Die lustige Presse

Als am 26. Juni 2023 der Frachter mit dem Namen Fremantle Highway, vollgeladen mit fabrikfrischen Autos, auf der Nordsee gebrannt hat und samt Ladung vermutlich zum Totalschaden verschmort ist, fiel mir ein, dass früher die Schiffe meistens den Namen von Schwiegermüttern hatten. Damals hätte in der Zeitung etwas von der heißen Erika oder dem flammenden Käthchen gestanden. Jetzt lese ich nur: Auf dem Fremantle Highway ist die Hölle los.

Die lustige Presse

Als am 26. Juni 2023 der Frachter mit dem Namen Fremantle Highway, vollgeladen mit fabrikfrischen Autos, auf der Nordsee gebrannt hat und samt Ladung vermutlich zum Totalschaden verschmort ist, fiel mir ein, dass früher die Schiffe meistens den Namen von Schwiegermüttern hatten. Damals hätte in der Zeitung etwas von der heißen Erika oder dem flammenden Käthchen gestanden. Jetzt lese ich nur: Auf dem Fremantle Highway ist die Hölle los.

Aus der Traum

Da kommt wieder per Post so eine unbestellte Offerte für eine Traumreise.

Da will ich nur mal richtigstellen: Traumreisen gehören einfach nur in den Bereich der Träume. Dabei ist es selten, dass man im Traum durchkonfektioniert reist. Man erlebt viel im Traum, aber ohne Garantie und meist auch gar nicht so sehr weit weg, wie es die Welt ermöglichen würde. In der Wirklichkeit gibt es also keine Traumreisen – schon gar nicht gegen Geld und auch nicht mit großem Rabatt.

Und gerade anschließend kommt jetzt auch noch ein unbestelltes Geschenk mit einem aus der Not geborenen fiesen Briefpapier, unverbindlichem Überweisungsträger und zwei Kugelschreibern von einer Tierschutzorganisation. Erzählt wird eine Geschichte mit dem Foto von einen Hund, der nur etwas Fleisch essen wollte und dem dem der Schlachter dann mit dem Beil mehrere Zentimeter vom Kopf abgehackt hat. Ich zeige das Bild aus guten Gründen nicht.

Das emotionale Lovebombing geht in beiden Fällen gottzeidank unberührt an mir vorbei. Ob Traum oder Antitraum, ich bleibe dann doch lieber auf meinen Geldbündeln sitzen.

Aus einem Heldenleben

Da geht nun der Held von Wimbledon am heutigen Tag für eine Weile ins Gefängnis. Sein Leben geht jetzt nicht mehr so recht weiter, wie er es bisher gestaltet hat. Wer den Insolvenzverwalter auf verlorenem Posten mit unzureichenden Angaben dilettantisch linken will, der hat auch nichts besseres verdient. Da lacht der Profi.

Auf die Strafmaßverkündigung musste das Publikum entgegen der Ankündigung des Gerichts ein paar Stunden warten. Ein Gerichtsreporter meinte, das Strafmaß zeige, dass es vor Gericht eben keinen Promibonus gebe. Das sehe ich anders: Der Rechtsstaat unterscheidet von vornherein nicht nach der jeweilen Prominenz des Angeklagten. Diese stundenlange Verzögerung ist dann aber doch ein Promibonus, und wird für die Weltöffentlichkeit standesgemäß zelebriert. 

Wenn der Held nach guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen wird, werden wohl viele Talkshows auf den Helden Boris Becker warten und sein Privatierskonto für die Wechselfälle des Lebens wieder auffüllen. Eigentlich sollte ja jeder Sträfling irgendwann in eine Talkshow entlassen werden. Aber daran besteht wohl kein wirtschaftliches Interesse. – Schade!

In der Katholischen Kirche 

Der institutionelle Mangel frisst alle Funktionäre auf, erst das geweihte Fachpersonal und schließlich auch die zur Rettung herbeigerufenen Laien.  Ein korrupter Kegelclub mit Wahrheits- und Ewigkeitsanspruch entlarvt sich in der Demokratie mit den Jahren selbst … Niemand braucht Institutionen, die für alle Zeiten auf die Demokratie pfeifen und stattdessen Gottes Wort zurechttreten, wie es ihnen passt. Selbst die Theologie ist da schon mehr an Gott und den Menschen interessiert. Man denke nur an den eschatogischen Vorbehalt, also die Idee von der Unwissbarkeit des richtigen Glaubens.

Es gibt dazu einen alten Witz:
Der Papst Ratzinger steht vor dem Himmelstor und begehrt Einlass. Der Türsteher Petrus fragt nach seinen Referenzen. Ratzinger sagt, er sei Stellvertreter Gottes auf Erden gewesen. Petrus wandelt in die hinteren Räume, um den Umgang mit dem Bittsteller zu regeln. Er wendet sich dazu direkt an Gott: „Da draußen stent jemand der behauptet …“ Gott antwortet: „Meine Güte, existiert der Verein immer noch, den ich vor 2000 Jahren gegründet habe?!“

Die Initiative  #outinchurch liefert in diesen Tagen beeindruckende Dokumente über die Gewalttätigkeit der Katholischen Kirche und fordert ein Ende. Außerhalb der Kirche gibt es eine durchweg positive Resonanz. Wie die Resonanz innerhalb der Kirche ist, wissen wir nur über kleine Löcher in der Fassade. Und man kennt aus der Erfahrung die Grenze der Katholischen Kirche, damit umzugehen.

