Ist die Milch zu billig?

Milch ist im Jahr 2016 preiswert wie nie zuvor.

Abseits aller Gründe will der schlaue Bauer plötzlich mehr Geld für seine Milch haben. Tierfreunde meinen gar, danach ginge es vor allem der Kuh besser. Das hat der Bauer aber nicht verdient und seine Kuh bleibt auf jeden Fall auf der Strecke.

Einfach nur so mehr Geld für die Milch zu zahlen, würde das Geld in der Wertschöpfungskette versickern lassen. Selbst wenn die Kuh mehr Geld erstritte, würde sie keine Freiheit von den Melkanlage erkaufen können. Je teurer die Milch, um so höher der Gewinn und um so höher der Wert der Kuh als Wirtschaftsgut.

Der Kuh würde auf Dauer die Einsicht der Konsumenten helfen, dass die Milch gar nicht so sehr gesund ist, wie sie angeboten wird. Die einzelne Kuh hätte aber auch davon nichts.

Die Kuh leidet unter ihrem Besitzer, der für seinen Lebensunterhalt, ohne Rücksicht auf die Nachfrage, auf Deuwelkommraus melkt, anstatt sich einen besseren Beruf zu suchen.

mil

Das gilt vor allem im Jahr 2016.
Mal sehen, wie es weiter geht. Wird der Landwirtschaftsminister die bäuerliche Landwirtschaft retten? Werden die Lebensmittelkonzerne durch kleine Preiskorrekturen ihre Billiglieferanten vor dem Bankrott retten? Werden die Bauern auf Hanf umsteigen oder die Wettflügmeisterschaften ausrichten und damit ein großes Publikum begeistern?

Und Sonntags zum Shoppen in die City …

Das für das sogenannte Shopping insgesamt verfügbare Geld ist endlich. Man gibt also insgesamt nicht mehr Geld aus, wenn man die verkaufsoffenen Sonntage nutzt.
Zusätzliche Öffnungszeiten bewirken zunächst, dass das Geld woanders abgezogen wird und in die Innenstädte wandert, die diese Sonntage zum kostspieligen Erlebnis ausgestalten. Der Verbraucher hat dort an Sonntagen meist nicht die Freude, entspannter zu shoppen.
Insgesamt haben wir wahrscheinlich mehr von geruhsamen Sonntagen, ohne dass der Einzelhandel dadurch einen Nachteil hat. Lediglich Geschäfte in Citylagen würden den dezentralen Läden des Alltags ein wenig an Umsatz nehmen und ganz pfiffige Städte würden den Nachbarstädten das Geld der Kunden abgraben.

gru

Wir verkleiden uns doch alle

„Kleider machen Leute“ – das ist die Novelle von Gottfried Keller, in der der Zufall Regie führt. Ein bettelarmen Schneider ist gut gekleidet, weil das zu seiner Profession gehört. Und schon nimmt das Verhängnis seinen Lauf, weil er ja dem Anschein nach nur eine hochgestellte Persönlichkeit sein kann.

Der gleichfalls arme Schuster Voigt nutzt zu seinem Vorteil die Uniform eines Hauptmanns (von Köpenick). Carl Zuckmayer hat die wahre Geschichte zum Märchen ausgebaut.

Das Verkleiden und seine Deutungen fangen schon an, bevor wir deshalb in die Kleiderkiste greifen. Welche Rolle wir spielen, das hängt von unseren Vorlieben ab, die den Erwartungen der anderen eine große Bedeutung beimessen. Die äußere Verkleidung ist nur das Sahnehäubchen. Ist sie erst einmal angelegt, ist allerdings die verbundene Rolle nur noch über die Demaskierung zu verlassen. Auf einer Bühne sind wir in unseren Rollen noch halbwegs sicher. Es gibt ja einen vorgeplanten Ablauf und das Publikum wird nur selten und dann zum Schein in eine spielaktive Rolle gebracht.

