… und du bist raus!

Wenn Wahlen anstehen, dann geht es um die öffentliche Meinung und um künftige Politik.

Die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten haben zu diesem Anlass die Elefantenrunde erfunden: Die Meinungsführer der jeweils zur Wahl anstehenden und voraussichtlich chancenreichen Parteien erhalten eine moderierte Möglichkeit, in der Auseinandersetzung ihre Positionen vorzutragen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass solche Runden vor der Wahl und auch unmittelbar danach erhellende Momente für den Wähler hervorbringen und ihm helfen, seine Wahlentscheidung zu fundieren. Zur Wahl gehen ist wichtig, eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen ist allerdings noch wichtiger. Dem Format Elefantenrunde kommt deshalb im öffentlich-rechtliche Rundfunk eine hervorragende Bedeutung zu.

Nun ist das Spektrum der antretenden Parteien groß. Es sind immer auch welche dabei, die randständige Themen oder fragwürdige Ideologien vertreten. Das hält der demokratische Rechtsstaat aus. Folglich ist der Disput der Parteienvertreter auch dann sinnvoll, wenn sie sich nichts, oder aber auch nichts Gutes zu sagen haben. Dann ist zumindest der Wähler auch darüber im Bilde.

Die Fernsehanstalten bestimmen ihr Format und die Parteien entsenden ihre Vertreter. Das kann ja auch nicht anders sein.

Doch in diesem Jahr ist alles anders. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verweigern die Parteien SPD und Grüne die Teilnahme, wenn die AfD ebenfalls dabei ist. Jetzt hat der zuständige SWR sein Format schnell umgestrickt und beabsichtigt nun, die AfD draußen vor zu lassen.

Dass die Arroganz der Macht, die ja auch nur vom Volk geliehen ist, leichtfertig die Widersacher aus der rassistischen Schmuddelecke ausgrenzt, ist ein Fehler, der diese Widersacher wahrscheinlich sogar aufwertet. Ein schlauer Satz in der Elefantenrunde wäre die bessere Variante gewesen.
Der Durchgriff auf den öffentlich rechtlichen Rundfunk durch Verweigerung mit einem Seitenblick auf die Machtverhältnisse im Rundfunkrat ist allerdings eine kleine Machtmusik zur Instrumentalisierung der Pressefreiheit. Damit gibt es auch einen Beleg für die fehlende Regierungsferne des SWR. Es ist zwar richtig, dass der SWR alles zu tun hat, um alle Parteienvertreter in das Studio zu holen, aber nicht mit dem Ergebnis, dass er nun als Regierungsfunk agiert und die Regeln einer freien Presse beiseite legt.

Ich bin erst einmal froh, dass ich nicht in den besagten Bundesländern wohne: Meine Wahlmöglichkeiten wären dort arg begrenzt.

Ich wünsche mir, dass die AfD immer dabei ist, aber niemals Regierungsverantwortung gewinnt. Ich wünsche mir einen weitestgehend unabhängigen Rundfunk. Und ich wähle nur Parteien, die nicht Opfer ihrer eigenen Spin-Doctors sind. — Das sind doch diese Meinungstechnokraten, die Tricks für den Machterhalt höher bewerten als das, was eine Partei wollen mag.

Händchenhalten im Park

Heute begegnete mir ein türkisches Paar jüngeren Alters in einem Park. Im Gespräch habe ich sie auch gefragt, ob sie auch der Fatwa aus der türkischen Staatsverwaltung alles Religiösen folgen. Sie haben nur gelacht.

