Sem

Es ist nicht selten, dass dem Guten auch das Böse folgt. Die französische Revolution war der Anlass für eine beispiellose Demokratiebewegung in ganz Europa. Der Bürger wurde zum Souverän. Die grenzenlose Offenheit des Denkens machte die ungeübten Bürger jedoch skeptisch, ob denn wirklich jederman geeignet sei, zu wählen oder sich gar wählen zu lassen. Ihren ideologischen Überbau gewährleisten alle Dichter und Denker, die schon lange zuvor Andersdenkende und Andersausehende markiert hatten und nun mit Macht den praktischen Rassismus mit einer Theorie bekleideten und diese in den Bereich wissenschaftlicher Anerkennung bugsierten. Es folgte eine Rassentheorie samt Rassenlehre, die auch dem einfachen Menschen zur Rückversicherung diente. Man arbeitete in der Rassenforschung und nannte die vertretene Position Antisemitismus. Die unbarmherzige Verfolgung anders denkender und anders aussehender Menschen war mit der französischen Revolution zwar absichtlich beendet, wurde aber ideologisch nachgearbeitet und führte zu einer scheinbar wissenschaftlichen Begründung, warum bestimmte Menschen einfach nicht dabei sein sollten. Zunächst wurden arme Leute, Frauen und Kinder, Juden, Homosexuelle, Kriminelle und natürlich Menschen mit auffälliger Hautfarbe oder Kleidung ausgegrenzt. Bis zum heutigen Tag wurde die Demokratie weiterentwickelt und gefestigt, ist aber nicht beendet. Demokratie kann nie im sicheren Besitz sein, denn sie muss tagtäglich gewagt werden.

In der Anfangszeit des pseudowissenschaftlichen Rassismus prägte man zunächst den ausgedachten Begriff Antisemitismus. Man hatte also begriffsgetreu alle Gruppen als auszugrenzende Rasse markiert, die semitische Merkmale hatten. Sie gehen alle auf Sem, einen Sohn Noahs zurück, sprechen eine semitische Sprachen. Hauptsächlich waren es Araber, Juden, Aramäer, die sich seit dem Urvater Sem bei aller Gemeinsamkeit höchst unterschiedlich entwickelt hatten. Die Diskussion führte am Ende des 19. Jahrhunderts dazu, dass man mit den traditionell verhassten Juden eigentlich doch nicht die Araber ausgrenzen wollte. Die Ideologen des Judenhasses behielten den für diese Zeit der Rassentheorien den Begriff Antisemitismus bei, wandten ihn aber nur auf die Gruppe der Juden an. Das hörte sich weitaus seriöser an als Rassismus und hat sogar bis in die heutige Zeit überdauert. Wer heute den Weg zurück in die Anfänge des Redens über den Antisemetismus macht, kommt nicht daran vorbei, dass auch Araber selbst in Bibel und Koran Semiten sind und dass ein forcierter Angriff auf Juden eben auch die gleichrassigen Araber treffen müsste. Das denkt man aber nicht mehr und untermauert eine realpolitisch liebsame manifestierte Bedeutungsverschiebung. Die Definition heißt: Judenfeindschaft bedeutet in Fachdiskursen Antisemitismus. Man behält also das an sich als Rassismus enttarnte Wort Antisemitismus bei, sieht darin aber nicht mehr einen Segen für das deutsche Volk, sondern einen Spezialrassismus, der andere verfolgte Minderheiten nicht mitbedenkt. 

Kleiner Memesalat

Wenn man etwas zum Meme zurechtkürzt, dann muss man vorsichtig zu Werk gehen.

Das Wort Hass unterliegt sehr stark dem Bedeutungswandel und wird vollkommen unspezifisch eingesetzt. Es hat jedenfalls gerade Konjunktur und wird liebend gern in volkstümlichen Texten zur Politik verwandt. Welchen Hass es in NRW gab, gibt und geben wird, ist noch völlig unerforscht.

Beim Rassismus ist es anders: Auch im Bereich des heutigen NRW hat Rassismus eine jahrhundertealte Tradition, die insbesondere in NRW bis in die jüngste Gegenwart vor der Thematisierung bewahrt wurde.

Wenn man sich gegen Rassismus ausspricht, wäre es eigentlich der erste Schritt, den real existierenden Rassismus zu markieren. Erst damit wird man wissen, was zu tun ist.