Gerät die Verkleidung in die Öffentlichkeit, greift eine nicht leicht durchschaubare Melange von Phantasie und Wirklichkeit, wenn man darauf nicht in traditioneller Abfolge vorbereitet ist. An Karneval und sogar an Nikolaus kann da wenig schief gehen. Gleichwohl gibt es stets Einzelpersonen, die die Möglichkeiten ihrer Rolle, samt Verkleidung überfordern. Aus dem Clown wird dann an Halloween gern ein Gruselclown, der entsprechend aggressive Attitüden auslebt und aus einem Nikolaus ab und zu mal ein Bankräuber.

kae

Ja und dann ist da noch die Burka, die wir von den Bildern kennen.

Lüge des Tages

Meine ganz persönliche Lüge des Tages:

Viele Menschen wissen nicht, dass die Klorollennutzung patentiert ist. Um zivilrechtlichen Ansprüchen vorzubeugen, ist es dringend empfohlen, die Toilettenrollen mit Hilfe der folgenden Vorschrift zu überprüfen und erforderlichenfalls deren Anbringung zu korrigieren.

klopapier

Heute klingelte schon jemand an meiner Tür und verschaffte sich unter dem Vorwand, er müsse schnell seine Notdurft verrichten, einen Zugang zu meiner Toilettenrolle.

In den nächsten Tagen werde ich wohl eine Rechnung über Abmahn- und Rechtsanwaltskosten im Briefkasten haben und die Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung. Also das volle Programm …

Journalismus für Geld

Früher hätte man die Tageszeitung am Ort abonniert. Journalisten und manche Politiker hatten bis zu zehn, auch überregionale Zeitungen abonniert.

Jetzt haben alle Zeitungen einen Onlineableger und wollen dort ebenfalls Geld, entweder für jeden Artikel einzeln oder am liebsten über ein verlässliches Abo. Viele Zeitungen locken aber auch mit den Anfangssätzen eines Artikels und offenbaren erst dann, dass  das Fertiglesen kostenpflichtig ist. Das ist eine üble Masche, um mir die Zeit zu stehlen.
Als meine Zeitung damals, nach einer kostenlosen Zweigleisigkeit von Druck- und Digitalwerk zur Einführung doppeltes Geld für gleiche Informationen auf zwei Kanälen haben wollte, habe ich aus Verärgerung das Abo nach Jahrzehnten gekündigt. Denn wenn man eine Zeitung im Briefkasten hat, gibt es keinen Grund mehr, für die digitale Variante Geld zu bezahlen.

Es stimmt, grundsätzlich ist Journalismus nicht umsonst.
Anderseits ist es so, dass eine vielfältige Information heutzutage ins Geld gehen kann. Und mit einer einzigen Quelle gebe ich mich schon lange nicht mehr zufrieden. Eine vielfältige Information wird ärmeren Menschen durch einen Bezahlmodus punktuell vorenthalten. Zudem ist der hürdenfreie Zugang zur Information ein Grundrecht.

Aus Gründen der Sparsamkeit greife ich hauptsächlich auf den kostenlosen Journalismus zurück. – Die TAZ bietet – wenn auch mit Geldschmerzen – immer noch alles kostenfrei online an. Das ist nobel und nicht branchenüblich aber auch gut begründet.

Ich bin sparsam und lese jetzt drum herum um diese Kaufartikel.

Abos sind mir weltfremd geworden, weil ich die Vielfalt schätze. Einzelne Kaufartikel sind sicher ihr Geld wert, aber nicht, wenn man sich mittels anderer Quellen kostenlos drumrumlesen kann. Dabei spielt auch der öffentlich-rechtliche Journalismus mit, den ich ja ohnehin bezahle. Es passiert fast nie, dass ich einen Kaufartikel unbedingt haben muss.

Zudem kritisiere ich die mangelnde Sorgfalt im Onlinebereich.
Aber das steht dort …

Burka und Konsorten

Die als Burkaverbot in ganz Europa gehandelte und diskutierte Einschränkung des Outfits von Staats wegen, ist ein Thema ohne Ende und eigentlich auch ohne Gegenstand.

Die verschwindend wenigen Leute, die jemals mit einer Burkaträgerin gesprochen haben, haben wahrscheinlich nie so ein Burkaverbot gefordert.