Institutionen mit festem Wahrheits- und Ewigkeitsanspruch gelten als nicht reformierbar. Verschönerungen an der Fassade mögen darüber hinwegtäuschen. Da bleibt es nur, die Tendenzbetriebe ihrer Tendenz zu berauben und dort die demokratischen Errungenschaften des Gemeinwesens insbesondere im Arbeitsrecht zuzulassen, sowie das Konkordat (von 1933) seitens des Staates zu kündigen, das die Finanzierung der Kirchen durch den Staat über jedes sinnvolle Maß hinaus sicherstellt.  Ein Staatsleistungsablösegesetz – StAblG) schlummert schon seit 2012 und wartet auf eine Verabschiedung. Danach werden Arbeitsplätze in den Kirchen vom Wort aus dem Vatikan entkoppelt sein. Was spricht dagegen, bereits jetzt sich einer anderen Glaubensgemeinschaft zuzuwenden oder gar eine neue Kirche zu gründen?

Risiko ist immer – wer weiß das besser als der bibelfeste Christ?

„I remember“

Jeder leidet selbstverständlich mehr oder weniger und bestimmt auf seine Weise. Aber ein Leid oder Mit-Leid als Massenbewegung ist doch etwas völlig anderes. 

Hinz und Kunz präsentieren sich anlässlich des Jahrestages der Befreiung aus den Vernichtungslagern der Nazis jetzt mit dem gemalten Hashtag #weremember in einer fotogefälligen Position.

Da wälzt sich die Hilflosigkeit in einem Selbstdarstellungsgehabe als Massenbewegung durch die Medien. Alle sind dabei und folgen blind dem Mainstream des guten Tons.

Gut, – das ist besser als nichts. Eine ehrliche Anteilnahme am Leben der Opfer bleibt dahinter zumindest verborgen. Ich bin sicher, dass Leid in  der Form des Mit-Leids andere Ausgrucksformen braucht und hat, die nicht notgedrungen in die Medien gehören. Aber dann guckt ja wieder niemand …

Nachdenkung über die Vorbildfunktion

Der Mensch bastelt ja gern komplexe Substantive, um seinen Vorträgen Nachdruck zu verleihen. Früher war das offenbar nicht so sehr nötig. Noch vor einer Generation hieß es beispielsweise „Vorbild sein“, heute heißt es „Vorbildfunktion haben“.

Ich mag diese neue Überrüstung der Sprache nicht. Sie wirkt martialisch und verhindert dadurch auch, bestimmte Gespächsbeiträge zu bedenken. Sein ist ja immer authentischer als haben (siehe Erich Fromm) und eine Funktion ist ja eine abgeleitete Größe, die ja gar keine Rolle spielt, wenn es um sein oder haben geht.

Um am Beispiel zu bleiben: Das Vorbild an sich wabert seit hunderten von Jahren durch die Geschichte und ist seit jeher an die Idee gebunden, man würde durch reines Nacheifern erwachsen. Das galt für mittelalterlich gut integrierte Gesellschaften und gilt heute noch in wenigen Situationen bei Kindern, die entwicklungsbedingt noch in einer Rollenidentität leben. Für Erwachsene in der Gegenwart und für Kinder ab der Grenze zur sozialen Autonomie ist das Vorbild wertlos, wenn man nicht gerade verbindlich vorgeben will, was er zu tun und zu lassen, zu meinen und zu wünschen hat. Besser ist auf jeden Fall eine flexible Ich-Identität, in der autonome Mensch Kontakte zu allen anderen Menschen gestalten und verantworten kann – Diversität und Inklusion.

Also lasst doch einfach die überrüstete Sprache und alle Vorbilder in euren Denkgebäuden weg! Wir werden uns freuen.

