Das Fanwesen trägt dazu bei, die Vereine reich zu machen. Es hat sich vor allem im Fußball über die Jahrzehnte immer mehr mit Gewalttätigkeit angereichert und geht vielfach auch Verbindungen mit rechtsradikalen Strömungen ein. Beachtet wird diese unheilige Allianz erst dann, wenn es unübersehbare Exzesse gibt. Die Fans sind bisweilen schlimm, das begünstigende Umfeld aber wohl noch etwas schlimmer.
Die UEFA, der Dachverband des europäischen Fußballspiels, gibt anlässlich der gerade ausgespielten Europameisterschaft, Schützenhilfe: Unter seiner Regie werden alle Filmaufnahmen in den Stadien aufgenommen und für den Gebrauch aller Fernsehanstalten zurecht geschnitten. Zumindest ARD und ZDF sehen darin eine Zensur, die eine sachgerechte Berichterstattung unmöglich macht. Es hat den Anschein, dass es nackte Flitzer, Pyromanen, Räuchermännchen, Werfer von Gegenständen und Großangriffe auf vermeintlich gegnerische Fans nicht gibt. Doch das ist falsch. Auch alle was fies ist, muss der Mensch sehen dürfen, um sich ein Bild zu machen. Alles schön zu reden bleibt der Phantasie des einzelnen überlassen – wenn er das will.
Neopatriotismus
Der aktuell beliebte blinde Patriotismus nach Art der Türkei bringt eine endlose Vervielfältigung eines rigide und dümmlich konstruierten Begründungszusammenhangs hervor, nach dem „die Deutschen“ „die Türken“ beleidigen und so weiter. Ich weigere mich mittlerweile, zu diesem Thema zuzuhören oder zu lesen. Damit jeder weiß, was ich meine, habe ich eine Kostprobe angefügt. Die Wiederholung aus allen Rohren ohne Rücksicht auf alle Gegenreden sorgt ja nicht dafür, dass die Grundaussage richtiger oder besser wird. Sie sorgen lediglich dafür, dass mir die Protagonisten von Tag zu Tag suspekter werden. Eine Diskursbereitschaft kann ich in dieser Gemeinschaft der vorgeschobenen Klone nicht erkennen.
Lassen wir doch einmal alle ausgegrenzten Menschen in der Türkei und anderswo zur Sprache kommen, damit Vielfalt, Schönheit und Ideen wieder blühen können.
Einstweilen stecke ich zum Selbstschutz den einen oder anderen in meine digitale Quarantäne – bis ich Töne der Verständigung höre.
Zuerst war der Mensch
Zuerst war der Mensch und dann kam der Staat. So ein Staat, wenn er erst einmal begründet ist, zeigt die Tendenz, den Spieß umzudrehen und dem Menschen Vorschriften zu machen. Bert Brecht wies deshalb bereits 1953 darauf hin, dass die Regierung ja ein Volk wählen könne, das ihr genehm ist.
"Nach dem Aufstand des 17. Juni Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands In der Stalinallee Flugblätter verteilen Auf denen zu lesen war, daß das Volk Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe Und es nur durch verdoppelte Arbeit Zurückerobern könne. Wäre es da Nicht doch einfacher, die Regierung Löste das Volk auf und Wählte ein anderes?" in: Bert Brecht, Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Dritter Band: Gedichte 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997. S. 404
Aktuell gibt es zwei Diskussionsstränge in der Öffentlichkeit, die das Verhältnis des Menschen und des Staates thematisieren, die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen und die Diskussion um das in Gesetze implementierte „Fördern und Fordern“ von Hilfebedürftigen.