So eine Fatwa ist ein islamisches Rechtsgutachten, das den praktischen Glauben in den Wechselfällen des Lebens verbindlich korrigieren soll. Wer so eine Fatwa lostreten kann, das wird immer fragwürdiger. Die Fatwa lebt von denen, die ihr kritiklos folgen. Gegen eine abschließende Interpretation geltenden islamischen Rechts mag ja ohnehin niemand etwas einwenden. Früher waren es hoch geachtete islamische Rechtsgelehrte, die diese Fatwas in die Welt setzten. Mittlerweile werden Fatwas häufig mit politischen Strömungen verbunden und damit so etwas wie geltendes Recht. Es gibt sogar auch rechtgläubige Regierungen, die für ihren Bereich so einen Fatwaweg gehen, weil sie auf ihr treues Klientel bauen, und auf diese Weise politische Absichten ohne eine breite Diskussion in politischen Gremien und in der Öffentlichkeit verwirklichen. In solchen Fällen wird die Politik also rückgebunden an ein normatives Religionsverständnis bei gleichzeitiger Instrumentalisierung der Religion selbst.

Die jungen Leute waren ganz entspannt und fernab des jüngsten Fatwaversuchs aus dem türkischen Religionsministerium, das ihre Dependancen auch in Deutschland unterhält: Es sind die DITIB-Moscheen. Es wird also nach den Regeln der Fatwa gesagt, Verlobte dürfen sich in der Öffentlichkeit nicht die Hand halten und sich in geschlossenen Räumen nur dann treffen, wenn eine dritte Person dabei ist. Dort sollen sie die selbstverständliche Möglichkeit haben, sich gegenseitig kennenzulernen.

Wie das mit den Händchenhalten so ist, habe ich ja bereits mitbekommen. Und ich fand es auch wirklich nicht anstößig.

Die vorgeschriebene Situation im geschlossenen Raum kann ich noch nicht so ganz erschließen und male sie mir aus:

Mustafa und Ayse sitzen auf Sesseln.
Zwischen ihnen steht ein Tisch. Ayses Bruder Ahmet sitzt scheinbar gelangweilt in der Ecke.

Ayse: Ich habe meine Abitur mit guten Noten gemacht.

Mustafa: Das ist ja toll! Ich werde in 2 Jahren – so Allah will – den Bachelor in Philosophie haben. Also, was ich damit im Leben anfangen soll, das ist mir völlig unklar. Aber wir Philosophen leben ja gern im Wagnis.

Ayse: Ich würde auch gern studieren. Im Moment unterstütze ich hauptsächlich meine Mutter bei der Hausarbeit. Ich war ganz stolz, als letztens mein Bruder (Es findet ein leichter Blickkontakt zwischen Ahmet und Ayse statt) meine Köfte so lecker gefunden hat.

Mustafa: Ich koche meistens Nudeln, das geht schnell. Und dabei denke ich an dich. (Es findet ein leichter Blickkontakt zwischen Ahmet und Mustafa statt.)

Ach — ich breche das hier einfach mal ab, weil ich es doch nicht herausfinde, wie sie sich kennenlernen, vermutlich gar nicht. Der gläubige Hindu ist ohnehin der Ansicht, dass alle Menschen gleich viel Wert sind. Wenn dann die Familie den Ehepartner allein aussucht, dann kann das ja nur besser sein, als die christlich-kapitalistische Bevorzugung von gestylten Äußerlichkeiten bei der höchst persönlichen Partnerwahl.

Ich möchte gar nicht wissen, wer so alles verlobt ist und sich händchenhaltend durch die Parks der Welt bewegt. Das Schlechteste scheint es mir nicht zu sein.

Allianzen

Mittlerweile gibt es Allianzen, an die früher niemand ernsthaft gedacht hat.

Sexismus und Gewalt gegen Frauen schweißen gerade Islamisten, Nazis und Feministinnen zu Geistesverwandtschaften und sogar zu wilden Aktionsbündnissen zusammen, sicher nicht alle, aber doch bemerkenswert viele. Sie finden sich in einem Aktionismus wieder, der mit der demokratischen Bewältigung anstehender Probleme nach den Ereignissen von Köln konkurriert. Das verschärft die Situation zusätzlich.

Am Bahnhof ist immer was los

Der Bahnhofsvorplatz war immer schon Ort der Begegnung und der Kriminalität, jeweils verbunden mit Freude und Enttäuschung, Freundschaft und Trennung.

Seit der Silvesternacht 2015 in Köln ist er in Windeseile zum Symbol für eine Übergriffigkeit und Hilflosigkeit geworden, die aus dem Nichts zu kommen scheint.

