Aus der Traum

Da kommt wieder per Post so eine unbestellte Offerte für eine Traumreise.

Da will ich nur mal richtigstellen: Traumreisen gehören einfach nur in den Bereich der Träume. Dabei ist es selten, dass man im Traum durchkonfektioniert reist. Man erlebt viel im Traum, aber ohne Garantie und meist auch gar nicht so sehr weit weg, wie es die Welt ermöglichen würde. In der Wirklichkeit gibt es also keine Traumreisen – schon gar nicht gegen Geld und auch nicht mit großem Rabatt.

Und gerade anschließend kommt jetzt auch noch ein unbestelltes Geschenk mit einem aus der Not geborenen fiesen Briefpapier, unverbindlichem Überweisungsträger und zwei Kugelschreibern von einer Tierschutzorganisation. Erzählt wird eine Geschichte mit dem Foto von einen Hund, der nur etwas Fleisch essen wollte und dem dem der Schlachter dann mit dem Beil mehrere Zentimeter vom Kopf abgehackt hat. Ich zeige das Bild aus guten Gründen nicht.

Das emotionale Lovebombing geht in beiden Fällen gottzeidank unberührt an mir vorbei. Ob Traum oder Antitraum, ich bleibe dann doch lieber auf meinen Geldbündeln sitzen.

Bienen im Hotel

«Da es dem König aber wenig gefiel, dass sein Sohn, die kontrollierten Strassen verlassend, sich querfeldein herumtrieb, um sich selbst ein Urteil über die Welt zu bilden, schenkte er ihm Wagen und Pferd. ‚Nun brauchst du nicht mehr zu Fuss zu gehen‘, waren seine Worte. ‚Nun darfst du es nicht mehr‘, war deren Sinn. ‚Nun kannst du es nicht mehr‘, deren Wirkung.» (Günter Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, 1956)

Grab auf Maulwurfshügel

Und nun bieten sogar die für ihren Schotter bekannten Baumärkte allesamt Bienenhotels als fernöstliche Bastelarbeit an. Und die Biene selbst denkt nicht einmal an Hotels, da hat der voreilige Naturfreund schon ein Pauschalangebot hergerichtet, damit die bienenfeindliche und kultivierte Naturwüchsigkeit fortleben kann, während die Gräber der Menschen mit Kunstrasen oder Marmorplatten abgedeckelt sind und das Wort Hotel auf alle Fälle und sinnlos überlebt.

MOMENT MAL • Wahlbeteiligung: NRW 55,5% •

Das bedeutet ja, dass man die Stimmanteile der Parteien halbieren muss, wenn man wissen will, welcher Anteil aller Wahlberechtigten hinter ihnen steht. Jedenfalls wird die Legitimation der Politik durch den Bürger – „Er hat uns den Regierungsauftrag gegeben“ – immer fragwürdiger. Zumal ja auch nirgendwo steht, dass die stärkste Partei die Regierung bildet und den Kanzler stellt. Akteure sind allein die gewählten Volksvertreter.

Der „Politikverdrossenheit“ der Bürger geht meist eine Bürgerverdrossenheit vieler Politiker voraus. 

Den Interviews der Nichtwähler merkt man in diesen Tagen deutlich an, dass es an politischer Bildung mangelt. Es gäbe möglicherweise sogar gute Gründe, nicht zu wählen. Aber man hört sie nie.

Es ist ein Griff ins Klo der werbewirksam agierenden Spindoctoren, wenn man dem Bürger billige Ersatzmotivationen zur Wahl anbietet und zum Beispiel das Wahlalter senkt, Kinder in Pseudoparlamente verschiebt, bei Kindern in der Kindergartengruppe ein Votum einfordert, die Leute in Parlamenten schnuppern lässt und für die fragwürdige Briefwahl  auch noch wirbt, allein um die Wahlbeteiligung wieder etwas hoch zu treiben. Die Bewährungsprobe für den Politiker ist, wenn er in seiner Arbeit auf Menschen trifft und nicht Kontakt zum Bürger sucht und dann auch noch Kugelschreiber mitbringt.