1 Das bedingungslose Grundeinkommen
Es geht vielerorts um ein bedingungsloses Grundeinkommen. In der Schweiz gab es dazu gerade eine Volksabstimmung. Das hat zunächst für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die Idee hört sich einfach an, schafft allerdings bei der Verwirklichung eine neue Gesellschaftsordnung, die den Vorrang des Individuums vor dem Staat betont. Die Kritiker kommen dem entsprechend eher aus der Welt der Garanten des gesellschaftlichen status quo, den Parteien, der Industrie und auch der Gewerkschaften, die sich auf einen rituellen Interessenausgleich mit phantasievollen Rechtfertigungsressourcen für Armut und Reichtum geeinigt haben. Gefragt, warum sie dagegen sind, hört man meist, das Individuum würde sich bei einem garantierten Grundeinkommen unmittelbar zur Ruhe setzen wird. Dabei deutet nichts darauf hin, dass es so sein wird. Es schimmert aber unübersehbar durch, dass die Gegner dem Individuum immer nur alles Schlechte zutrauen und den Staat benutzen, es zum Glück bestehender Besitzstände zu zwingen und ihm zu vermitteln, dass es sein eigenes Glück ist. Aus Feldexperimenten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wissen wir dagegen, dass die Nutznießer meistens gern arbeiten und das auch noch mehr als je zuvor und sich in der Arbeit mit guten und kontroversen Ideen einbringen und zu einer hervorragenden Produktivität beitragen. Sie gewinnen nämlich eine neue Freiheit und damit neue Möglichkeiten, neue Erfahrungen und neue Zuversichten.
2 Das Fördern und Fordern
Das unsägliche Reden von „Fördern und Fordern“ gehört unmittelbar in diesen Zusammenhang. Es hat seinen Ursprung in der hartzgesteuerten sozialdemokratischen Sozialpolitik in der Kanzlerzeit Schröders und zieht sich quer durch alle damals neu verabschiedeten Sozialgesetzbücher. Es war zuvor bereits ein Kernelement der Personalpolitik in Firmen. Der Herr Hartz ist ein mittlerweile rechtskräftig verurteilter Verbrecher aus dem VW-Konzern. Von ihm wurde dieses Spiel aus ähnlichen Wörter in die Politik geschleust, das dann nachdrücklich noch einmal mit dem ständigen Wechsel der Worte, also „Fordern und Fördern“ und so weiter, vorgetragen wird. Seit dieser Ära Schröder zeigen eigentlich die Erfahrungen, die von allen Wohlfahrts- und Sozialverbänden auch so bestätigt werden, dass der als Fordern titulierte Anteil einer Hilfe die Ausgestaltung der Vermutung öffnet, dass der einzelne sich lediglich ohne Gegenleistung beim Staat bedienen will. Nach aller Erfahrung ist das aber nicht so. Der Einzelne will durchaus aktiv und autark sein Leben gestalten, vorausgesetzt er hat gelernt, das dann auch zu tun. Trifft er dann im Behördenkontext auf das Druckmittel Fordern, wird er nicht nur als Faulpelz gebrandmarkt, er wird auch systematisch mit Forderungen, deren es gar nicht bedarf, weil er selbst weiß, was zu tun ist, oder die ihn überfordern, weil sie meist im Pauschalverfahren ohne Ansehen der Person eingesetzt werden. Anstelle des Forderns muss also ein Fördern stehen, das individuell bei den Talenten des Einzelnen ansetzt und zur Grundlage hat, dass die materiellen Ressourcen zur Gewährleistung von Grundbedürfnissen nicht angetastet werden. Was die Bezieher des Arbeitslosengeldes I und II zum abgehängten Proletariat gemacht hat, liefert nun den Rahmen für die Flüchtlinge in Deutschland. Ihre Eigeninitiative wird jäh gestoppt, wenn sie in einem oft gänzlich unbekannten kulturellen Kontext erst einmal mit Erwartungen und unverständlichen Pflichten eingedeckt werden. Die moderierenden ehrenamtlichen Helfer haben derzeit alle Hände voll zu tun, den unerklärlichen Behördenanspruch interkulturell zu vermitteln und kaum eine Chance, den Involvierten Behörden und dem Gesetzgeber zu vermitteln, was der Staat wirklich zu tun hat. Er hat zu fördern. Sonst hat er nichts zu tun. Wenn sich Förderungen als wirkungslos erweisen, dann würden sie sich als ungeeignet erweisen und müssen durch angemessenere ersetzt werden. Mit Forderungen wird die Sache nur noch schlimmer. So zeigen die weböffentlichen Texte umständlicher Behörden ein Potpourri von Rechten und Pflichten, während der Hilfebedürftigen weder an das eine noch an das andere denken mag und sich über jede Form von Zuwendung freut.
