Die Fußballweltmeisterschaft lebt vom Hinten-dicht-machen und den vergeblichen Versuchen fast aller Torjäger und davon, dass die Opulenz des Ereignisses alle Beteiligten sichtbar überfordert. Ich habe deshalb zum Tagesgeschehen nach und nach viele Anmerkungen gemacht, die nur selten mit dem Wesenskern des Sports zu tun haben.
Ich verdichte hier mal meine verstreuten Miniaturen zum Ereignis.
Ich möchte gern als WM-Orakel arbeiten. Angebote als PN.
WATUTINKI heißt der Ort, in dem die deutsche Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft wohnt. Mich beschleicht die Ahnung, dass der Ort von Stefan Raab gegründet wurde, der deshalb dort nun Ehrenbürgermeister ist. Wir werden sehen …
Wenn der Torhüter den Ball beim ersten Zufassen nicht festhält, dann sagt so ein Reporter stets: „Leichte Unsicherheit!“ – Na gut, was soll er auch anders sagen? Vielleicht: „Oh, eine vermutlich entwicklungsbedingte motorische Störung! Deswegen musste er vor seiner Profilaufbahn auch seine Ausbildung zum Kellner abbrechen.“ – Ehrlich gesagt: Wenn man schon etwas sagen muss, dann gefällt mir die von mir ausgedachte Variante besser.
Wenn der Schiedsrichter pfeift, dann ist das Spiel unterbrochen. Dann sagt der Reporter: „Das Spiel ist unterbrochen“. – Na gut, was soll er auch anders sagen? Vielleicht: „Mehrere Spieler haben sich nach Hinweis an den Schiedsrichter in die Box gelegt, weil sie wollen, dass die Zeit ohne Fußballspiel vergeht, um ihr Geld möglichst angenehm zu verdienen. – Ehrlich gesagt: Wenn man schon etwas sagen muss, dann gefällt mir die von mir ausgedachte Variante besser.
Bei Sport1 habe ich heute „So heiß sind Schwedens Spielerfrauen“ gelesen. Und dann kamen nur Bilder. Ich weiß echt nicht, was ich damit machen soll.
Nachdem der Fußballheld Kross festgestellt hat, dass so ein Spieler Eier haben muss, ergab sich in der WM-Home-TV-Scene sofort die Frage, mit welchen Körperteilen man eigentlich regelgerecht Tore schießen kann.
Fußball ist nun doch mittlerweile ein Spiel intellektueller Geister. Das dürfte auch den Schöngeistern gefallen, wenn sie sich mal die Mühe machen würden. Ich habe an den Kommentaren von Frau Neumann nichts auszusetzen. Wenn man nicht abliest, passiert es allen anderen Kommentatoren auch, dass sie Vergleiche und Einschätzungen mitteilen, die sie gern im Nachhinein streichen würden. Vor 30 Jahren noch haben die Kommentatoren nur jeweils die Namen der ballführenden Spieler genannt, weil sie aus ihrer Position die Rückennummern lesen konnten und beim Tor die eingeübt Begeisterung gezeigt. Allein die Rundfunkreporter waren damals Stars. Auch wenn meistens das Leder zu häufig geschlenzt wurde. Aber das haben die Schöngeister ja nicht gehört.
Um in diesen Tagen der WM-Home-TV-Scene und den dort tätigen abermillionen Schiedsrichtern einmal einen neuen Impuls zu geben, habe ich heute während der Übertragung Eierlikör getrunken. Für die Nachspielzeit habe ich als Höhepunkt den in der Flasche verbleibenden Rest mit Limonade aufgemischt und getrunken. — Ich ging als Sieger vom Platz. Morgen reihe ich mich wieder ein und trinke Bier. Versprochen!
Ich habe mich schweren Herzens davon überzeugen lassen, dass Portugaller sich gegen Portugiesen nicht durchsetzen wird. Meinen Sprachgebrauch habe ich notgedrungen angepasst. Was haltet ihr eigentlich von den Senegiesen?
Heute gab es wieder eine 11-Meter-Entscheidung, die journalistisch so kommentiert wurde: „Das war nicht genug!“ – also genug des Fouls im Strafraum. Bisher war ich der Meinung, dass die Fußballregeln weitestgehend spielraumfrei sind, damit der Einfluss des Schiedsrichters auf das Spiel minimiert wird. Wenn es aber so ist, dass das Foul auf einer Scala einsortiert und dann auch noch eine Grenze bestimmt werden muss, wo auf der Scala das Foul beginnt, dann ist jeder Schiedsrichter überfordert, denn er hat gar keine Zeit, so eine Zuordnung vorzunehmen. Es bleibt also eine ziemlich beliebige Zufallsentscheidung, der man ganz einfach widersprechen kann. – Das ist doch recht merkwürdig in einer Zeit der Videobeweise.
