Aus zurückliegenden Erfahrungen weiß ich, dass Israel über viele Jahrzehnte eher sozialdemokratisch, also wirklich demokratisch ausgerichtet war. Ich erinnere mich gar an ungezwungene Geselligkeit mit Juden und Moslems am gleichen Tisch mit gleichem Essen und gleichen Getränken. Mit den massiven Einwanderungen in der Zeit nach Gorbatschow und dem ideologischen Interesse wohlhabender Juden aus den USA, gab es eine Willensbildung, die die Schulen und die Armee als wichtige Sozialisationsinstanzen in Israel nicht mehr so richtig bewältigen konnten. Der immer schon rechtsextreme Netanjahu nutzte die sich daraus ergebenden Freiräume und Subkulturen in der Politik mit wechselnden Mehrheiten dubioser selbstgefälliger Parteien. Mittlerweile wird der israelische Rechtsstaat geschleift und der Politik angepasst. Die eher humansozialistischen Ideen aus der Kibbuzbewegung spielen kaum eine Rolle mehr.
Die Selbstverpflichtung Deutschlands, Israel bedingungslos beizustehen, ist historisch und praktisch sehr vernünftig. Mit der Politik im Fahrwasser Netanjahus ist allerdings die Voraussetzung nach und nach weggefallen, Israel beizustehen. Israel hat mit einer rassistischen und menschenverachtenden Innen- und Außenpolitik mittlerweile alle Kredite aufgebraucht. Aus dem Beistand ist eine Mitverantwortung geworden, die eine deutliche Sprache und deutliche Entscheidungen erforderlich macht, um eine gebotene Menschenfreundlichkeit für Israel insgesamt wieder herzustellen. Ob das gelingt, das ist mehr als fragwürdig.