3 Das Ergebnis
Das Grundübel bleibt eben, dass der Mensch an sich gut ist und die älteren und grundlegenderen Rechte hat als der Staat, der allerdings sehr schnell den Spieß umdreht und sich den Bürger gefügig macht, wie der Arbeitgeber den Mitarbeiter. Das gilt es zu verhindern.
Links zum Thema:
http://www.grundeinkommen.de
http://de.m.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen
http://www.mein-grundeinkommen.de
Löwenzahn zum 15. Geburtstag am 2. Juni 2016
Ich habe aus gegebenem Anlass ein Grußwort an einen freien Träger der Sozialarbeit geschrieben. Es spiegelt einen Zeitgeist, der von diesem und anderen Trägern doch höchst unterschiedlich interpretiert wird. Letztlich habe ich einen Maßstab formuliert, an denen man grundsätzlich die Träger der Sozialarbeit messen kann.
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich den Text hier allgemein verfügbar mache. Über den ausgewählten Träger gibt es sicherlich noch mehr zu sagen: Löwenzahn – Betreutes Wohnen.
Wo du hinguckst: Löwenzahn!
Da wird es schwer, als echter Löwenzahn die Zivilisationsversiegelungen zu durchbrechen und Beachtung zu finden.
Als ich die Anfänge dieses Löwenzahns hier erlebt habe, war der leise Putsch der Betriebswirte gegen die Sozialarbeit gerade abgeschlossen.
Die soziale Planung und Verwaltung als bewährte Methode der Sozialarbeit wurde durch Nichtbeachtung schnell entsorgt und auch von den Sozialarbeitern nicht in Sicherheit gebracht. Stattdessen wurde der Klient zum Kunden und eine Hilfe wurde zum Produkt. Mit der geänderten Sprache wurde Sozialarbeit zur Technologie, die sich vorrangig in festgelegten Workflows abarbeitet und sich an Benchmarks orientiert und den überregionalen Vergleich nutzt, betriebswirtschaftlich sparsam zu sein – trotz deutlicher Absenkung des Preis-Leistungs-Niveaus.
Alle Anbieter auf dem Markt der Hilfen haben dann auch Profile abgeliefert, die wie voneinander abgeschrieben wirkten, weil in ihnen das verarbeitet wurde, was erwünscht war. Manche sind damit sogar zertifiziert wie die Fischereiprodukte im Supermarkt und legen es nahe, ohne weitere Prüfung eine gute und nachhaltige Qualität zu unterstellen.
Wer zu dieser Zeit tagtäglich eine neue Hilfe erfinden wollte, weil ja jede Problemlage wie jeder Mensch einzigartig ist, der stand allerdings nicht auf verlorenem Posten. Es gab Träger, die ihre Standardmodule zwar ausgewiesen haben – wie es nun alle machen – aber offen waren, sich auf neue Fälle einzulassen, die nicht ins Raster passen. Es waren eher wenige Träger. Löwenzahn – Betreutes Wohnen – war von vornherein dazu bereit. Das ist hervorzuheben. Im Gespräch gelang es stets, die Module bis in die kleinsten Details zu zerlegen und falldienlich wieder zusammenzubauen und anzureichern. Schließlich wurden Hilfen erfunden, die wirksam waren, weil sie maßgeschneidert waren und flexibel wie verantwortlich gehandhabt wurden.