Die deutsche Mannschaft wiederholt ihre Fehler aus den Vorbereitungsspielen. Die mexikanische Mannschaft kämpft, nutzt die Fehler und siegt verdient. Alle Akteure waren makellos frisiert! Aber woher kommt die Hoffnung, dass das nächste Spiel der Deutschen besser sein wird?
Renovierung der Fanmeile
Das Areal ist begrenzt. Man kann es wahlweise als Strecke oder Fläche mit zwei Stellen hinterm Komma vermessen und aus dem Ergebnis jeweils einen individuellen Namen ableiten, wahlweise in Kilometern oder traditionell in Meilen.
Ich komme darauf, weil Kneipen neben Hochschulen mit Vorliebe Vierkommafünf heißen. — Geschafft!
Julian Brandt und Mats Hummels haben angeblich kein Tattoo.
Oh Gott, wenn das mal Schule macht!
Es wird sogar der Verdacht gehandelt, einer von beiden würde befürchten, mit einem Tattoo von der eigenen Mutter ermordet zu werden.
Es ist ein Graus mit der deutschen Fußballnationalmannschaft. Ein Kompromiss wäre doch ein Tattoo in der Achselhöhle für alle, das eine halbierte Zwiebel darstellt.
Ich träume von einem Film, für den das eine oder andere #Tattoo allein durch Körperbewegung animiert wird.
Ausgangspunkt für diese Idee ist das traditionelle Seemannstattoo mit dem Motiv der nackten Braut, die bei der Bizepsanspannung ihre Brüste hebt und danach wieder senkt. Das war immer schon großes Kino.
Mit guter Einkauspolitik käme es zu einem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, das auch noch eine zweite, vollkommen andere Geschichte darüber erzählt, wie der Ball rollt.
Es ist höchst fragwürdig zu behaupten, der Sieg Deutschlands gegen Schweden anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2018 sei zustande gekommen, weil zuvor nach langer Zeit einmal wieder die Nationalhymne gemeinsam gesungen wurde. Die Hypothese ist zwar zulässig, erfordert aber eine höchst aufwendige Versuchsanordnung, um sie widerlegen zu können.
Ich vermute eher, dass die Mannschaft besser gespielt hat als der Gegner. Aus der Erforschung der Arbeitergesangvereine weiß man allerdings, dass gemeinsames Singen die Solidarität in einer Gruppe unterstützt, wenn man ein deutliches gemeinsames Ziel hat.
Deutschlandfahnen sind wider Erwarten über Nacht zum Ramsch verkommen. Wenn ich die jetzt in rauhen Mengen aufkaufe, kann ich doch … (vervollständige den Satz)
Ich fordere
den sofortigen
Rücktritt von
Sportminister Seehofer!
Heute hat mein Bäcker schon wieder kleine Brötchen gebacken.
Ja, er ist auch Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft.
Mein Nachbar sagt immer zu seinem Zahnarzt: „Geld spielt keine Rolle!“ — Es muss doch klar sein, dass auch das System Fußball mit so viel Geld verstopft ist, dass Geldstrafen immer sehr gern angenommen und beglichen werden.
In einem Interview der Welt am 5.7. hat Herr Bierhoff entsetzlichen Mist erzählt. Daran zweifelt er selbst nicht. Er sagt, dass er und mehrere andere Verbandsvertreter beim Korrekturlesen nicht gemerkt haben, dass da gar nicht stand was er eigentlich sagen wollte. – Ich mag das nicht glauben!
„Man hätte vor der WM überlegen müssen, ob man auf Özil verzichtet, sagte der DFB-Manager gestern. Sogar Mesut Özil-Gegner kritisieren, dass Bierhoff jetzt so nachtritt.“ (Süddeutsche Zeitung)
Herr Bierhoff hätte wahrscheinlich unmittelbar vor der WM sagen sollen, dass aus gegebenem Anlass nur der Fußball zählt und sonst nichts, und dass man sich die Übeltäter Özil und Gündogan erst nach der WM vornehmen wird. –
Aber wer würde so etwas sagen?
Genau deshalb kartet Herr Bierhoff jetzt nach. Er wird sich das also nur so gedacht haben für den Fall, dass nicht alles eh im Freudentaumel untergeht und irgendwelche Gaucho als die Blöden verhöhnt werden können. – Man kann vermutlich nicht beides gleichzeitig haben, einen kritischen Umgang miteinander und eine zielgerichtete 11-Freunde-Ideologie sowie dann auch noch einen Sieg, der alles andere unbedeutend erscheinen lässt.