Das ist immer so schön, bei unaufgeklärten Kriminalfällen. Man kann alle Register der Phantasie ziehen, um vorübergehend die Weisheitslücken auszufüllen. Und dafür bleiben noch ein paar Tage Zeit, den die Ermittlungen laufen noch.

Und so erleben wir ohne Unterlass nun einen Armabstandsgag nach dem anderen. Wir hören auch tagtäglich die Empfehlung, dass der Staat sich nun mit harter Hand gegen kriminelle positionieren muss. Alle Medien sind voll davon und werden offenbar deshalb auch gern konsumiert. Ein wünschenswerte Phantasie ist uns allemal lieber als eine schnörkellose Faktenlage.

Verhaltensregeln für Frauen deutet jetzt auch das populistische Frauenmagazin Emma außer Rand und Band als einen weiteren Angriff auf alle Frauen. Dabei wird vollständig ausgeblendet, dass es ja mit den Verhaltensregeln in frühester Kindheit bereits an. Wir sind – Mädchen oder Junge, Mann oder Frau – schlecht beraten, ohne nach rechts und links zu sehen, die Straße zu überqueren. Wir können uns mit Bedacht über Regeln hinwegsetzen und sogar neue erfinden. Wenn es geht, ist oft ein Abstand zum anderen sinnvoll. Der erwachsene Mensch hat im Normalfall ein äußerst effektives Territorialverhalten erworben, das auf ein System überkommener und individueller Regeln zurück geht.

Das Reden von der „harten Hand“ vermittelt, es gäbe im Rechtsstaat ganz große Spielräume der Beliebigkeit, die man plötzlich auch ganz anders ausfüllen könnte. Das ist aber nicht so! Das ist weder in Gerichtsverfahren so, noch im Handeln von Behörden, weil letzteres auch gerichtlich überprüfbar ausgestaltet ist. Zudem wäre kein Richter daran gebunden, die Urteile und Beschlüsse härter auszugestalten. Vielmehr ist der Richter an die sachgerechte und begründete Einordnung konkreter Sachverhalte in die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Sein Spielraum ist in jeden Fall sehr begrenzt und die spezifische Ausgestaltung dieses Spielraums ist zu begründen.

Der Verzicht auf solche Denkbewegungen ist vermutlich dem Bahnhofsvorplatzhype geschuldet.


 

Und dort agierte die Polizei in der Silvesternacht offenbar vollkommen hilflos.

Die deutsche Polizei gilt jedoch weltweit als vorbildlich. In kaum einem Land vertrauen die Menschen der Polizei mehrmals hier bei uns.

PolenteDie berechtigte Kritik an der Polizei erfordert unmittelbar, nicht unbedingt den Gewerkschaftsforderungen (mehr Personal und Geld) zu folgen, aber doch die versäumten Aufgaben nun auch zu erfüllen. Das geht allerdings nicht in einem Einheitsapparat, der zentralistisch ausgerichtet ist und nach außen dicht bleibt. Es sollte also darum gehen, neue Konzepte und Arbeitsmethoden zu entwickeln, Ideengeber und Kritiker zu loben und in maximal autonomen kleinen Einheiten zu arbeiten, die in ihren Köpfen nicht ständig herumschleppen, wie der Polizeipräsident dieses und jenes dem Innenminister am besten verkaufen kann.

Ich zweifle nicht daran, dass die Polizei zu der allseits geachteten Form zurück findet.

Migranten am Bahnhof

Bereits die Gastarbeiter der ersten Generation trafen sich gegen Ende der 50er Jahre in ihrer Freizeit am Bahnhof. Dafür gab es zwei Gründe.

Sie kannten den Bahnhof als Zentrum der Stadt und meistens auch noch von ihrer Anreise und hatten dort eine große Chance dem spartanischen Leben in Deutschland auszuweichen, sowie Landsleute und ein geschäftiges Leben anzutreffen.

