Heute habe ich einen ungesteuerten Stadtspaziergang durch Rheydt gemacht. Das ist mir zur Erkundung sozialer Räume manchmal unverzichtbar. Ich lasse mich treiben. Vieles sieht anders aus, wenn man ohne Auto unterwegs ist, aber keinesfalls besser.


Im Kern der Stadt, wo die meisten Städte ja auch ihren Ursprung haben, wurde der Einzelhandel bis zum Kollaps entwickelt. Der Wohnraum wurde knapp und teuer. Jetzt ist er spottbillig und die Hauseingänge findet man versteckt zwischen riesigen, blind gewordenen Schaufensterscheiben hinter denen nichts mehr zur Show gestellt. In den Nischen der Haustüren befinden sich meist die Nachtlager der Obdachlosen und viel vergessener Müll. Weit abseits der Innenstadt wohnen jetzt die gut situierten Bürger und der Weg zurück wirkt wie verbaut und sinnlos. Stadtrand und Stadtzentrum haben sich vertauscht und bleiben es auch, so lange die Mobilität und die Lieferdienste funktionieren.
Auf dem Bürgersteig trottet an langer Leine ein dicker Schäferhund mit seiner Nase auf mein Hosenbein zu. Da sage ich zum fleischgesichtigen Hundebesitzer mittleren Alters: „Würden Sie bitte den Hund etwas kürzer halten!“. Da sagt der: Der Hund ist ganz brav, der weiß nicht einmal, dass sie ein Arschloch sind.“ Ich hätte da sagen müssen: „Sie sehen aber blendend aus!“ – Das ist mir aber leider erst jetzt eingefallen.