Aber ich sage gern noch einmal etwas dazu:
Grundlage demokratischer Verhältnisse ist, dass der Staat nichts zu verbieten, sondern die Vielfalt der Lebensführungen zu fördern hat. Zur Vermeidung oder Verhinderung privater Gewaltausübung schützt der Staat den Bürger durch Rechtsnormen und Verwaltungshandeln. Bei Interventionen sind vorab die Wirksamkeit und die Verhältnismäßigkeit der geplanten Intervention zu überlegen.

Auf jeden Fall hat der Staat keine Handhabe, über individuelle Lebensführungen etwas zu entscheiden, nur weil „der Bürger” es so will. Dies auch dann nicht, wenn es viele Bürger wollen.

In (beruflichen) Begegnungen mit Burkaträgerinnen habe ich nie den Eindruck, dass mir ein Verbot der Burka helfen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Das Gespräch käme möglicherweise erst gar nicht zustande und die belastende Wirkung des Gesprächs durch die Ausschaltung alltäglich erforderlicher Kommunikationskanäle, könnte erst gar nicht thematisiert werden. Es könnte auch kaum vermittelt werden, dass das Gesprächsergebnis im bestimmten Fall auch nur bedingt oder gar nicht formuliert werden kann, wenn eine Burka im Spiel ist. Ich sehe überhaupt nicht, was so ein Burkaverbot verbessern könnte, zumal die Zahl der kommunikativen Begegnungen mit Burkaträgerinnen doch extrem klein ist.

Was in den Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation gehört, kann ohnehin nicht reglementiert werden.

Ergänzung:
Die Einladung einer verschleierte Frau in eine Talkshow erregte Aufsehen im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen. Der Widerspruch war erheblich.
Es ist langweilig, nur das zu sehen, was gefällt.
Wo sonst, wenn nicht in den öffentlich-rechtlichen Medien kann man so etwas verantwortlich zeigen? Es ist nicht fahrlässig, denn es ist eingebunden in die große Welt der Widersprüche und damit gut eingeordnet. Die Aufgabe kann man dem Bürger nicht abnehmen, sich selbst ein Bild von der Welt mit allen Gründen und Abgründen zu machen.

Hatte Tante Emma einen Laden?

Heutzutage meinen wir zu wissen, dass es damals noch Tante-Emma-Läden gegeben hat. Wir sind mit solchen Erkenntnissen aber unwillkürlich im Bereich des Postfaktischen.

Es gab bis tief in die 50er Jahre die kleinen, vom Inhaber geführten Lebensmittelläden. Für den täglichen Bedarf waren sie in der Nähe. Für lebende Hummer und Trüffel und Hase, musste man schon weitere Wege in Kauf nehmen.

Die kleinen Lebensmittelläden hatten keinen Namen, der in Leuchtbuchstaben oben drüber stand. In nachbarschaftlicher Verbundenheit kannte man den Inhaber oder die Inhaberin persönlich. Deshalb sprach man sie auch mit Namen an. Die häufigsten Namen waren damals für erwachsene Menschen vermutlich Lotte und Horst. Die Mutter sagte, wenn sie das Kind einkaufen schickte: „Geh mal eben zur Lotte, Sauerkraut holen!“ Meistens wurde das auch erst einmal ohne Geld geregelt. Bezahlt wurde dann am Monatsende. Kinder sagten, wenn sie ihren persönlichen Groschen in Brause und Nappos umsetzen wollten: „Ich geh mal eben nach Tante Lotte.“

Die Bezeichnungen Tante und Onkel wurden zudem in dieser Zeit für alles mögliche gebraucht. Mein Onkel Matthis beispielsweise war stadtbekannt und zudem bei allen Kindern höchst beliebt. Wenn die Kinder ihn mit seinem Hund Purzel auf der Straße sahen, liefen sie zu ihm hin und sagten: „Hallo Onkel Matthis!“ Der gab dann jedem Kind frei aus der Jackentasche so flache, runde Schokoladenstücke mit Liebesperlen drauf, die er eigentlich für Purzel dabei hatte. Manchmal gab es auch ein Fünfpfennigstück. Wenn ich dann mal sagte: „Das ist aber mein richtiger Onkel!“, dann habe ich nur Unverständnis geerntet. Der Onkel war zum Gemeingut geworden, wie auch die Ladenbesitzerin Lotte. Eine Emma war mir unbekannt. Unter den beliebtesten Namen wurde Emma ohnehin erst 30 Jahre später mit einem Anklang Emanzipation gehandelt.