Fazit: Ich halte den Text (offenbar einer ungenannten Werbeabteilung) für unseliges Gequatsche. Selbst der Rassist wird wissen, dass er hier eine Heimat hat. Man kann das ändern, muss es dann aber auch tun …

Und anstatt „hat“ muss es „haben“ heißen. Das merkt man spätestens, wenn man überlegt, was man denn da geschrieben hat.

In der Theorie endet das Echo nur in der Unendlichkeit

Für den „Echo‟, einen Preis der Musikindustrie, werden grob gesagt mit 50% die Verkaufszahlen der Musiktitel berücksichtigt. An denen orientiert sich aber auch eine Jury, die die restlichen 50% ausfüllt. Dass bedeutet auch, dass die Musikindustrie meint, nichts dazu zu können, wenn nun in diesen Tagen rassistische Musik beim Bürger so beliebt ist, dass man mit den selbst gestellten Regeln daran nicht vorbei kommt. Die Musikindustrie und ihre Vasallen  halten also den heftigen Widerspruch einfach nur aus und gewinnen. Niemand verlässt den Saal, niemand gibt seinen Echo zurück, alle gaffen auf die Prämierung von Rassisten, wie bei einen Verkehrsunfall und wahren den Rahmen der Kultur einzig mit dem Konsum von Schaumwein. Es ist jämmerlich.

Wenn man sich Regeln ausdenkt, die am Gewinn ausgerichtet sind, dann ist es doch naheliegend, dass irgendwann der gute Geschmack verloren geht, der ja auch in der Lebenswelt der Produzenten nur noch selten eine wichtige Rolle spielt. Wenn die Musikindustrie gern rassistische Texte durchwinkt, allein weil sie passabel gerappt sind, dann hat das auch damit zu tun, dass sie gern ein Publikum pflegt, das alles nicht so ernst und genau nimmt und einfach nur kauft.

Damit geht es auch um das Publikum: Offenbar gehört der Rassismus so ganz alltagspraktisch zu Deutschland, wenn rassistische Musik bereits die Charts erobert. 

Wenn wir in dieser Zeit immer wieder gefragt werden, was zu Deutschland gehört, so basteln direkt alle an einer unbestreitbaren Positivliste mit der Tendenz, sie ziemlich verbindlich zu machen. Aber das ist wertlos für eine demokratische Gesellschaft, die ihre eigene Entwicklung zur Aufgabe hat. Nehmen wir doch einfach mal alles, was da ist, ohne es zunächst zu bewerten: Das ist Deutschland im Gefrierschnitt. Nun öffnen wir Türen, denken um die Ecke und ziehen Strippen zwischen all den Elementen, die sich fremd vorkommen und sich nicht verstehen. Damit öffnen wir erst die Dynamik, in der Deutschland lebt und die so gern strategisch ausgeblendet wird, weil sie ja stören kann.

Das gesellschaftliche Leben hat seinen Ausgangspunkt in der Idee von der Inklusion: Alles was da ist, findet Beachtung und entwickelt sich wechselseitig. Demgegenüber fremd ist die Idee aller Innenminister, wir integrieren die Randständigen dort hin, wo der rechnerische Normalbürger bereits ist – und bereinigen ganz einfach mal nebenbei die Vielfalt und überweisen Sie zunächst zum Überleben und zur Rechtfertigung in die Fastfoodküchen in Citylage.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Musikindustrie bald nicht mehr umhin kann, den Wind der Inklusion durch ihr Selbstverständnis wehen zu lassen. Dabei fallen dann ganz nebenbei alle rassistisch ausgerichteten Rapper durchs Raster gesellschaftlicher Bewährung. Wer seine Texte sprechen, aber nicht lesen kann und darauf beharrt, muss die Erfahrung machen, dass er irgendwie nicht gemocht wird und ein Auslaufmodell ist. Für die Musikindustrie selbst wächst der Blick auf eine praktische gesellschaftliche Verantwortung und die Reformbedürftigkeit statischer Regeln. 

Und die ganzen Echogewinner können ja ihre Preise immer noch zurück geben, wenn ihnen etwas daran liegt, in der Rassismusdebatte etwas los zu werden.

– Und gegen alle Theorie hat sich so manches Echo schon verhallt.

„Busted flat in Baton Rouge“

„Busted flat in Baton Rouge“

Die Gewalt geht von Volk aus und wird dem Staat im Namen aller zur Verfügung gestellt.