Das alte Aufrüsten ist jetzt neu

Wer Putin nicht so richtig kannte, wird ihn in den ersten Wochen des Krieges auch nicht so richtig kennengelernt haben. Okay – er geht über Leichen. Was ihn dazu anregt oder davon abhält weiß nur der Teufel. Sein letztes konventionelles Kapital ist, dass die Öffentlichkeit im Bereich seiner Gegner gegensätzlich spekuliert, wie man seine Gefräßigkeit unterbinden kann. Wenn man dagegen hält, dann schielt er vermutlich auf die Atombombe, wenn man ihn besänftigt, dann frisst er generalstabsmäßig alle konventionell auf. In dem Dilemma hat er alle Humanisten und Demokraten als Widersacher. Er wird sich jedenfalls freuen, wenn die einen so und die anderen anders sagen. Dazwischen würde er vermutlich gern ungestört weiter machen.

Der fundamentale Paradigmenwechsel der letzten Wochen, dass nämlich die Humanisten und Demokraten selbst äußerst streitbar auftreten müssen, wenn sie nicht eine nach dem anderen zur Schlachtbank geführt werden wollen, ist unumgänglich. Boykott und Kampf sind neuerdings angesagt, auch wenn man die Werkzeuge für Boykott und Kampf eingemottet hatte. Alles andere ist nur Briefeschreiben für einen Berg ehrenwerter Texte, der darauf wartet, zu gegebener Zeit als entartet verbrannt zu werden.

Aus einem Heldenleben

Da geht nun der Held von Wimbledon am heutigen Tag für eine Weile ins Gefängnis. Sein Leben geht jetzt nicht mehr so recht weiter, wie er es bisher gestaltet hat. Wer den Insolvenzverwalter auf verlorenem Posten mit unzureichenden Angaben dilettantisch linken will, der hat auch nichts besseres verdient. Da lacht der Profi.

Auf die Strafmaßverkündigung musste das Publikum entgegen der Ankündigung des Gerichts ein paar Stunden warten. Ein Gerichtsreporter meinte, das Strafmaß zeige, dass es vor Gericht eben keinen Promibonus gebe. Das sehe ich anders: Der Rechtsstaat unterscheidet von vornherein nicht nach der jeweilen Prominenz des Angeklagten. Diese stundenlange Verzögerung ist dann aber doch ein Promibonus, und wird für die Weltöffentlichkeit standesgemäß zelebriert. 

Wenn der Held nach guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen wird, werden wohl viele Talkshows auf den Helden Boris Becker warten und sein Privatierskonto für die Wechselfälle des Lebens wieder auffüllen. Eigentlich sollte ja jeder Sträfling irgendwann in eine Talkshow entlassen werden. Aber daran besteht wohl kein wirtschaftliches Interesse. – Schade!

Hinz und Kunz

Nadja Müller kennen sie nicht? Es ist die Frau vom Eishockeynationalspieler Moritz Müller. Sie regte sich während der Olympischen Spiele in Peking (auf Focus) fürchterlich auf, weil das ZDF mitten im Eishockeyspiel auf Rodeln umschaltet. Jetzt mag sie das ZDF überhaupt nicht mehr. 

Während sich Frau Müller aufregt, regt sich anderenorts auch Herr Meier auf. Er guckt auch das ZDF und sieht, wie auf dem Eis Bodychecks gegen das Leben das Spiel offenbar nicht stören. Er ist Humanist und möchte so etwas nicht. Zudem meint er, hat es der Eishockeyzirkus bis heute nicht vollbracht, den Puck fernsehgerecht, also groß, bunt und leuchtend zu gestalten und insgesamt so langsam zu spielen, dass er vor dem Fernseher das Spiel auch wirklich verfolgen kann. Er nickt ein und wird erst wieder hellwach, als die Rodler zwischen Start und Ziel einwandfreie Leistungen bringen.