Wenn also vom Tante-Emma-Laden die Rede ist, dann ist Emma nur ein unzureichender Platzhalter für alle möglichen Namen und Tante ein Rückblick auf das Kind als Kunde.

Es bleibt nur das kleine, inhabergeführte Lebensmittelgeschäft, das in den 50er Jahren ausstarb, weil es der grenzenlosen Auffächerung und Bewerbung meist sinnloser Produkte in Einkaufsparadiesen nicht folgen könnte. Kioske und Tankstellen haben einen kleinen Teil der Funktionen übernommen.

Coole Fritte

Zur Freizeit im westlichen Ruhrgebiet gehört immer schön der Ausflug in die Niederlande. Die Unterschiede haben sich im Laufe der Jahre angeglichen und die Motive für den Ausflug haben sich auch geändert. Geblieben ist die Ausrichtung der niederländischen Innenstädte auf die Vorlieben der deutschen Kundschaft.

Zu meine ersten Erfahrungen gehörten meine Blicke aus dem von Zigarettenqualm verseuchten Auto meiner Eltern. Ich sah an jeder holländischen Straßenecke Leute mit Tüten durch den herbstlichen Abend laufen, in denen offenbar irgend etwas war, was offenbar jeder Holländer essen musste. Dass es Pommes waren, wie wir später im Ruhrgebiet sagten, oder Fritten, wie ich es später am Niederrhein bis weit nach Ostbelgien hinein sagen musste, wusste ich zunächst nicht. Ich kannte das einfach nicht, wie eben auch Pizza. Die Fastfoodkultur beschränkte sich damals bei uns auf fliegende Stände auf Trümmergrundstücken, an denen es Schaschlik und dazu eventuell ein halbes Brötchen gab. Diese Stände wurden abends betrieben, als die Kinder im Bett waren. Es hieß, in dem Schaschlik seien ziemlich viele Innereien und ab und zu hörte man, dass das Gesundheitsamt so einen Laden zugemacht hatte, weil mutmaßlich nicht nur Innereien im Schaschlik waren. Die von den Großeltern betriebene Familienideologie kennzeichnete diese Art der frühen Erlebnisgastronomie als einen Angriff auf das gute Essen in der Familie, in der Schaschlik nicht vorkam und selbst das Brötchen selten war.

Die Fastfoodladenbetreiber erweiterten die Palette ihrer Produkte, verbesserten das Ambiente ihrer Läden und pimpten die technische Ausstattung. Damit hielt dann auch mit dem Beginn der 60er Jahre die Pommes Einzug in die Welt der für alle verfügbaren Gastronomie. Ich konnte das sehen, wusste und roch dann auch, was Pommes waren, war aber durch die besagte Familienideologie und der überschaubar kontrollierten Tagesabläufe gar nicht in der Lage, mich eigenmächtig den Pommes zu nähern. Irgendwann öfnete sich der Zugang dadurch, dass meine Eltern mit mir ein Restaurant besuchten. Dort wurde ich dann multisinnlich in die Welt der Pommes eingeführt und fand einen sehr großen Gefallen daran. Mein phantasierter Inbegriff der Zufriedenheit war es, an einem kalten Abend mit gefrorenen Fingern eine Tüte heißer Fritten zu halten und alle Sinne mit Wärme, Wohlgeruch, einer fein strukturierter Röstoptik und einem unvergleichlich guten Geschmack in eine andere Welt zu beamen. Ich war wohl schon fast 14 als mir den eigenmächtigen Zugang zu dem Pommes möglich war und ich ihn mir auch gestattete. Er war möglich durch lange Schulwege, auf denen immer mal kleine Abweichungen möglich waren und es war meine Entscheidung, dafür Geld auszugeben. Ich muss dazu sagen, dass ich über ein eher bescheidenes Taschengeld, kleine Zuwendungen von Omas, Tanten und Onkel und kindgerechter Schrottgeschäfte zu einem erheblichen Reichtum gekommen war, weil ich eigentlich nichts ausgab. Also 50 Mark hatte ich damals immer in der Tasche. Das gehörte zu meinem Selbstverständnis. Für eine Tüte Waffelbruch von 20 Pfennig war ich wohl dreimal um den Block gelaufen, um sie mir dann schließlich doch zu kaufen. Die Pommes waren dann der erste größere Sündenfall und lieferte so eine große Entschädigung an Sinnlichkeit, wie es besser nicht möglich gewesen wäre. Mit der Zeit kam dann auch die Geselligkeit mit Freunden in der Pommesbude dazu. Zu meinem Leidwesen wurde die Tüte nach und nach durch ein Schälchen ersetzt. Meine Oma hat von meinen Pommesausflügen nie etwas erfahren. Meine Eltern merkte auch sehr bald, dass sich ihr Doppelleben mit Schaschlik in der Nacht und ohne Kinder nicht durchhalten ließ.

