Mein aufrichtiges Beileid – und Konsorten

Das Leid und die Leiden sind vielfältig. Wenn ein Leid unübersehbar überbordet, dann erweckt das Mitleid. Der Leidende ist nun nicht mehr allein, er erhält eine soziale Komponente. Das hilft in der Regel, das Leid zu bewältigen.

Nun gibt es auch noch ein Beileid. Ich weiß nicht so recht, wofür das Beileid gut sein soll, wenn es nicht doch Mitleid ist. Es ist nicht mal klar, ob der Beileidende überhaupt an der selben Sache leidet oder doch parallel an etwas ganz anderem. Ich weiß wohl, dass das  Beileid stets Todesfälle begleitet, die meistens ja leidensreich sind. Da käme mir eher Mitleid in den Sinn, wenn nicht die Distanz zu den mutmaßlich trauernd Leidenden  dazu  beiträgt, das Leid an der gleichen Sache in Frage zu stellen und ein Mitleid zu propagieren. Ich erinnere mich an einen Bestatter, der im Kreis der Angehörigen einer Verstorbenen mit fester Mine jedem die Hand drückte und dabei das Wort Beileid als eine Art Grußformel immer wieder neu ins Geschäft brachte. Was Anteilnahme sein soll, bleibt mir auch im Dunklen. Es erinnert etwas an die Inbesitznahme von Anteilen an Handelsobjekten.

Nun gibt es wohl auch eine lange Tradition, trauernden Menschen ein „aufrichtiges Beileid“  oder so etwas zu vermitteln. Man macht das dann mündlich oder schriftlich mit einer sogenannten Beileidskarte. Die vorformulierte Aufrichtigkeit wird dabei bestenfalls zur unbedachten Floskel. Wer seine Aufrichtigkeit ohne Not betont, der erweckt damit nur den Verdacht, dass auch Unaufrichtigkeit im Spiel sein könnte, ohne dass man mit der Betonung der Aufrichtigkeit vertrauenswürdiger auftritt. Die „aufrichtige Anteilnahme“ ist für mich ein Unfall, der mögliches Mitleid vergessen lässt. Als Covenienceware, also als Beileidskarte, setzt der Verkäufer auf die unbeholfene Sprachlosigkeit der Käufer. Dieser greift zu, weil man die Aufrichtigkeit bequemlicher kaum haben kann.

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