Der diesjährige Evangelische Kirchentag endete in einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Hass ist keine Meinung“, die wieder einmal die Rede vom Hass in die Öffentlichkeit trug. Das war einfach zu viel.
Niemand hat je ernsthaft behauptet, dass Hass eine Meinung sei. Aber der Hass hat jedenfalls Konjunktur und gehört mittlerweile in jeden Text, der wichtig sein will. Seitdem Gefühle aus dem Innersten als gesellschaftlich relevant konnotiert sind, suchen wir sie zusammen, erfinden auch Worte, um sie – oft erstmalig – zu benennen und sortieren sie, um unsere Welt zu optimieren. Gefühle deuten wir positiv, stören uns aber daran, dass sie unübersehbar oft auch negativ zu deuten sind. In der Sprachlosigkeit über Gefühle sind die Cluster der negativen Gefühle wahre Kramkisten. Da kommt das Wort Hass gerade recht, um die Kramkiste erst gar nicht zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen. „Wir hassen es alle zu verlieren.“ sagte Robin Gosens am 18.6. 2023 nach einem verlorenen Fußballländerspiel und findet sich unweigerlich direkt neben dem Evangelischen Kirchentag in der Kramkiste Hass.
Eine Meinung ist eine begründete Stellungnahme, die der Nachdenklichkeit bedarf, um in die Welt zu purzeln. Nachdenklichkeit ist bei dem Gebrauchswort Hass vermutlich nicht sehr verbreitet. Das belegt immer sehr gern Martina Hill in ihrer Comedy als Youtuberin Larissa mit dem Satz: „Isch hasse disch – ehrlisch!“
Hass scheint mir ein Wort für eine Kiste zu sein, in die niemand gern reinguckt und die auch keiner aufräumen will. Unserem historisch verschütteten Umgang mit den Gefühlen fehlen eben die Worte. Wir äußern Gefühle, die wir nicht haben – der Klassiker lautet „Mama ist traurig…“ und wir haben für den Privatgebrauch nicht einmal den Ansatz einer kleinen Bibliothek. Wenn nun tagtäglich in unzähligen Medien Hass entdeckt und eingeordnet wird, dann geht es wild durcheinander. Freude, Angst und Hilflosigkeit sind weitaus gefühlsnäher als Hass.
Hass ist mir ein Placebo. Es wirkt gegen jede Vernunft. Im Fall des Hasses muss ich also lange überlegen, was dahinter steckt. Dabei ist der Erfolg nicht garantiert. Um die Situation eines vermeintlich Hassenden zu beschreiben, benötigt man das Wort Hass nicht.