Es gab damals kaum einen anderen Ort wo sie hätten hingehen können. Eine Infrastruktur für Gastarbeiter musste also erst noch aufgebaut werden.

Bis zum heutigen Tag hat sich daran nichts geändert. Dies gilt vor allem für Neuankömmlinge. Wenn nun in der Silvesternacht der Bahnhofsvorplatz voller Menschen aus anderen Ländern ist, dann ist das nicht verwunderlich. Dass sich in diesem Bahnhofsszenario auch eine Halbwelt etabliert und sogar professionalisiert, ist seit langem bekannt. Allerdings ist daran die Vielzahl der Menschen aus anderen Ländern nicht beteiligt. Dass die Szene der Diebe, Hehler und Drogenhändler sich gerade in Köln etabliert hat, ist unbestritten. Jeder Strafverteidiger in der Stadt kennt aus seiner Arbeit die Vielzahl der Delikte und Verurteilungen. Dass die Szene derart gewachsen ist, dass sie in der letzen Silvesternacht die Herrschaft auf dem Platz übernommen hat, deutet auf eine etablierte Koexistenz von Räuber und Gendarm hin, so dass die Polizei plötzlich auf verlorenem Posten stand. Es wäre schön, wenn nun bald wieder die Polizei die Platzhoheit übernimmt. Dazu reicht es allerdings nicht, wenn man öffentliche Gelder zur Polizei verschiebt, wie es die gern interviewten Vertreter der Polizeigewerkschaften immer so gern fordern. Es ist vor allem erforderlich, polizeiliche Konzepte und Strategien zu entwickeln und einzusetzen, die den Polizisten wie den Banditen zeigt, dass die Arbeit der Polizei wirksam ist und Straftaten bis zur Klagereife aufgeklärt werden. Das ist viel Arbeit, weil das eben nicht um ein gänzlich neues Phänomen geht, man hatte lediglich über lange Zeit eine unangemessene Polizeiarbeit.

Zudem bleibt die Aufgabe, eine Infrastruktur für Menschen aus anderen Ländern dezentral zu etablieren, damit von Angesicht zu Angesicht die etablierten und importierten Kultur- und Normen-Systeme neu sortiert werden können. Bei einem Kulturwechsel ist es immer so: Die mitgebrachte Kultur und ihre Normen sind eine Bereicherung und die vorgefundene Kultur mit ihren Normen bestimmt maßgeblich den Alltag. Man benötigt also keine homogenen Nischen für Menschen aus anderen Kulturen, sondern Orte, um mit vielen anderen alles Lebenswerte auf den Prüfstand zu stellen und neu zu sortieren. Das machen wir am besten nicht am Bahnhof.

Frisch vom Markt

Der Markt ist ja seit altersher der Ort der Kommunikation und unverzichtbarer Bestandteil für öffentliche Kultur.
Am vergangenen Samstag war ich auf dem Markt zum einkaufen. Ich habe ja eigentlich immer eine Kamera dabei und nutze sie ständig. An diesem Tag hatte ich sie dummerweise vergessen.

Besonders bemerkenswert sind für mich zwei Episoden, die ich auch gern in Bildern dokumentiert hätte. Aber es geht auch so.
Episode 1:
Es gab einen Stand für Kulturkram. So stand es da. Er war begehbar, aber auch wuselig belagert. Man sah Stellwände mit Bildern und Texten und reichlich Kaffee und Kuchen, Tische und Stühle auf engstem Raum und das Angebot zum Gespräch.
Ein älteres Paar ging nur am Stand vorbei. Sie: „Was ist das denn da?“ Er: „Das ist bestimmt wieder was mit Asylbewerbern und Flüchtlingen. —- Die sollen bleiben, wo sie herkommen!“
Episode 2:
Am Rand des Marktes, aber exponiert, stand eine auffällig adrett gekämmte Frau, die dem Anschein nach das Berufsleben schon hinter sich hatte. Neben sich hatte sie eine aufgezogene Leinwand angelehnt. Solche Leinwände gibt es für den Hobbymaler in den großen Drogerieketten. Auf der Leinwand stand in großen Buchstaben: „Dies ist nicht mehr mein Land.“ Sie stand da gänzlich unbeachtet über lange Zeit.