Es ist klar, dass man Träger bevorzugt, die im Hilfeplan agieren und nicht beispielsweise das therapeutische Voltigieren als Zusatzleistung anbieten, weil eine Mitarbeiterin ein Pferd besitzt. Landauf, landab ist es allerdings kein anerkanntes Kriterium, dass man Träger bevorzugt, die man aus der Erfahrung bevorzugen müsste. Ich kenne einige ausgesucht gute Träger mit denen mich dauerhaft etwas verbindet. Löwenzahn gehört fest dazu und hat es für meine Ansprüche in den letzten 15 Jahren sehr gut gemacht.
Für die nächsten 15 Jahren bleibe ich zuversichtlich und wünsche euch auch darüber hinaus Beständigkeit in Vielfalt, Schönheit und Mut zum abweichenden Verhalten und damit zur Innovation – denn Veränderungen gibt es nicht im Mainstream.
Euer
Norbert Ortmann
Zur Unsterblichkeit der politischen Parteien
An so einer Partei hängen Heimatgefühle und Herzblut, manchmal sogar Familientraditionen. Es ist für den Einzelnen kaum auszudenken, dass gerade seine Partei zwecklos geworden ist.
Dabei leben Parteien so, dass sie zunächst einem drängenden Anliegen in der Gesellschaft folgen und damit ihren Zuspruch erfahren. Nun gibt es Anliegen, bei denen es schon eine Weile dauert, bis man sie zum besten gewendet hat. Für diese Zeit beansprucht so eine Partei dann auch den Zuspruch. Danach gäbe es eigentlich keinen besonderen Grund, eine Partei fortzuführen, zumal ihr mit der Erreichung des Ziels auch der Zuspruch abhanden kommt.
Es gibt mehrere Lösungen für dieses Problem, obwohl man vernünftigerweise raten würde, die Partei aufzulösen. Irgendwann bei Bedarf könnte man ja eine neue gründen. Beliebter sind aber andere Lösungen. Man kann so tun, als sei das Ziel noch nicht oder unzureichend erreicht oder man müsse jetzt das erreichte Ziel noch irgendwie für die Dauer festigen. Am beliebtesten ist es aber, der Partei ihren Zweck ganz wegzunehmen und sie zur überdauernden Institution zu erklären, die ihren Zweck also in der eigenen Existenz hat. So eine Partei hat von der Konstruktion her einen Ewigkeitswert, wie ihn auch Religionsgemeinschaften beanspruchen. Man sagt dann parteiintern gern, dass die gesellschaftlichen Errungenschaften ihre Ursachen und ihre Zukunft ausschließlich in dieser Partei haben. Die Partei bildet übermäßig irgendwelche Symbole aus, die sie unverwechselbar machen und kümmern sich mit ihrem spezifischen Geist um nahezu alle gesellschaftlichen Aufgaben. Solche Parteien sind dann auch die Erfinder der Volkspartei, die intern eine Plattform anbieten, Interessengegensätze ausgleicht und im Ergebnis niemanden davon ausschließt, genau diese Partei zu wählen. Die Wechselfälle des Lebens und der Politik spülen immer neue Themen in die Partei, die stets kompetent auftritt.
Das Problem ist allerdings, dass Parteien auf den Weg in die Unsterblichkeit des Institutionellen abgleiten und die Bewältigung konkreter Politiklagen gern auf die lange Bank der Willensbildung verschieben.
Der Bürger will allerdings keinen politischen Fossilzoo, sondern schnelles und wirksames Handeln mit einem transparenten und guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Die Verdinglichung der Parteien zu Marken führt langsam aber direkt zur Ablehnung durch den Bürger, insbesondere wenn er merkt, dass die Verfassungsversprechen Wohlstand, Gesundheit, Gerechtigkeit und Kalkulierbarkeit in der herrschenden politischen Kultur nur noch rhetorisch vorkommen.
Die Parteienlandschaft wird sich wohl oder übel auf Parteien einlassen müssen, die in alter Tradition etwas ganz bestimmtes erreichen wollen, aber auch nicht mehr. Sie sollten ihre Zeit bekommen.