Erst meckert Nationalmannschaftsmanager Bierhoff und danach jetzt auch noch Fußballbundsvorsitzender Grindel am Fußballspieler Özil herum. Grindel stellt sogar die Forderung, Özil müsse sich nach seinem Urlaub irgendwie erklären. Damit ist der Urlaub dann wohl erst einmal gelaufen. Offenbar scheint dem DFB eine dämliche Rechtfertigung nach Gündogans Art aber auszureichen, denn der hat sich damit wohl vor der Kritik in Sicherheit gebracht. Warum sollte Özil sich erklären, wenn er bereits klar gemacht hat, dass er nichts sagen wird? Er könnte damit ja auch nur alles noch schlimmer machen. Der DFB wirkt wie so ein wildgewordener Manager fantasierter Ziele, der die Welt mit Parolen eindeckt und selbst nichts geregelt kriegt. Der DFB hätte sich vor der WM – durch wen auch immer – ohne wenn und aber, für oder auch gegen Özil (und Gündogan) aussprechen können. Das hat er aber nicht gemacht. Jetzt ist es zu spät. Man hat wohl nur noch im Repertoire den Deutschen raushängen lassen, der alles so viel besser weiß, dass er glaubt, sagen zu können, was für andere gut ist. Armselig … und so deutsch, dass ich es kaum hören mag.
Jetzt spricht Özil.
Er spricht über seinen Pressetermin mit dem designierten Sultan der Türkei, dem es recht war, sich als Sportversteher zu inszenieren. Ich hätte Özil nicht dazu geraten, denn es war mit einer Rechtfertigung zu rechnen. Und Rechtfertigungen machen einen nachgewiesenen Fehltritt nur noch schlimmer.
Wer sagt denn seit ewigen Zeiten, dass man Sport und Politik trennen müsse? Es sind die schwerreichen Sportfunktionäre, die über ihre Nähe zu Politik immer noch dazu verdienen. Und jedesmal behaupten sie, man würde dem Sport Schaden zufügen, wenn er in der Politik mitspielt. Im Fall öffentlich sichtbarer Kooperation mit den Despoten der Welt, behaupten sie sogar, der Sport könnte der mangelnden Demokratie hie und dort entgegenwirken.
Das ganze Trennungsparadigma ist ideologischer Art und glatt gelogen. Jeder Sportler und jede Sportfunktionärin muss sich wie jeder Bürger auch auf alle Wechselfälle des Lebens einlassen und dazu gehört auch die Politik. Ich weiß nicht, wie Herr Özil auf diese Trennkost gekommen ist. Hoffentlich nicht in der Übernahme einer x-fach vorgekauten Folie aus seiner Lebenswelt.
Es ist wie es ist: Wer sich mit einem Sultan zeigt, zeigt auch, dass er demokratische Lebensverhältnisse nicht so ernst nimmt. Er bleibt unter demokratischen Ansprüchen ein unnahbarer Risikofaktor. Er würde wohl mit allen Präsidenten der Welt in einem getrimmten Vorzeigeambiente huldigend posieren und möglicherweise das Klopfen aus den Kerkern im Keller überhören.
Nachtrag: Am Abend nach den Äußerungen tritt Özil aus der Nationalmannschaft zurück. – Ja, dann hätte er sich die Äußerungen auch sparen können. Sie hellen nichts auf.
Özil führt sein Drama „Rassismusgefühl“ über mehrere Stunden in drei Akten auf. Dies in englischer Sprache ohne Untertitel auf Twitter und mit millionenfachem Publikum. – Das macht doch nur ein exzentrischer Multimillionär, weil er es sich erlauben kann. Seine eigentlichen Adressaten warten ungeduldig auf die Übersetzung.
Ich hatte – wenn überhaupt – einen minimalen Poetry Slam in deutscher Sprache erwartet. So etwa: „Ich stand plötzlich unvermittelt neben Erdogan. Da hatte ich fürchterliche Angst, dass seine menschenverachtende Art auf mich und meine Familie abfärbt. Ich wollte weg laufen. Aber hätte ich damit nicht alles noch schlimmer gemacht? Nur weil ich mit zwei Herzen lebe, kann ich zum Glück das eine oder andere Herz mal hoch- oder runterfahren und solche Situationen heil überleben, auch wenn die Mehrzahl der Einherzigen und der Herzlosen dafür kein Verständnis hat. – Ich erwarte nun, dass das Publikum mein grandioses Herzspiel beklatscht. Was? — Ihr wollt nicht klatschen? — Ihr habt mich nicht verdient ihr … [kinskiesk improvisiert … tritt dann ab]“
Jetzt haben wir das Vielfache von dem zu lesen, was die Özil-Tweets hergeben. Überall sind fantasievolle Mutmaßungen über Täter und Opfer. Es lässt sich alles kaum auseinanderhalten. Am besten überlebt man wohl als ein Täter, der auch Opfer ist und es sich in der gut ausgebauten Opferrolle wirklich gemütlich einrichtet — bis draußen Frieden einkehrt.
Meine Freundin M. kommt in weiten Wochen in die Schule und kennt sich im Fanwesen insoweit aus, dass sie jetzt so frei ist, für Belgien zu sein. – Trotz allem: Sie bleibt dabei.