Seit die Walnussfruchtfliege Jahr für Jahr meine an sich sehr geschätzten Walnüsse massakriert, ist die Ausbeute essbarer Nüsse um 99,5% zurück gegangen. Während ich früher unzählige Eimer mit Nüssen gefüllt habe, habe ich in den letzten Jahren meist 10 bis 15 Nüsse, die ich zwischen den schwarzen Matschkugeln erst finden muss. Als Ausgleich der Natur fand ich heute als erste Nuss eine makellose, die sich nicht aus zwei Schalenhälften, sondern aus drei Schalendritteln zusammen setzt – eine seltene Laune der Natur. Das ist wohl so, wie mit den vierblättrigen Kleeblättern. Man hat Glück.
Die Presse berichtet, dass den „Tafeln“ die Ressourcen ausgehen.
Wenn der Staat nicht immer wieder am Existenzminimum schrauben würde, dann brauchte der Rechtsstaat keine Ehrenamtler, die das Defizit ausgleichen und deshalb Tische decken und Beutel abfüllen. Dass der Staat sich auf Ehrenamtler zur Grundversorgung von Menschen verlässt, das ist in den USA schon lange beliebt und hat dort seinen Ursprung.
Man sollte sich darauf aber nicht verlassen, denn es führt unweigerlich nur zur Aufhübschung ernsthafter Armut.
Sie ist fast vorbei. Die Blätter welken schon sehr. Aber die Fruchtstände haben ihren Höhepunkt. Sie schmecken sehr intensiv. Man kann damit fast alles würzen. Die kleinen Kügelchen – pro Blüte 3 – kann man beispielsweise im Salatdressing verwenden. Wer nicht darauf beißen mag, kann sie kurz mörsern. Man kann sie auch gut konservieren als Pesto oder eingelegt in Öl oder Essig.
Schwarzer Sesam hat ja die optische Anmutung von Mausekot. – Ich habe da stets die Angst vor Verwechslungen. Weißer Sesam ist in jedem Fall verlässlicher Sesam. Schwarzer Sesam ist dagegen im Idealfall geschmackvoller.
Heute war ich beim Bäcker, um Brötchen zu kaufen. Es war wieder so ein Aufbackfilialist im Ausgangsbereich des Supermarkts. Backende Bäcker sind sehr selten geworden. Die Brötchen dort sahen nicht irgendwie extravagant aus. Da sagte die Verkäuferin: „Brötchen hab ich leider nicht da. Sie können aber die Krustis hier haben.“ – und zeigte auf die Brötchen. Da habe ich dann zwei genommen. Sie entsprachen meinen Erwartungen, die ich an Brötchen habe. Eines wog 62 Gramm und beim Aufschneiden flogen mir die Krustensplitter gefährlich um die Ohren.
Aber: Das Brötchen kostete etwas mehr als doppelt soviel, wie das gelistete, aber nicht vorrätige Brötchen, nämlich einen ganzen Euro. Das Gewicht könnte man ohne Probleme auch noch den Normalbrötchen zuordnen. Und zwei kleine Brötchen hätten gemeinsam ohnehin erheblich mehr Oberfläche zur Verkrustigung zum letztendlich günstigeren Preis. Ich hatte doch etwas Angst, mir beim Biss ins Brötchen die Mundwinkel zu verletzen. Aber da habe ich dann doch Glück gehabt.
Wenn ich darüber nachdenke, ist ja doch kaum damit zu rechnen, dass das Kernprodukt aller Backwaren, das Brötchen, nicht verfügbar ist. Ein Substitutionsbrötchen kommt dem Backunternehmer dabei nun aber gelegen. Er macht damit den Mangel schnell vergessen und verdient doppelt und mehr zu Lasten des Kunden. Das ist ein betriebswirtschaftlich genialer Schachzug.
Ich gehe da aber wohl nicht mehr hin, zumal mir auch die Sprachinnovative Kraft nahezu aller Backunternehmer nervt, die selbst für traditionelle und gut eingeführte Produkte Eigennahmen erfinden und damit auch Unbedeutendes grenzenlos auffächern und den Kunden darauf prägen, die vorgegebene Wortwahl fortzuführen.
Und weil es irgendwie dazu gehört, hier noch ein fertiger Text aus den letzten Wochen:
•Der Name des Brotes•
Brote sind mit gutem Grund ein nur schwer verzichtbares Lebensmittel. Die Brotsorten gehen in die Tausende. Früher wurden Brote nach dem Herstellungsverfahren, nach den Zutaten und später dann oft nach den Orten bezeichnet, an denen sie ursprünglich besonders viel Beachtung fanden. Es war bei der Verständigung im Bäckerladen alles noch sehr einfach. Selbst Zugereiste aus fernen Ländern konnten ohne weitreichende Probleme mitreden.