Bis zum heutigen Tag ist es so geblieben, dass sich die „Pommes ohne alles“ bevorzuge. Angeregt in der Westeifel und in Belgien esse ich aber gern Senf neben, also nicht auf den Fritten. ich möchte nämlich das Verhältnis von Biss zu Biss selbst bestimmen. In der Bude von Ralph im belgischen Neu Moresnet habe ich mal „Pommes“ bestellt, worauf der Ralph leicht genervt, aber grinsend gesagt hat: „Hab ich nicht.“ Dann habe ich schnell „Fritten“ gesagt. – „Na, geht doch!“ Im Jahr 1990 gab ein Erlebnis, das nachdenklich macht. Bei einer Wanderung auf dem Rennsteig in Thüringen, gab es in einem eher traditionellen DDR-Lokal Stäbchenkartoffeln.

img_4520

Für Showzwecke habe ich neuerdings auch eine Plastikfritte und arbeite an dramaturgischen Spitzfindigkeiten, sie würdig zu inszenieren. Das hat sie doch verdient.

Das Lügen im Netz

Populärpolitiker konservativer Parteien finden das Lügen im Netz mittlerweile eine Zumutung. Das Lügen außerhalb des Netzes betrachten sie wohl bedacht nicht. Jetzt wollen sie das Lügen sogar verbieten und haben direkt eine sehr große Zustimmung in der Bevölkerung. Es sind alle Liebhaber von Lüge und Wahrheit gleichermaßen, weil immer nur die beharrliche Lüge als unumstößliche Wahrheit verkauft wird.

Das Strafrecht kennt den Straftatbestand Lügen nicht. Das ist deshalb so, weil in der Sprache des Alltags jede Aussage mit einer Aura von ungeprüften Fakten und Argumenten umgeben ist und die Lüge des einen die Wahrheit des andren ist. Lügen zu bestrafen, würde das Gespräch zum gefährlichen Spiel machen und zur Verstummung führen.

Es ist nicht nur rechtlich höchst bedenklich, einen neuen Straftatbestand „Lüge“ einzuführen, sondern auch, seine Anwendung auf Onlinebeiträge zu beschränken, weil es zwei Sorten von Lüge so einfach nicht geben kann. Man muss sich also schon etwas Mühe geben, wenn man beispielsweise strategische Desinformationen im Internet außer Kraft setzen will.

Betrachtet man die Szene der fiesen Onlinekommentare genau, dann ist es wie im Rest des Lebens, man sucht sich die Argumentationsstränge, die zu einem passen. Man ändert also nur selten seine Meinung, sondern sucht bevorzugt für die eigene Meinung eine Bestätigung und läßt dabei gern Fragwürdigkeiten außerhalb der Betrachtung.