Heute – einen Tag später – ist er erstaunt, dass Frau Müller es bis in die Berichterstattung schafft und  offenbar nicht einmal weiß, dass heutzutage jeder sein eigener Programmdirektor ist und stets das guckt, was er wirklich sehen will. Solche Sportereignisse finden parallel statt und werden auch parallel verfügbar gehalten.

Herr Meier träumt nun von einer Heirat mit irgendeiner Goldheidi, damit er mit seiner qualifizierten Meinung auch einmal in die Zeitung kommt.

Echotalk – Redundanz de Luxe

Reporter haben es schwer. Bei aller Vorbereitung sind sie darauf angewiesen, völlig spontan zu reagieren und können nicht einmal zurückspulen, wenn sie sich so sehr versprechen, dass der Zuhörer die Augen verdreht. Im Fernsehen ist es besonders schwer, weil man ja eigentlich auf das Sprechen verzichten kann, wenn die Bilder alles sagen und trotzdem sprechen muss. Beim Biathlon beispielsweise sind die Übertragungsstandards so weit entwickelt, dass der Zuschauer vom Reporter lediglich Hinweise auf den Rennverlauf braucht, die man nicht abbilden kann. Und dazu kommen dann immer noch fandienlich Geschichten über mehr oder weniger glückliche Lebensumstände antretender Sportler und die Vergleiche bestimmter Sportler mit anderen und Vergleiche zwischen der aktuellen und der zurückliegenden Form eines bestimmten Sportlers. Solche Vergleiche werden stets mit der Behauptung eingeleitet, dass da etwas „nicht vergleichbar“ sei.

Das mit der Unvergleichbarkeit von Vergleichen hat mich schon erheblich belastet.

Jetzt kommen die Echokommentare hinzu. Ich sehe beispielsweise im Bild, dass ein Biathlet ausgerechnet mit dem letzten Schuss nicht getroffen hat. Das Teilereignis ist optisch, also wortlos, von mir aufgenommen und verwertet worden. Während ich dem Ablauf des Wettbewerbs weiter folge, sagt dann der Reporter mit einer Echoverzögerung, dass der letzte Schuss das Ziel verfehlt hat und so weiter. Dieses Echo wiederholt sich in jeder Sportübertragungen zigfach und produziert stotternde Gedanken. Manchmal habe ich sogar den Gedanken, der Reporter hört mir zu und gibt dann meine Worte an die Öffentlichkeit weiter. Es ist sogar schon passiert, dass ich aus dem Medienzimmer in die Küche gerufen habe: „Au, au, au – ich glaube, es wird nichts mit dem Stockerl!“ Und dann kommt aus dem Off: „Au, au, au – ich glaube, es wird nichts mit dem Stockerl!“ Das ähnelt einem Telefongespräch mit einer Rückkopplung, die mir zeitversetzt meine eigene Stimme vorspielt. – Da wirst du bekloppt … 

Ich lobe mir die Fernsehreporter der 60er Jahre, als man im Bild die Fußballspieler kaum unterscheiden konnte und fast alles in der Totalen übertragen wurde: Da hat der gute Reporter nur immer die Namen der ballführenden Spieler genannt und leicht moduliert. Das war hilfreich. Wer mehr hören wollte musste damals das Radio einschalten.

In der Katholischen Kirche 

Der institutionelle Mangel frisst alle Funktionäre auf, erst das geweihte Fachpersonal und schließlich auch die zur Rettung herbeigerufenen Laien.  Ein korrupter Kegelclub mit Wahrheits- und Ewigkeitsanspruch entlarvt sich in der Demokratie mit den Jahren selbst … Niemand braucht Institutionen, die für alle Zeiten auf die Demokratie pfeifen und stattdessen Gottes Wort zurechttreten, wie es ihnen passt. Selbst die Theologie ist da schon mehr an Gott und den Menschen interessiert. Man denke nur an den eschatogischen Vorbehalt, also die Idee von der Unwissbarkeit des richtigen Glaubens.