Die unbeweglichen Volksparteien werden an Bedeutung verlieren. Wenn sie es erkennen, lösen sie sich vernünftigerweise sofort auf. Sie wären ein gutes Beispiel für Verbände, wie zum Beispiel im Sport, die, weil sie nicht sterben wollen, die Fehlentwicklungen ihres Managements bis hin zur Korruption bis in alle Zukunft verschleppen.
Die SPD, als überdauernde Partei der Arbeiterklasse, überzeugt beispielsweise den Arbeiter, sofern es ihn überhaupt noch gibt, nicht mehr wirklich. Das Geschäftsmodell ist aus der Zeit gefallen. Es ist höchste Zeit, sich ohne Wehmut als Partei aufzugeben, bevor der Wähler ganz undankbar das Kommando für andere freigibt, ohne dass das ein Ende der Politik bedeutet. Die SPD wäre ein Vorbild für einige andere Parteien.
Der immerwährende Aufstieg und den kurzen tödlichen Kollaps der Democrazia Cristiana 1993 in Italien zeigt beispielhaft, wie es im Extremfall gehen kann.
Im Namen der Pflanze
Jeder soll ja Essen, was er will.
Gleichgültig ist dabei, ob er im Extremfall damit zur Höchstform aufläuft oder stirbt. Schlimm wird es erst, wenn spärliche empirische Befunde zur Weltanschauung verdichtet werden und zunächst unbeteiligte Menschen ansprechen und mitreißen.

Im Veganressort hat sich bedauernswert viel zur Weltanschauung dieser Art verdichtet. Man zitiert als Ideologiebasis immer wieder Belege für scheinbar segensreiche Wirkzusammenhänge, die dann allerdings höchst fragwürdig und widerlegt sind. Der Sinn kritischer Forschung, nämlich widerlegende Argumente zu sammeln, wird systematisch ausgespart. Man sagt in eingeweihten Kreisen auch nicht, dass man in dem, was man isst, auf spezifische Art wählerisch ist, sondern man sagt, dass man Veganer ist und markiert damit einen selbst gemachten Status. Man spricht sogar Nahrungsmitteln, die selbst mit der Weltanschauung nichts zu tun haben, die Eigenschaft zu, vegan zu sein. Dabei gibt es beispielsweise eine vegane Möhre überhaupt nicht, denn sie ist sich selbst genug, also eben ausschließlich eine Möhre, wenn sie für jedermann verständlich bezeichnet werden soll. Selbst Restaurants teilen bisweilen dieses Label vegan. Alle Welt lässt sich in diesem Denksystem schließlich zuordnen, vegan oder eben nicht. Die Funktion dieser Vereinnahmung in der Sprache entspricht der, die es auch in Religionen gibt. Das Judentum kennt beispielsweise koscher und der Islam kennt halal, kurz: erlaubt!
Wenn nun eine selbstgetrimmte Veganerin kurz vor dem Gipfel des höchsten Berges der Welt stirbt, obwohl sie nur belegen wollte, dass der Veganer unsterblich viel kann – die Presse berichtet darüber -, dann ist das bedauerlich und es ist auch kaum der Rede wert, wenn man bedenkt, dass jährlich sehr viele Menschen an den hohen Bergen dieser Welt sterben.
Wenn nun in den sozialen Netzen die tote Veganerin posthum verlacht wird, dann ist das nicht zu rechtfertigen. Das Problem ist aber nicht, dass es möglicherweise um eine verblendete Veganerin geht oder um entgrenzt plappernde Menschen in sozialen Netzen. Es geht nämlich darum, dass eine Veganideologie gegen besseres Wissen tragische Erscheinungen auslöst, die ohnedies nicht denkbar wäre.