Der neuzeitliche Rechtsstaat weiß bisher nicht, wie er die Gewalt besser regeln soll.

Besser wäre eine Welt ohne Gewalt, die gibt es aber nur als denkbare Zielvorstellung.. Der Rechtsstaat muss also mit der Gewalt umgehen können, wenn sie irgendwo in Erscheinung tritt und er muss Gewalt ausüben können, wenn es kein anderes Mittel gibt, die grundlegenden Dinge des States zu regeln.

Die Polizei, die Steuerbehörden und der Justizvollzug sind also beispielsweise im Rechtsstaat unverzichtbar, allerdings am Volk, also an Gesetzen, auszurichten und zu überprüfen.

Die ganze Sache ist so gedacht, dass der Einzelne sich darauf verlässt, dass der Staat ihn vor Ungerechtigkeiten, insbesondere vor Gewalttätigkeiten, schützt und er deshalb selbst auf eine Gewaltausübung verzichtet.

In den USA ist das im Prinzip nicht anders als in Deutschland. Der Unterschied ist aber, dass in Deutschland der Waffengebrauch strenger reglementiert ist und in den USA dagegen, aus der Tradition des wehrhaften Cowboys, jedermann sehr viel einfacher selbst das Recht für sich beansprucht, mit einer Waffe durch den Tag zu gehen.

Sinn der Waffe ist und bleibt ihr Einsatz. Man weiß aus der Erfahrung und aus der Friedensforschung, dass allein die Verbreitung von Waffen zu einem stark erhöhten Risiko führt, auch an den staatlichen Regeln vorbei die Waffen einzusetzen. Das macht der arrogante Rechthaber dann ebenso, wie der Loser im Alltagsgeschehen und der ideologiegesteuerte Outlaw, die sich mit der Waffe ganz kurz und ohne Verstand ins Recht setzen und lediglich Unheil anrichten. In den USA passiert das offenbar sehr viel häufiger als in Deutschland. Allgemeine Ungerechtigkeiten, meistens zwischen arm und reich, bieten immer wieder Anlässe zum Waffengebrauch. Der Weg zur Gewaltlosigkeit führt also über die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und den faktischen Verzicht auf Waffenproduktion, Waffenhandel und Waffenbesitz.

Wenn nun in den USA immer mal wieder weiße Polizisten schwarze unbescholtene Bürger erschießen, dann stellt sich also die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Der Rassismus, als Folgeerscheinung der Sklavenhaltung thematisiert die soziale Gerechtigkeit in einem bemerkenswerten Anwendungsfeld. Und es stellt die Frage nach einem rechtsstaatlich befriedeten und geregelten Waffenbesitz.

„Freedom’s just another word for nothin‘ left to lose“

Protest der Bewahrer

Ein paar Typen spielen islamophorb, geben sich das als Akronym beeindruckende Label #PEGIDA und sammeln alle naiv angstgeschüttelten Widersacher jeder Innovation gegen andere „Rassen“ um sich, um sie gegen die kulturelle Vielfalt öffentlich zu platzieren. Die meisten aus der versammelten Menge haben aber noch nie einen Ausländer näher erlebt. Mit gutem Grund können sie also nichts Schlechtes und nichts Gutes über Ausländer sagen. Sie sind geprägt durch die unaufhörliche Orientierung am Staus quo einer homogenen Gesellschaft, in der der eine so denkt wieder andere und deshalb das Fremde stört und verunsichert.
Dagegen steht der Einzelne, der immer nur der Erste ist in einer bunten vielfältigen Welt, die sie stets neu erfindet und entwickelt und ihren Mitgliedern abverlangt, dass sie sich für ein erfülltes Leben ebenfalls täglich neu orientieren. Sie treibt es nicht zur Vereinigung unter ein Akronym.

Ich warne davor, große Mengen gleichgerichteter Menschen für eine soziale Bewegung zu halten. Sie behindern lediglich Entwicklungen durch Verweigerung und scheitern über kurz oder lang als Werkzeuge ihrer Wortführer an vernünftigen Entwicklungen, die sich nicht aufhalten lassen. Es erinnert an zahlreiche Aufmärsche in der Geschichte, in denen der Wille sortierter Individuen als scheinbarer Volkswillen mit schlechten Erfahrungen zur Stimmungsmache ins Feld geführt wurde.