Es gibt dazu einen alten Witz:
Der Papst Ratzinger steht vor dem Himmelstor und begehrt Einlass. Der Türsteher Petrus fragt nach seinen Referenzen. Ratzinger sagt, er sei Stellvertreter Gottes auf Erden gewesen. Petrus wandelt in die hinteren Räume, um den Umgang mit dem Bittsteller zu regeln. Er wendet sich dazu direkt an Gott: „Da draußen stent jemand der behauptet …“ Gott antwortet: „Meine Güte, existiert der Verein immer noch, den ich vor 2000 Jahren gegründet habe?!“

Die Initiative  #outinchurch liefert in diesen Tagen beeindruckende Dokumente über die Gewalttätigkeit der Katholischen Kirche und fordert ein Ende. Außerhalb der Kirche gibt es eine durchweg positive Resonanz. Wie die Resonanz innerhalb der Kirche ist, wissen wir nur über kleine Löcher in der Fassade. Und man kennt aus der Erfahrung die Grenze der Katholischen Kirche, damit umzugehen.

Institutionen mit festem Wahrheits- und Ewigkeitsanspruch gelten als nicht reformierbar. Verschönerungen an der Fassade mögen darüber hinwegtäuschen. Da bleibt es nur, die Tendenzbetriebe ihrer Tendenz zu berauben und dort die demokratischen Errungenschaften des Gemeinwesens insbesondere im Arbeitsrecht zuzulassen, sowie das Konkordat (von 1933) seitens des Staates zu kündigen, das die Finanzierung der Kirchen durch den Staat über jedes sinnvolle Maß hinaus sicherstellt.  Ein Staatsleistungsablösegesetz – StAblG) schlummert schon seit 2012 und wartet auf eine Verabschiedung. Danach werden Arbeitsplätze in den Kirchen vom Wort aus dem Vatikan entkoppelt sein. Was spricht dagegen, bereits jetzt sich einer anderen Glaubensgemeinschaft zuzuwenden oder gar eine neue Kirche zu gründen?

Risiko ist immer – wer weiß das besser als der bibelfeste Christ?

Die ortsübliche Miete gerät in Bewegung

Irgendwo auf der Welt ist so eine Art Kreuzfahrtschiff mit Eigentumswohnungen im Bau. Damit war zu rechnen. Wer also bereits Homeoffice beim Arbeitgeber gebucht hat, kann sich auch direkt die passende Wohnung dazu suchen. Ja und dann ist da noch das Finanzamt. Steuerberater in der Fachdisziplin Offshorewohning haben schon entsprechende Geschäftsmodelle vorbereitet. Die ganze Sache rechnet sich! – 

Ich aber sage euch: Sie werden zwischen Sumba und Viti Levu ihre Seele verkaufen, nachdem ihr Display in die Welt unter der gleißenden Sonne kapituliert hat.

„I remember“

Jeder leidet selbstverständlich mehr oder weniger und bestimmt auf seine Weise. Aber ein Leid oder Mit-Leid als Massenbewegung ist doch etwas völlig anderes. 

Hinz und Kunz präsentieren sich anlässlich des Jahrestages der Befreiung aus den Vernichtungslagern der Nazis jetzt mit dem gemalten Hashtag #weremember in einer fotogefälligen Position.

Da wälzt sich die Hilflosigkeit in einem Selbstdarstellungsgehabe als Massenbewegung durch die Medien. Alle sind dabei und folgen blind dem Mainstream des guten Tons.

Gut, – das ist besser als nichts. Eine ehrliche Anteilnahme am Leben der Opfer bleibt dahinter zumindest verborgen. Ich bin sicher, dass Leid in  der Form des Mit-Leids andere Ausgrucksformen braucht und hat, die nicht notgedrungen in die Medien gehören. Aber dann guckt ja wieder niemand …