Radikal fiktional
Jeder, der eine Fernsehfilm oder Spielfilm anguckt, begibt sich in fiktionale Zusammenhänge, in denen etwas gilt, das abseits der Wirklichkeit ist. Diese Erkenntnis ist banal. Dass sie es ausschließt, die Wirklichkeit an der Fiktion zu messen, ist neuerdings aber nicht mehr selbstverständlich. Jeder Experte, dem sein Spezialgebiet im Film vorgeführt wird, könnte zahlreiche Belehrungen als Kommentar anführen, Polizisten und Ärzte wohl tagtäglich. Sie tun es aber nicht, um nicht andere mit der Wirklichkeit zu langweilen, und lassen sich auf die Fiktion ein. Es sind auch meist die besseren Filme, in denen beispielsweise der Kommissar weitab der Wirklichkeit einen Individualstil praktiziert, der die Aufklärungsquote bei 100% hält und nebenbei oft auch noch eine erotische Beziehung mit einer Mitarbeiterin pflegt.
Um so erstaunlicher ist es, dass der Spiegel einen „Tatort“-Faktencheck vorgibt zu machen. Es ist ein sinnloses Unterfangen und verknüpft nur Wirklichkeit und Fiktion mit dem Effekt, dass wir die Fiktion zur Grundlage unserer Realitätsprüfung zulassen. Das Prinzip der Realitysoap wird unaufhörlich universell. Es ist ja bekannt, dass der Oberinspektor Derrick, den man aus dem Fernsehen kennt, unter seinem eigentlichen Namen weitgehend unbekannt geblieben ist. Demnächst werde ich Prinzessin Lillifee heiraten.
Verkehrsgerecht
Wenn es um den Straßenverkehr geht, beraubt uns die Idee vom ewigen Stau von allen Notwendigkeiten, den Verkehr zu regeln. Denn wo kein Fortkommen ist, ist auch streng genommen kein Verkehr, der geregelt werden könnte. Mit dem Verkehr sind wir also vor allem dann befasst, wenn der Stau kurz bevorsteht. Es gibt unübersehbar viele Fahrzeuge auf Straßen und Brücken, die ständig überfordert werden. Dabei hat das ganze Verkehrschaos damit angefangen, dass der Fußgänger seinen angeborenen Vorrang verloren hat, in dem Rücksichtnahme auf Schwache und Hilfsbedürftige direkt eingebaut ist. Bürgersteige und Fußgängerzonen sind die Versuche, den Fußgänger als lästigen Verkehrsteilnehmer abzuschieben und ihm gleichzeitig zu sagen, dass es nur zu seinem besten ist. Nach und nach ist der Radfahrer an die Stelle des Fußgängers getreten. Das ist ein weitaus größeres Problem, weil man dem Radfahrer augenscheinlich nicht so einfach mit einer Spielwiese vom Verkehr ausschließen kann, obwohl ja das motorisierte Fahrzeug bis zum nächsten Stau vom Radfahrer nur eingebremst und belästigt wird. Nur in kleinen Nischen wird das Radfahren mit seinem wirtschaftlichen Mobilitätsradius als große Innovation gesehen. Dass Autohersteller zum Teil exklusive Fahrräder als Zusatzausstattung ihrer Autos anbieten führt eine Friedfertigkeit vor, die es nicht gibt. Der Radfahrer folgt dem Fußgänger widerwillig in eine eigene Nische und gerät dort dann wieder an den Fußgänger, der ihm trotz älterer Rechte meistens unterlegen ist. Es entwickelt sich ein Kampf. Der Radfahrer nutzt Gehwege mittlerweile wie selbstverständlich, auch ohne an jeder Haustür anzuhalten, um die Kollision mit denen zu vermeiden, die gerade das Haus verlassen. Sie umfahren ampelbewehrte Kreuzungen gern auch mit einem energischen Wechsel auf den linksseitigen Bürgersteig und reklamieren oft eine Vorfahrt, weil sie eben Radfahrer sind. Die Ordnungsbehörden und die Polizei haben es mittlerweile aufgegeben Verkehrsverstöße von Radfahrern zu ahnden und die Begegnungen von Radfahrern mit anderen Verkehrsteilnehmern irgendwie zu ordnen.
