Der türkische Präsident Erdoğan wendet sich gegen den Kulturschaffenden Böhmermann, der am Beispiel dieses Herrn Erdoğan in einem Reimwerk vorgetragen hat, was man im Rahmen der Pressefreiheit eigentlich nicht sagen darf 💡. Er soll damit Herrn Erdoğan beleidigt haben. Die entsprechende deutsche Strafrechtsnorm setzt voraus, dass die Bundesregierung eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.
Wenn so ein vergessener Paragraf von Herrn Erdoğan genutzt wird, dann hat der Gesetzgeber zuvor verschlafen, diesen Paragrafen außer Kraft zu setzen. Die Bundesregierung arbeitet zwar im Namen des Volkes, die rechtliche Entscheidung hat das Volk in seinem Grundgesetz aber auf die Gerichte übertragen. Deshalb ist die Entscheidung Merkels sehr vernünftig, die Entscheidung auch an die Gerichte durchzulassen und ihre Mutmaßung über ein Gedicht für sich zu behalten. Ganz anders, als im Wirkungsbereich Erdoğans gibt es hier in Deutschland keinen zentralen Macher, der sich mit einem Handstreich über alles hinwegsetzt und einmal eben nur macht, was er will, also eben nicht im Namen des Volkes. Nach aller Erfahrung ist das Anliegen Erdoğans bei deutschen Gerichten gut aufgehoben. Die Freiheitsrechte werden gerade von deutschen Gerichten bisher immer vor den Begehrlichkeiten auch der deutschen Politik geschützt. Das ist auch ihre Aufgabe. Das wird auch im Fall Erdoğan gegen Böhmermann nicht anders sein. Eine Gerichtsentscheidung kann für Herrn Böhmermann schließlich sehr viel mehr sein, als eine opportunistisch zusammengewuselte, abgekürzte Entscheidung aus der Stimmungszentrale der Republik.
Deutungen, die Kanzlerin habe sich aus der Verantwortung entfernt und Böhmermann einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit dem Neokalifen Erdoğan geopfert, sind bisher von einer Stimmung getragen, die jetzt den Böhmermann kurzfristig retten will. Aber ihm droht ja nicht der Tod im stürmischen Meer. Er kann sich auf viele Freunde und Unterstützer verlassen – und höchstwahrscheinlich auch auf die Gerichte.