Ein lautes oje in Polizei und Armee

Symbolbild

Polizei und Armee – also Institutionen mit einfacher Befehlshierarchie – empfehlen sich für Menschen, die Vielfalt schlecht ertragen und eine eindeutige Welt brauchen, um mit ihrem Weltbild etwas anfangen zu können. Meist sind sie so erzogen. Nicht alle Polizisten und Soldaten sind so, aber die, die so sind, treten immer mehr in Erscheinung und sie haben es dort eben besonders einfach. Wir finden sie als rechtsradikale Bünde, eingebettet in ein dem gegenüber toleranten Betriebsklima. Beide Institutionen streiten ab, dass es mehr als Einzelfälle gibt. Das entspringt dem konservativen Klima, sich selbst unbedacht als mitten in der Gesellschaft zu definieren und die krassen Abweichler in den eigenen Reihen klein zu reden und vorsorglich als alternative Quelle der Inspiration mitzuziehen. Dass solche Strukturen nur schwer reformierbar sind, zeigt die zunehmende Zahl der scheinbaren „Einzelfälle“ und die Fortführung rechtsradikaler Ausbrüche in Eliteeinheiten der Bundeswehr, trotz aufdeckender Presseberichterstattung  und schärfster Mahnungen aus den zuständigen Ministerien, sich schleunigst auf den Weg zu einem demokratischen und menschenfreundlichen Selbstverständnis zu machen. Aber selbst in der Politik ist man den fragwürdigen Institutionen näher als zugegeben. Sonst würden nicht die Justizministerin und der Innenminister darüber streiten, ob in der Polizei nach Empfehlung der EU untersucht werden soll, welches Ausmaß die rassistisch motivierte Benachteiligung der Bürger hat. Der Innenminister will das nicht, weil für ihn ohnehin nicht sein kann, was bereits verboten ist. Derweil bunkern Polizisten und Soldaten ungeheure Mengen an Sprengstoffe, Munition und Waffen und befeuern rechtsradikale Gruppierungen ideologisch. Im Allgemeinen weiß man, dass solche Kriegswerkzeuge nur den Sinn haben, gebraucht zu werden.

Die neue Wehrbeauftragte Högl kam schnell auf die Idee, dagegen die ruhig gestellte Wehrpflicht wieder zu aktivieren. Die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer legte nach und kündigte so etwas wie einen neuen Freiwilligendienst in der Armee an. Man will also – wenn man es salopp sagt – die Armee mit bürgerlichem Input zersetzen.

Man kann keine Entwicklungen rückgängig machen, sondern lediglich neu Entwicklungen einleiten. Das Ergebnis wird aber ein anderes sein. In den Zeiten der Wehrpflicht waren die Soldaten ein bunter Querschnitt aus der Bevölkerung. Lange Zeit waren sogar (noch) nicht anerkannte Kriegsdienstverweigerer dabei. Die wenigen Zeit- und Berufssoldaten wurden meist geschnitten oder geduldet und führten zumindest ein Eigenleben. Der konzeptionell als Leitbild vorgesehene „Staatsbürger in Uniform“ hat seit den Anfängen der Bundeswehr früher tatsächlich die Bundeswehr bestimmt und sogar die kriegserfahrenen Militaristen der ersten Stunde neutralisiert. Man würde nun verdammt viele Wehrpflichtige oder Freiwilligendienstleister brauchen, um die Berufskriegshandwerker mit lebhafter Bürgerlichkeit zu zersetzen. Zudem ist eine Armee nie die Lösung eines Problems. Guten Gewissens wird man als Wehrpflichtiger da nicht hin gehen und schon gar nicht mit einem versteckten Umerziehungsauftrag. Für einen Freiwilligendienst fehlt zudem jede Attraktivität. Es sei denn, man spielt gern Krieg oder langweilt sich gern in der hoffentlich unendlichen Kriegsvorbereitung.

Zur Tradition der Bundeswehr

Die Tradition der Bundeswehr beginnt im Jahr 1955. Das ist enttäuschend, weil Traditionen anderer Art meist über Jahrhunderte bestehen. Man hat von vornherein akribisch darauf geachtet, nicht in die Tradition der Wehrmacht einzusteigen und beispielsweise den „Lauf‟ des Gewehres verbindlich als „Rohr‟ bezeichnet. Aber Traditionen lassen sich nicht generalstabsmäßig vorgeben. Dafür ist die Wirklichkeit zu bunt. Dafür hängen Traditionen doch zu sehr an ungesteuerten Erinnerungen und Gefühlen. Und dafür begegnet man banalen Herausforderungen stets mit naheliegenden, abgeleiteten Lösungen. Es war nie ein Problem, mit einem Befehl das „Fallschirmjägerlied‟ zu reaktivieren und damit über verklärte Kriegseinsätze auf Kreta zu singen. „Yellow submarine‟ von den Beatles konnte nur ganz langsam und subversiv als Marschlied in die Kasernencharts geschleust werden. Selbst die Kasernen waren und sind immer noch häufig auf die Namen fragwürdiger historischer Krieger getauft. Neben dem angestrebten „Bürger in Uniform‟ wucherte also eine Fortschreibung der Wehrmacht und es gab zunächst auch ausreichend Berufssoldaten, die die Neuerfindung des Kriegshandwerks mit alter Erfahrung anreichern konnten.
Wenn nun die Verteidigungsministerin von der Leyen nach vielen vergeblichen Versuchen und einschlägigen Vorfällen und trotz aller Traditionserlasse, wieder einmal das Gespenst der Wehrmacht ausrotten will, so ist das mehr als vernünftig. Es zeigt aber nach aller Erfahrung auch, dass das armeetragende Verfahren von Befehl und Gehorsam nichts bewegen kann. Man kann selbstverständlich mit einem Befehl einen Kasernennamen ändern. Aber was ist damit gewonnen, wenn die dort tätigen Soldaten und ihr ziviles Umfeld sich nicht zuvor gegen den alten Namen gewehrt, ihn sogar pragmatisch liebgewonnen haben? Traditionen wachsen von unten, also immer ganz neu, auch wenn sie definitiv irgendetwas von gestern beanspruchen. Das wird also auch diesmal nicht funktionieren. Außerdem soll es ja demokratischerweise nun auch nicht sein, dass man in autoritärer Manier die Geschichte abschneidet. Es hat nach den zweiten Weltkrieg lange gedauert, sich mit der Zeit davor auch zivil kritisch auseinander zu setzen und für die Gegenwart zu lernen. Nicht umsonst gibt es zahlreiche tagesaktuell arbeitende Gedenkstätten.


Die eingegraute Wehrmachtstradition läuft so lang stillschweigend mit und tradiert ihre feldgrauen Symbole, wie der Weg erneuerter Traditionen aus dem Befehlsstand beschritten wird. Besser wäre es freilich, dass der Soldat ab und zu nein sagt und sich selbst ein Bild von der Welt macht und es streitbar zur Diskussion stellt. – Aber das ist auch in modernen Armeen nicht vorgesehen. Befehle darf man nur verweigern, wenn sie gegen die Menschenrechte ausgerichtet sind. Ob sie das sind, darüber kann der Soldat mutmaßen. Die verbindliche Gewissheit bekommt er jedoch vorab nicht geliefert. Er zieht also höchstwahrscheinlich mit irgend einer Gegenrede den Kürzeren.