Pflichtzölibat

Der Zölibat mutiert in diesen Tagen zum Pflichtzölibat. Warum? Die Diskussion von heue wurde mit gleichen Argumenten bereits lange zurückliegend geführt. An Ende der 60er Jahre haben ich – in einem Forschungsprojekt – mit über 50 katholischen Priestern diese Diskussion geführt. Es ging immer um den Zölibat und nicht um das Pflichtzölibat. Dieses erweiterte Wort wurde weder gebraucht noch vermisst. Nach geltendem öffentlichen Recht ist ein Zölibat erst gar nicht denkbar. Deshalb gibt es das Wort lediglich in bestimmten Organisationen des Religiösen, wie zum Beispiel der Katholischen Kirche. Ein eingefleischter Junggeselle käme niemals auf die Idee seinen Lebenswandel als zölibatär zu benennen. Wenn in einer Religionsgemeinschaft eine bestimmte Tätigkeit intern an einen Zölibat gekoppelt wird, dann erwächst daraus auch eine bestimmte Verpflichtung, den Zölibat auch einzuhalten. Nach den Regeln des Gemeinwesens ist der Zölibat so freiwillig, wie das vegane Essen. Einen Pflichtzölibat braucht der sprechende Mensch nicht. Es ist freilich an der Zeit, den Zölibat für alle Fälle nach den Regeln des Gemeinwesens auszugestalten und überall zur freien Disposition zu stellen. Damit wäre dann auch der fiese Kopplungsstrich in Pflicht-Zölibat dem Tod geweiht. 

Variation zum Thema: „Der dritte Mann“

Und für alle polyglotten WeltversteherInnen zum Dokuspot aus Flingern …
„High time suits after massage.“

Ein Trauerspiel

Wer den Alliierten nach ihrem Rückzug aus Afghanistan geglaubt hatte, ist von einer langsam schwindenden Bedeutung der zuvor gepäppelten Zentralregierung in Kabul zu Gunsten der Taliban ausgegangen. Das Ergebnis war aber, dass diese Entwicklung tatsächlich im Zeitraffer stattfand: Am Morgen hat die Regierung noch die Mobilmachung zur Verteidigung vorbereitet, am Nachmittag flieht der Staatspräsident bereits ohne ernsthafte Gegenwehr zu leisten in ein Ausland, in dem die Presse nicht so viele Fragen stellt. 

In Afghanistan kamen Demokratisierungsversuche seit Menschengedenken immer von außen und konnten sich bis heute nicht etablieren, weil sie immer an das kapitalistische Wirtschaften und eine ebenfalls fragwürdige westliche Weltsicht gebunden waren mit symbolischen Wohlstandszuwächsen auf geringem Niveau. Letztlich ähneln die russischen und danach die US-amerikanischen Heilsversuche doch sehr stark der zurückliegenden Missionierung mit fremden Religion und Lebensarten in irgendwelchen am Ende armen Kolonien wohlhabender Länder seit Columbus die Weltbühne betrat. Befreiungen erwuchsen immer aus den geschundenen Gemeinwesen selbst, auch wenn sie zunächst meist in neuem Elend und sicherlich auch nur vorübergehend mit neuen Machthabern endeten. In Afghanistan wiederholen sich alte Erfahrungen. Soldaten dienen dem Kampf, eventuell noch der Absicherung eines Status Quo mit kleinen Pflanzungen der Zuverlässigkeit und der Demokratie. Das praktische Leben organisieren aber Warlords und ihre Vasallen, Marketender und korrupte Krisengewinnler und alle möglichen sektiererischen Heilsbringer. In ein ziviles Gemeinwesen wurde kaum investiert.

Angeblich wussten alliierte Soldaten schon im Voraus, dass die importierten Freiheiten zwar hi und da geschätzt, aber nicht verteidigt werden würden. Da wäre es ja besser gewesen, die verbleibende Macht mit der Verabschiedung der alliierten Macht direkt an die Taliban weiterzureichen und sie auch noch so gut es geht darin zu schulen, wie man für den gewachsenen Volksteil, der die neuen Freiheiten sehr schätzt ein Gemeinwesen lebenswert verwaltet kann. Die Welt hätte ob derart blöder Naivität zwar gelacht, aber es wäre besser gewesen, wenn man aktuell sieht, wie in Windeseile das hinterlassene Machtvakuum ausgeglichen worden ist.

Die Menschenrechte gelten universell, aber die Wege zu ihrer praktischen Anwendung kann man eben nicht mal schnell umpflanzen. Sie wachsen in jeder Kultur anders und vor allem auch in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Diejenigen, die bereits in afghanischen, emanzipatorischen Selbstbestimmungswind gern gelebt haben, werden in der Lebenswelt der Taliban als unnütze Störenfriede einen Platz finden, der nach aller Erfahrung auch einmal schnell mit den Tod bestraft wird. Ich habe großes Verständnis für alle Afghanen, die jetzt ganz schnell das Land verlassen wollen. Deren Zukunft hätte aber eigentlich auch mit der förmliche Einrichtung des Machtvakuums bereits bedacht sein und organisiert werden müssen. Jetzt steigen sie verzweifelt ohne Pass mit einer selbst angelegten Leiter mit Kind und Kegel auf alle Fluggeräte am Airport Kabul und es gibt kaum Länder, die sie aufnehmen wollen, am wenigsten in Mitteleuropa. Es ist ein Trauerspiel mit Toten. Der Exodus der Intellektuellen wird es mit dem Neustart für die Taliban im Moment einfacher machen. Da sind sie wohl sehr tolerant. Sollten sich in Afghanistan künftig einmal Freiheitsrechte etablieren, dann werden die Intellektuellen allerdings dort schmerzlich fehlen.