das Spiel ohne ihn nicht aufregend genug.🐊

Heute: Austerität

Austerität basiert auf einer sozialen Anerkennung herausragender Eigenschaften einer bestimmten Muschel.

Manche meinen, es wäre eine Disziplinierung, die einem von fremden Mächten auferlegt wird und die man sich dann selbst zu eigen macht. Aber dazu bedürfte es keines neuen Wortes, das niemand so recht nachvollziehen kann. Es sei denn, man will eine Disziplinierung hinter einer bloß inszenierten Vernunft verbergen🐊

Heute: Dummejungenstreich

Wenn andre klüger sind als wir,
das macht uns selten nur Pläsier,

doch die Gewissheit, daß sie dümmer,
erfreut fast immer.

Wilhelm Busch

Der Streich ist ja eine gutmeinende Kleinkriminalität. Er gilt weithin als unverzichtbar für die Erziehung von männlichen Kindern und wird deshalb nicht bestraft. Stattdessen werden Jungen gemeinhin strafausschließend als dumm hingestellt. Deshalb ist traditionell im kriminalpolizeilichen Diagnosevokabular der Dummejungenstreich seit ewigen Zeiten fest verankert. In der Genderforschung ist bisher nicht belegt, dass es auch dumme Mädchen gibt, obwohl auch sie das Recht haben, dumm zu sein. Offenbar gibt es einen erheblichen gesellschaftlichen Widerstand, ein Äquivalent für Mädchen einzurichten. Man könnte es ja Dummejungenstreichin nennen. Aber man sollte sich in dieser Angelegenheit auch nicht zu weit vorwagen🐊.

Heute: Vorankündigung

Die Ankündigung leitet ursprünglich ein Ereignis ein. Sie ist so etwas wie eineAusstellungseröffnung. Ein Gewitter kündigt sich an. Man sieht also bereits dunkle Wolken. Anders ist es bei der Vorankündigung. Bei ihr ist das Ereignis nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu erwarten.

Ich sehe die Vorankündigung floskellos, aber eben auch als floskelgefährdet an🐊.

Das kann man doch nicht vergleichen

Es wird immer beliebter, in einer Auseinandersetzung zu behaupten, man könne das doch gar nicht vergleichen. Eigentlich wird damit immer nur eine von mehreren strittigen Positionen auf die Schiene des Siegers gehoben, ohne wirklich zu argumentieren. Die Redewendung entspricht der gewinntakischen Bedeutung der anderen Redewendung, dieses oder jenes wäre alternativlos. Man wird jeweils aufgefordert, die stets verfügbaren anderen Lösungen erst gar nicht zu prüfen. Die auch von der deutschen Bundeskanzlerin Merkel lange Zeit favorisierte Alternativlosigkeit wurde deshalb zum Unwort des Jahres 2010. Die Redewendung von der Unvergleichbarkeit beinhaltet aber noch etwas besonderes: Sie ist – unausgesprochen, wie grotesk – stets das Ergebnis eines Vergleiches. Man tut es also und behauptet gleichzeitig, dass es nicht ginge. Vergleichen kann man doch alles, wenn man denn ein Vergleichskriterium bestimmt. Sind Äpfel oder Birnen beliebter? Darauf gibt es eine Antwort. Manchmal hat man den Eindruck, dass das Reden von der Unvergleichbarkeit fälschlicherweise bedeuten könnte, dass bestimmte Dinge oder Sachverhalte nicht gleich sind. Aber das ist ja, wenn man genau misst, immer so. Es ist also nicht wert, hervorgehoben zu werden. Selbst der Klon kann den Platz nicht besetzen, den sein Ebenbild einnimmt.