Offenbar bereichert sich das Marktleben wieder um nonmaterielle Bestandteile, wie sie auf historischen Märkten üblich waren. Die größten griechischen Philosophen hatten ihre Auftritte gerade auch auf solchen Märkten und im Mittelalter sogar die Ärzte.
Offenbar gibt es aber heutzutage erhebliche Kommunikationsstörungen im Umgang mit solchen Innovationen am Markt.
Im ersten Erlebnis bedauert der unbeteiligte Beobachter, dass es nicht zu einem Gespräch gekommen ist. Es hätte ermöglicht, aus allen Wolken zu fallen.
Im zweiten Fall wundert sich der unbeteiligte Beobachter nur, dass sich niemand mit einer zweiten Leinwand spontan daneben gestellt hat: „Und warum bist du noch hier?“

Über Kinderarbeit in der Caremaschine

Es gibt ein Missverständnis.

Bisweilen wird die von Pädagogen konzeptionierte Arbeit mit und für Kinder als Kinderarbeit bezeichnet. Kinderarbeit ist aber auch die Ausbeutung von Kindern in Armut durch meist sehr schlecht entlohnte Erwerbsarbeit an der Grenze zur Zwangsarbeit.

In diesen Tagen stehen 330000 Sternsinger dazwischen.

Sie werden mit dem Jahresbeginn als die Heiligen drei Könige von Haustür zu Haustür geschickt, um Geld zu sammeln. Das Geld fließt in tausende von Projekten überall in der Welt. Dabei werden auch stets Projekte gegen die Kinderarbeit genannt. Das Geldsammeln wird als eine Tradition angeboten, die öffentlichkeitswirksam inszeniert wird. Diese Tradition geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Die Sternsinger besuchen medienwirksam die Bundeskanzlerin, Bürgermeister landauf und landab und Gott weiß noch wen.

Der glorifizierte Auftritt und der traditionelle Anspruch mindern die Bereitschaft, danach zu fragen, was die Sternsinger da wirklich tun.

Bei genauer Betrachtung ist das Sternsingen eine Kinderarbeit. Das Betteln folgt keinem pädagogischen Anspruch. Vielmehr werden die Kinder verpflichtet, in einem vorgegebenen und für sie undurchschaubaren Kontext für andere Geld zusammen. Gefragt, sagen sie das, was nahezu alle Kinder sagen, die illegal zur Arbeit herangezogen werden: Sie machen das – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – gern. Ihnen und ihrem Umfeld bleibt die biblische Geschichte zur Rechtfertigung und die gute Tat, weil das abgezogene Geld angeblich Bedürftigen zugute kommt. Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz gäbe es zwar die Möglichkeit, in speziellen Situationen und im Einzelfall die Kinderarbeit zu erlauben. Es gibt aber im dafür zuständigen Jugendamt bestimmt große Zweifel, dass eine solche Situation bei dem Sternsinger vorliegt. Zudem wird es wohl so sein, dass man nicht geneigt ist, eine jahrhundertealte Tradition für eine aktuelle Überprüfung anzubieten. Bisher ist nicht bekannt, dass das Jugendamt irgendwo eingebunden ist.

Der Weg zur Einordnung der guten Tat bleibt den sternsingenden  Kindern entwicklungsbedingt weitgehend verschlossen. Das Geld wird einfach nur zentral abgesaugt. In diesem Jahr sagt man, das Geld gehe vom Sternsingermissionswerk nach Bolivien. Es ist aber Jahr für Jahr das Gleiche. Das Geld wird an katholische Missionseinrichtungen in anderer katholischer Trägerschaft weltweit einfach nur weitergeleitet. Ein Land wird symbolisch in den Vordergrund gestellt. Die Geldströme werden also nicht punktuell dort hin geleitet. Es kann sein, dass im Land Bolivien beispielsweise der Träger einer katholischen Schule mit dem Geld unterstützt wird. Die staatliche Schule nebenan, geht dann bei aller Armut leer aus. Letztlich wird mit der Sternsingeraktion eine Einnahmequelle der katholischen Kirche gepflegt. Die Caremaschine läuft! Die Betriebskosten werden hoch gehalten (7,6% sagt man) und mit dem Rest des Geldes verankert sich die Katholische Kirche in fremden Lebenswelten. Das heißt aber auch, dass die Werbung am Ort des Projekts als Aufklärungsarbeit oder sonstwie ausgewiesen ist und rechnerisch nicht mehr in Erscheinung tritt.

