Nix für Kinder

Igor Prokofjew  hatte den Auftrag, in einem Musikwerk kindgerecht die Instrumente des Orchesters vorzustellen. Das hat er auch gemacht und dazu direkt auch einen Textfaden geschrieben, der von Instrument zu Instrument führt.  Die Musik ist also die Hauptsache, der Text die Nebensache. Prokofjew baut sein Textstück als Fabel auf und nennt sie „Peter und der Wolf“. Es ist nicht bekannt, dass sich Prokofjew sonst irgendwie literarisch betätigt hätte. Er schreibt eine düstere Geschichte in der ausgesuchte Menschen und auch Tiere vorkommen und eine Dramatik gebastelt wird. Diese Dramatik spiegelt höchstwahrscheinlich den Erwachsenengeschmack in den düsteren Zeiten der Sowjetunion in den 30er Jahren, in der kaum jemand etwas zu lachen hatte. Die Schöpfungshöhe teilt der Text mit der Musik nicht. Zu der Zeit wurden in der Sowjetunion auch noch Kinder kaum anders behandelt als Erwachsene in einer Abhängigkeit. 

Wenn dann der Wolf auch noch ein Tier lebendig verschluckt, ist zwar eine Spielwiese für viele Instrumente bereitet, für Kinder ist es aber der reinste Horror, wenn drei Hörner auch noch Angriffslust verbreitet. Die Akteure werden nicht einmal mit dem Augenzwinkern inszeniert, die es beispielsweise in den Animationsfilmen gibt, die die Kinder ohne den Wolf  vor den Bildschirm locken. In solchen Filmen bleiben wenigstens alle wie ein Wunder heil, auch wenn sich Mensch und Tier  Slapsticks der übelsten Art liefern.

Das Spielstück „Peter und der Wolf“ hat bei alledem eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte und lässt sich gut mit Mitteln des Theaters pimpen. Besonders beliebt sind dabei Ballett und Lichteffekte. Das Stück wurde, entsprechend dem Grundgedanken der Entstehungsgeschichte, dann auch von Anfang an für Kinder angeboten und vermarktet. Das ist bis heute so. Damit waren die Eltern von Anfang an auch pauschal davon freigesprochen, selbst zu überlegen, ob das denn überhaupt etwas für ihr Kind ist. Man lässt sich im Theater auch gern überraschen. Das ist gut so. Es ist aber nicht gut, wenn das Theater das Stück aus dem Hörensagen vergangener Zeiten übernimmt und dann etwas abliefert, was Erwachsene so sehr mögen, die Kinder aber nur mitzieht. Die tradierte Freigabe „ab 5 Jahren“ wird als Unbedenklichkeitssiegel gelesen. Die Erwachsenen konzentrieren sich auf die Musik und erleben den assoziierten Sprecher meist als störendes Beiwerk, das eine krude Story offenbart und sonst nur die Musik stört. Den  begleitenden Kindern wird dann auch beigebracht, dass die Musik das wirklich wichtigste ist. Manches aufgewühlte und verstörte Kind mag sich damit trösten, dass die Erwachenenwelt bei aller Dramatik um Leben und Tod doch ganz cool bleibt und dass man die Geschichte nach dem Vorbild der Erwachsenen wohl am besten gleich abhaken soll. Im Erwachsenenalter werden sie dann vielleicht den Faden wieder aufnehmen.

Ich komme darauf, weil es vor ein paar Tagen wieder so eine Aufführung gab und Ströme von Kindern mit Erwachsenen zum Theater in Mönchengladbach liefen. Ich musste an der roten Ampel warten und habe mir so meinen Teil gedacht.

Alle Widernisse im Alltag, auch Krieg und Tod, kann man mit seinen Kindern so bedenken, dass man auch daraus das Leben mit Gewinn gestalten kann. Das passiert nicht immer. Aber selbst noch humorlose Horrorgeschichten aufzusuchen, kommt einer vermeidbaren und unnötigen Belastung gleich. Okay – man war im Theater. Das finde ich auch gut – wenn  denn der Content stimmt.


Wer Kindern umfassend die Instrumente des Orchesters nahe bringen will, bleibt unweigerlich bei Benjamin Britten, „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ hängen. Ich kann das auch nur für alle Altersgruppen empfehlen. Darin wird kein Beiwerk formuliert, sondern lediglich den Instrumenten ihre Möglichkeiten entlockt und im Kontext beschrieben.

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