Offenbar leidet das gesamte Verkehrssystem daran, dass die Orientierungsnorm Autobahn für die Begegnung mobiler Menschen ungeeignet ist. Der Radfahrer macht das offenbar pragmatisch Sinnvolle und bastelt sich seine eigene egoistisch überhöhte Norm und Rechtfertigung. Am besten lässt sich das Städten mit einem hohen Anteil radfahrender Hochschulangehöriger beobachten. Ich kann sie verstehen. Dem Fußgänger kann das aber trotzdem nicht recht sein, weil er ja weitgehend unbeschadet sein Ziel erreichen will.
Offenbar ist es erforderlich, das Verkehrssystem so lange mit Ordnungswidrigkeiten und deren Ahndung, Widersprüchen und Klagen zu überfordern, bis die Infrastruktur an der Priorität des Fußgängers ausgerichtet ist und die Verkehrsregeln daran angepasst werden. Letztens habe ich vorbeugend „Buhh“ gerufen, als ich durch das Haus verließ. Und tatsächlich steuerte ein Radfahrer unvorbereitet auf ein parkendes Auto, das ihn vor dem Straßenverkehr auf der für ihn falschen Straßenseite rettete.
Das TTIP und die Öffentlichkeit

Es ist ein Freihandelsabkommen namens TTIP zwischen den USA und der EU geplant.
Die Kritik daran kann ich bis zum heutigen Tag nicht nachvollziehen, weil man nicht kritisieren kann, was es noch gar nicht gibt. In den aktuellen Entwürfen stehen die meist unvereinbaren Positionen der Verhandlungspartner nebeneinander. Das habe ich aus so erwartet. Dass beide Verhandlungspartner ihre Interessen durchsetzen wollen, das ist immer so und nicht besonders erwähnenswert. Die Verhandlungspapiere machen aber auch deutlich, was der eine oder andere nicht will. Was dabei heraus kommen wird, wissen im Moment nur die Götter.
Wenn man denn nun berichten will, bietet sich als Ausgangspunkt ein Szenario an, in dem es Gewinner und Verlierer gibt und die Befürchtung besteht, dass die Anderen sich – wieder einmal – durchsetzen werden. Und weil man den Händlern für die eigene Position nicht die Absicht unterstellen will, dass sie gern verlieren, schwimmen in Gedanken ganze Armeen von Lobbyisten mit, die nicht anderes wollen als reich zu werdend andere übers Ohr zu hauen.
Die Verhandlungen bekommen auch einen ganz und gar mysteriöse Einschlag, weil die Verhandlungen äußerst geheim sind. [Und die Rechtschreibkorrekter beharrt darauf, dass geheim „gemein“ geschrieben wird.]
Wenn wir darüber sprechen, ob und wann wir heiraten, dann machen wir das auch hinter verschlossenen Türen. Einen Roman schreibe ich auch erst einmal für mich allein und ich wäre schlecht beraten, meine Übungen für ein alternativlos geniales Kleinkunstprogramm rücksichtslos in der Öffentlichkeit zu veranstalten.
Wenn ein Freihandelsabkommen ansteht, bei dem man sich den Handel miteinander wechselseitig erleichtert, dann ist erst einmal nichts dagegen einzuwenden. Das hat es zum Wohl aller Beteiligten schon sehr oft gegeben.
Allerdings muss das Ergebnis des ganzen Prozederes der öffentlichen Stellungnahme und der parlamentarischen Zustimmung zugeführt werden. Es besteht Grund zur Annahme, dass das Ergebnis irgendwann so verhandelt worden ist, das es dem Wohl des Volkes usw. entspricht. Wenn das nicht so ist, wird der Auftrag sinnvoll sein, das Ergebnis in weiteren Verhandlungen zu verbessern.
Ich hielte es beispielsweise für höchst verfehlt, wenn – wie es derzeit diskutiert wird – private Schiedsgerichte vermeintliche Verletzungen des Abkommens mit hohen Geldstrafen und ohne demokratische Zuständigkeit bereinigen und mit die Institutionen ausgeschaltet würden, die unter demokratischen Verhältnissen für Recht und Gesetz zuständig sind. Aber noch steht so etwas ja nicht zur öffentlichen Debatte, nur weil die Gegenseite es so in die Verhandlungspapiere geschrieben hat.