Man kann bei diesen Abläufen geteilter Meinung sein. Dem arbeitenden Sternsingern ist das aber so wie so nicht zu vermitteln. Der Zweck ist für Kinder auch dann ungeeignet, wenn die Katholische Kirche daraus einen weltmissionarischen Sinn schöpft.

Nun ist es so, dass der eine oder andere Minister und der eine oder andere Bürger das aufdringliche Sternsingerwesen mißachten. Es ist nun nicht damit getan, sie als kinderfeindlich und traditionsignorant zu brandmarken. Hier und da wächst die Erkenntnis, dass Sternsingen jedenfalls eine nicht zu rechtfertigende Kinderarbeit ist.

Es gab einmal eine Tradition, dass Kinder armer Familien für sich selbst als Sternsinger agieren durften. Vielleicht sollten wir den Überbau crashen und uns darauf zurück besinnen. Das wäre auch den Sternsingern und anderen Kindern zu vermitteln.

Latte vernagelt

Um den richtigen Kaffee bestellen zu können, braucht man ja ein vom Anbieter geschultes Fachwissen, dass sich schon beim nächsten Anbieter als unverständlich erweist. Den Kaffeefachsprachen ist gemeinsam, dass die Substantive sehr häufig auf -latte, -chino und -chiato oder so ähnlich enden. Doch damit nicht genug, jetzt werden von Humorliebhabern, die nicht zwangsläufig Kaffeeliebhaber sein müssen, massenweise Kaffeenamen erfunden, denen noch gar kein Kaffee zugeordnet werden kann, etwa der  Claramel Schumachiato. Mein Beitrag könnte der Ihr-habt-se-nich-mehr-alle-auf-der-Latte sein. Aber das wäre zu provokativ …

Jetzt hast du bestimmt – als letzter in deiner Umgebung – so eine Maschine mit der Anmutung eines Profigeräts zu Weihnachten bekommen. Du bist also ebenfalls aufgefordert, als Kaffeedesigner Profil zu gewinnen und deinen Kreationen sinnfällige Namen zu geben. Ich bin gespannt darauf. Mit Verachtung betrachtet ihr die Omas und die Hipster, die mit historischen Filtertüten dem Kaffee das Finish zu geben versuchen. Aber nicht mehr lange!

Gotteshaus auf der Fußmatte?

Stell dir einmal vor, du könntest nach deinen Vorlieben die Angebote im Einzelhandel weltweit reduzieren. Das würde dir das Leben vereinfachen und du wüsstest plötzlich nicht mehr so recht, wo der gute und der schlechte Geschmack geblieben sind, nachdem du die Maßstäbe verschoben hast.

Stell dir weiterhin vor, deine Nachbarn und schließlich alle anderen Menschen auf der Welt könnten das dann auch. Dann gäbe es plötzlich wahrscheinlich nur noch ein paar unentbehrliche Gegenstände, die in ihrem Massengeschmack unansehnlich sind.

Jetzt gibt es einen Streit darüber, ob das Einrichtungshaus POCO – es arbeitet eher mit einem preiswerten Sortiment – eine Fußmatte namens Istanbul anbieten soll, die eine Moschee zeigt. Zahlreiche Menschen muslimischen Glaubens nähren nun eine Kampagne, die das Einrichtungshaus bewegen soll, diese Matte aus dem Sortiment zu nehmen.

Es ist von Skandal, Respektlosigkeit, Beleidigung und Islamophobie die Rede. Bei dem Anbieter liest man dies.

