Da capo Thuringia

Parteienlandschaft (Symbolbild)

Ich sage ja schon lange, dass die Gruppe der Berufspolitiker bürgerverdrossen ist. Das kommt wohl daher, dass der Bürger im Alltagsgeschäft der Parlamentarier schon lange keine hervorragende Rolle mehr spielt.

In dem beschaulichen Land der Märchen und Wälder namens Thüringen fehlt zudem weitgehend der grenzüberschreitende Kontakt. Alle Parteizentralen sind weit weg. Man ist für sich allein und ist stolz darauf. Man zieht sogar eigenmächtig Grenzen nach rechts und links, gleichgültig, was das bedeutet. Kontakte zu aufdringlichen Rechtsradikalen sieht man eigenwillig und mit gewagter Interpretation. In dieser Gegend können schon mal Phantasie und Wirklichkeit eine unselige Verbindung eingehen, ohne dass man es zunächst so recht merkt. Und plötzlich zieht man einen Prinzen aus dem Brunnen, der dann ohne Hofstaat ungelenk da rumsteht.

Für den gut reflektierten Politiker, den gibt es als Minderheit sicher auch in Thüringen, ist sofort klar, dass man mit so einem als Ministerpräsidenten nichts anfangen kann. Für ihn ist aber auch klar, dass er seine Rechtfertgungsressourcen und das gelernte Gutreden aktivieren muss, um den maximalen Schaden zu vermeiden.

Die öffentliche Berichterstattung ist da allerdings schon weiter und bestimmt binnen weniger Stunden den Diskurs um Ursache und Folgen einer moralisch missglückten Wahl zum Ministerpräsidenten. So wandeln dann auch über Nacht gutmütige Politiker ihre Ansicht und erwarten eine Schadensbegrenzung, in dem sie explizit von Rücktritt und Neuwahlen reden. Sie werden dabei angetrieben von protestierenden Bürgern, die so etwas wie einen gezeichneten Scheißhaufen mit gelben Punkten durch die Städte tragen und sie werden auch angetrieben von der Presse, die landauf, landab so etwas von Bombe, Erdrutsch, Dammbruch, Knall, Beben, Feuer, Finte, Sensation Eklat, Schock titelt.

Freilich wird das deutliche Bild von den Vorgängen durch die thüringischen Wälder stark gedämpft. Im dortigen Landtag meinen die, die den neuen Ministerpräsidenten aus der Traufe gehoben haben immer noch, sie würden den Souverän nur verantwortungsvoll vertreten, alle Anfeindungen seien unwürdig und der parlamentarische Weg sei per se unkritisierbar wie die Thüringer Rostbratwurst die sie wie im Schwur hoch halten.

Es wird also noch ein paar Tage dauern, bis sich Protagonisten und disziplinierte Mitläufer aus CDU und FDP – eventuell auch der AfD – beschämt in eine unbekannt Versenkung zurückziehen, bis sie wieder fürs Dschungelcamp gebraucht werden.

Wir brauchen offenbar solche demonströsen Shows und Zerwürfnisse mit allen Beteiligten auf der Welt in allen Ausuferungen, um aus Erfahrung zu lernen und es besser zu machen. Mich stimmt das alles hoffnungsfroh. Rechtsradikale Landgewinne sehe ich im zu erwartenden Ergebnis nicht. – Warten wir mal ab! Vielleicht erwächst daraus ja auch schon eine Lehre, die weitergeht: Bei den CDU-Ministerpräsidenten im Osten Deutschlands gibt es ja immer wieder Versuche, die AfD mit eigenen rechtsradikalen Plänen aus dem Rennen zu werfen.

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