An vielen Stellen der Onlinedebatte findet man auch Straftatbestände, wie zum Beispiel in den vielen Aufrufen, irgendjemandem Schaden zuzufügen. Es bestehen allerdings keine Einschränkungen, Straftatbestände zu verfolgen. Das passiert auch tagtäglich. Deshalb kann man mit der Rechtslage und der Rechtsanwendung zufrieden sein.

Nicht zufrieden sein kann man allerdings mit der Strategie der Betreiber der weltweiten Onlinekommunikation, wie zum Beispiel Facebook. Diese Betreiber fühlen sich und agieren als global player mit Gewinnabsicht frei von Ländergrenzen und meinen, ihre Idee der Gegenrede (counter speech) würde im Vorfeld aller Rechtsnormen das Gemeinwesen auf die richtige Spur führen. Diese Lehre nimmt der Rechtsstaat mit aller Erfahrung nicht an und der irgendwie durch fiese Sachen beschwerte Nutzer auch nicht.

ichnicht
Das bin ich nicht so ohne weiteres …

Ich würde mir das Lügen als Freiheitsrecht nicht nehmen lassen.

Der Nikolaus – abseits ausgetretener Pfade

Der Nikolaus ist die Personifizierung des guten Menschen.

Das ist seit langem so, besonders in den Niederlanden.

Nun wird er dort aber begleitete vom „zwarte Piet“, dessen Charakter und Aussehen nicht so ganz makellos sein sollen. Es hat sich eingebürgert, dass er dem Nikolaus assistiert und das eigene Bedürfnis, seinen Auftritt etwas unberechenbar zu gestalten, nicht so sehr auslebt. Er ist so wie der gefährliche Hund, der nur seinem Herrchen ergeben ist. Zu Recht gilt der „zwarte Piet“ als Kind des Kolonialismus. Das, was nicht so ganz ins Bild passte, hat man damals gern den Kolonialländern zugeschrieben und es ist bis heute dabei geblieben. Es war, wie vieles in dieser Zeit, kräftige Schwarzweißmalerei. Geblieben ist davon die Tradition, die die Anmutung einer unmittelbare rassistische Schau verloren hat. In anderen Gegenden wechselt die Begleitfigur die Hautfarbe, aber kaum den Charakter. Der bayrische Krampus ist noch weitaus furchteinflößender und entstammt wahrscheinlich auch einer problematischen Randgruppe. Dass in Büchern, Opern und anderen Kulturgütern es nur so von Mohren mit zweifelhaften Rollen wimmelt, hat bisher kaum Kritik an einem eventuell überdauernden Rassismus hervorgebracht. Beim „zwarte Piet“ ist das anders. In den Niederlanden formieren sich seit ein paar Jahren Initiativen zur Ausrottung des rassistischen Beiwerks.

Weil ja Traditionen kein Selbstzweck sind und so durch die Jahrhunderte schlittern sollen, ist es durchaus erlaubt, dem Nikolaus, der unbeweglich gekleidet ist und zudem viel zu tragen hat, auch einmal andere Hilfsmöglichkeiten zukommen zu lassen. Es muss ja nicht gleich ein mit Rentierbasteleien verzierter Gabelstapler sein. Es tut auch ein kräftiger Engel oder mehrere zarte. Die Geschenke selbst unterliegen dem Wandel der Zeit. Der Nikolaus kommt mit vielen Änderungen auch gut zurecht. Der „zwarte Piet“ spricht privat schon lange mit der „groene Antje“. Da bahnt sich was an. Das wäre viel besser, als den dummen und willfährig kapitalistischen Weihnachtsmann gegen den Nikolaus auszuspielen oder irgendetwas auszurotten, weil man den Weg der Entwicklung nicht sieht.

Es ist auch vollkommen überflüssig, den Nikolaus als einen hinter einem Kunstbart versteckten Darsteller ins Gefecht zu schicken. Wenn es einmal kein Darsteller ist, sondern ein Mensch, der für kurze Zeit seine Identität wechselt, dann bewirkt er allein durch seine Rolle Wunder. Er ist dann der Nikolaus und nicht freigegeben für Spekulationen darüber, wer den denn da spielt.

Ich weiß, wovon ich spreche.