Die Veröffentlichung der Verhandlungspapiere durch Greenpeace bringt in der Sache nichts Unerwartetes, zeigt aber doch, dass so manch einer das kurz bevorstehende Ende der Verhandlungen gewünscht oder befürchtet hat, obwohl es noch gar nicht abzusehen ist.
Offenbar sind etliche NGOs – also die weltweit operierenden Organisationen außerhalb der traditionellen internationalen Politik – gerade damit befasst, zur eigenen Beachtung und Wertschätzung das fies zurecht gemachte TTIP durch die Medien zu treiben. Dagegen hilft offenbar nur Gelassenheit und eine öffentliche Diskussion, wenn es etwas zu diskutieren gibt. Jetzt gilt es, den Vertretern im EU-Parlament und Länderparlamenten zu vertrauen und demnächst besser zu wählen, wenn sie das Vertrauen nicht rechtfertigen. Ihnen im Vorfeld die schlechteste aller möglichen Ergebnisse zuzutrauen, weil sie wahrscheinlich einknicken, ist nichts als eine Variante des Wutbürgertums, in dem jeder Akteur tausendmal besser zu agieren glaubt, als die Volksvertreter, die er im Zweifelsfall nicht gewählt haben will.
Über das Ende des 500ers

Stell dir vor, du bist in der Lösegeld- und Erpressungsbranche tätig. Bisher reicht dir so ein unauffälliger Managerkoffer, um das Geld für dich in einem Versteck abzulegen. Wenn nun der 500er abgeschafft ist, wie es die europäische Zentralbank (EZB) entschieden hat, brauchst du so einen fetten Trolley mit Rädern. Das kannst du aber vergessen. Das Risiko mit so einem Unding ist zu groß. Es bleibt dir nur, die Übergangsfrist zu nutzen, um andere Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Die EZB will aber ausdrücklich den illegalen Branchen Probleme bereiten. Ich glaube allerdings nicht daran, dass einem Schwarzarbeiter gestückelte 500 € weniger lieb sind als ein einzelner Schein. Die Geldwäscher arbeiten ohnehin bereits vollständig bargeldlos.
Es bleibt nur der Verdacht, dass die EZB eine Einstieg sucht, das Bargeld scheibchenweise ganz abzuschaffen. Wenn das Bargeld eines Tages ganz weg sein wird, werden wir über kontrollierte Datenströme so sehr kalkulierbar, dass alle Welt weiß, was gut für uns ist, ohne uns zu fragen. Unsere Autonomie wäre dann nicht mehr erforderlich und deshalb auch nicht erwünscht. Dass wir herrlich dummes Zeug machen, wäre dann also auch schon bald nicht mehr vorgesehen. Okay, eine Lösegelderpressung muss es ja auch nicht unbedingt sein, wenn wir unsere Autonomie präsentieren wollen. Aber wirtschaftsrationale Lebenswelten sind doch zu sehr verarmt, um die notwendigen Innovationen leben zu können, die Freude machen und für die gesellschaftliche Entwicklung unverzichtbar sind.
Ich kann mich gar nicht erinnern, jemals einen 500er gehabt zu haben. Ich bin aber entscheiden dafür, dass er mir als Möglichkeit erhalten bleibt. Noch besser als das Geld wären auf alle Fälle der Warentausch und die Selbstversorgung. Wahrscheinlich wird es als unplanmäßige Auffälligkeit registriert, wenn wir Bohnen, Möhren und Zwiebeln im Garten anbauen und der Erwartung ausweichen, sie in auch noch an andere Menschen weitergeben anstatt sie erwartungsgemäß im Supermarkt zu kaufen. Irgendwie ist es wertvoll atypisch zu sein. Und dann steht an der Tankstelle ein Schild, dass sie aus Sicherheitsgründen keine 500er annehmen. Wenn mir irgendwann einer zufliegt, dann tanke ich eben woanders.