Im Internet kursierten Hinweise wie dieser:Poco

Das erinnert etwas an eine Kampagne gegen die Drogeriekette DM. Jetzt ist also POCO dran, und die Kampagnen ähneln sich sehr.

Mir gefällt diese Fußmatte auf keinen Fall. Aber das steht  auch nicht zur Debatte. Es geht um grundlegende Freiheitsrechte. Die beinhalten selbstverständlich auch das Recht zur Geschmacklosigkeit. Alle Religionen müssen damit leben, dass sie zum Gegenstand von Kritik, ironischer Überhöhung und jeder Form von Gegenrede gemacht werden. Bei der Fußmatte „Istanbul“, die eine Moschee zeigt – und diese Matten sind überall im Angebote – geht es aber noch nicht einmal darum. Da hat lediglich jemand gemeint, eine Marktlücke gefunden zu haben. Blasphemie erkenne ich nicht im Ansatz.

Und dennoch wird in den Sozialen Netzen eine Kampagne los getreten, in der eher aufgeklärte Moslems als Scheißdreck oder Hure tituliert werden und ihnen der baldige Tod vorausgesagt wird. Die Firma POCO gewährleistet verständlicherweise kein Forum für Störenfriede. Deshalb findet die Kampagne an anderen Stellen statt. Respekt vor dem Grundgesetz kommt darin nicht vor. Allerdings verbreitet sich ein Angst vor Allah. Den seltenen christlichen Mitdiskutanten wird vorgeschlagen, sich doch einstweilig sexuell den widersprechenden Moslems zuzuwenden.

Es herrschen also ganz in unserer Nähe eine üble Geschmacklosigkeit und eine Intoleranz, die selbst vor den Grundrechten respektlos ist und abseits der großen Themen unserer Welt Streitereien vom Zaun bricht – für was eigentlich?


Ein kleiner Nachtrag im November 2017:

„Was würdest du denn tun, wenn jemand auf einer Fußmatte eine christliche Kirche zeigt?“ ist eine Frage, die ich in dem Zusammenhang immer wieder höre.

Ich habe dann letztens in einen Hausflur eine wohl intensiv genutzte Fußmatte mit der Silhouette des Kölner Doms gesehen.

Und ich muss sagen: Mich hat das in keiner Weise emotional berührt. Und gewiss wird der Gott aller Christen eher Freude an der Fußmatte haben als dass er danach trachtet, mit strafender Absicht den Besitzer der Matte ausfindig zu machen.

Brutale Bakterien besiedeln besonders buschige Bärte

 

So eine Besiedlung war ja nach der Kaiserzeit gar nicht möglich, weil jede Individualität arschglatt weggestutzt wurde. Erst in den späten 60ern wurde die Befreiung eines jeden Haares auch zur Anarchie der Bärte und Haupthaare und so weiter genutzt. Mit der kommerziellen Einnordung abweichenden Verhaltens kurz darauf, wurde das Haar an sich als Störenfried jeder Intimität ausgemacht und aus dem Erscheinungsbild gezupft oder wenigstens strähnenweise gezähmt.
Die Hipster kultivieren gerade neuerdings das Leben am Beispiel des urbanen Baumfällers mit üppigem Bartkleid. Selbst den Damenbart zieht es in die Öffentlichkeit. Schließlich könnten 34% aller Frauen genetisch locker mithalten. Das jüngst angebotene Weihnachtsglitzerzeug für den Bart deutet bereits eine ideologische Fremdbesiedlung aller Bärte an. Es ist also kein Wunder, wenn jetzt plötzlich jemand Fäkalbakterien als Standardbesiedlung der Bärte entdeckt haben will. Die Presse berichtete darüber. Dem Nikolaus hängt der Bart ja bisweilen in der Kloschüssel. Ich habe es selbst erlebt, Irgendwie ist ja immer schon Leben im Bart. Die Deutung der Welt und die Bedeutung ihrer Erscheinungen gehen unergründliche Wege.
Ich küsse euch!

stigma

Frohes Fest!