Mittlerweile ist es anders. Man verlässt mit dem Eintritt in den Bäckerladen seinen angestammten Sprachraum weitgehend und lässt sich mit Backwerkbezeichnungen eindecken, für die es kein allgemein gültiges Wörterbuch gibt. Man ist also sprachlos zwischen Weltmeisterbrot, Fitnessbrötchen, Mini-Sonne, scharfem Griechen, Nonnenfurz und Ostblock. Es ist offenbar so, wie es auf Speisekarten schon länger üblich ist: Es werden Kosakenzipfel kreiert und sie dürfen vom Foodartisten dann so ausgerufen werden. Er bastelt also, um es dann im Jargon der Betriebswirtschaft zu sagen, einen Namen als Alleinstellungsmerkmal. Perfide wird die ganze Sache, wenn der Kunde an dieser Bezeichnung nicht vorbei kommt. Das beliebteste Brot ist deshalb seit Jahren das Das-da. Der emanzipierte Gesprächsteilnehmer verweigert es also, den Sprachgebrauch um sinnlose Vokabeln zu erweitern und stößt damit auf Unverständnis im Bäckerladen. Er steht zwischen den anderen Kunden in einer Sackgasse und versteht nichts mehr. Dem Menschen aus einem fernen Land wird auch der Mönchsstengel nur schwer zu vermitteln sein. Ich habe mich entschlossen, eine präzise Zeigefingergestik einzuüben und arbeite damit. Die Antwort war heute: „Meinen sie die Bauernwecken? – mit oder ohne?“
Ich bin uneingeschränkt dafür, dass der Kunde sagt, was er will und ihm nicht vorgegeben wird, was er sagen soll. Der Rest regelt sich von allein: „Geben sie mir bitte ein Onjeschwedde!“ Meine Höchststrafe wäre es, wenn ich zu einer unbekannten Bäckerei mit dem Auftrag geschickt würde, ein Radlerbrot mitzubringen.
Da fällt mir noch eine Geschichte ein: Vor vielen Jahren war der Hans aus Düsseldorf auch dabei, als wir mit einer großen Gruppe in den Schwarzwald fuhren. Wir waren so sehr gebildet, dass wir wussten, dass Holländer Kirsch in Düsseldorf Tusnelda heißt. Hans war aber offenbar die Ausnahme. Er bestellte im Café also eine Tusnelda und war fortan in ein erkenntnisleeres Gespräch verwickelt, das noch andauerte, als alle anderen bereits jeweils ein Stück Schwarzwälder Kirsch gegessen hatten. Übrigens: Man sollte stets das Bier trinken, das am Ort gebraut wird.
Spoiler für die nächsten Tage: „Ich möchte 10 Brötchen.“ „Wir haben nur noch 9.“ „Dann nehme ich die.“ „Ich berechne ihnen trotzdem nur 10, weil 9 teurer wären, weil 5 im Angebot sind.“
Eine bestimmte Nachricht überrascht mich in jedem Jahr irgendwann im April. Sie erfüllt mich mit Freude. Der frische hiesige Spargel startet in seine Saison. Er ist bei langsam steigendem Angebot zunächst verdammt teuer. Während ausgebeutete Tagelöhner aus fremden Ländern den Spargel stechen, kramen alle Medien wieder die alten Spargellieblingsrezepte der Deutschen hervor. Mir ist der Spargel gleichgültig. Ich esse ihn zur Not, finde aber geschmacklich keinen außergewöhnlichen Gefallen daran. Würde man ihn mit Eierlikör pimpen, könnte ich schwach werden, weil ich seit Jahrzehnten erfolgreich an einem Image als verwegener Eierlikörliebhaber arbeite. In der Spargelzeit lebe ich also weiterhin als Querulant in der Spargelwelt und kann das Geld für nichtgekauften Spargel auf die hohe Kante legen. Damit sammelt sich dann doch ein gewisser Reichtum an. Wenn mir die Leute allenthalben sagen: „Dir geht es wohl zu gut!“ ,dann haben sie sich ja vielleicht nur mit Spargelkrediten verschuldet und laufen in Lumpen, während ich meinen Reichtum zelebriere.
Das recycelte Brot ist jetzt der heiße Scheiß im Bäckereigewerbe. Der handwerkliche Bäcker, der auch immer schon altes Brot im neuen Brot verarbeitet hat, bleibt meist außerhalb der Betrachtung, weil er schon fast ausgestorben ist, wenn er sich nicht rechtzeitig den Weg in die industrielle Produktion gebahnt hat. Der industrielle Bäcker hat sehr viele Verkaufsläden und nutzt die künstliche Intelligenz, um einerseits im Laufe des Jahres die Kundenwünsche punktgenau zu bedienen und anderseits keine Lebensmittel zu verschwenden. Er nutzt die komplexen Algorithmen, damit fast nichts übrig bleibt und trotzdem jeder kaufen kann, was er will. So weiß er etwa ganz genau, welche Backwaren am Silvestertag von wem bevorzugt von welchem Kunden gekauft werden. Wenn es um Lebensmittel geht, überlagert eben die Aufgabe des kostengünstigen Wirtschaftens die Aufgabe der gerechten Nutzung von Ressourcen. Also sagt der Industriebäcker gern, dass man zum Wohl der Menschen nichts verschwendet und meint damit vor allem, dass er mehr verdient, wenn er keinen Bioabfall produziert. Dass er auch noch seine Backstube als Fabrik hergerichtet hat und der großen Palette der Lebensmittelchemie täglich die Tür öffnet, versteckt er hinter seinem Verkaufsbooster namens Oma Trudes Streuselkuchen, der immer mit so einem Sepiabildchen von Oma Trude hinter der Theke liegt. – Noch schmecken wir, dass Oma Trude ihre Hand überhaupt nicht im Spiel hat. Schon bald brauchen wir aber den Lebensmittelchemiker um zu erfahren, was wir denn da überhaupt essen.
Ein Kuchen ohne Hilfe eines professionellen Bäckers kann vorteilhaft sein.
Ich habe heute einmal einen Kuchen gebacken. Es ist nichts besonderes: Hefeteig, Kirschen aus dem Glas und Streusel. Dass besondere ist aber, dass ich so viel Hefeteig verarbeitet habe, wie üblicherweise für zwei oder drei Bleche gebraucht wird. Es ist eine unsägliche Entwicklung in der Praxis der Profibäcker, dass man den Teig knapp hält und dann aber den Kuchen mit viel feuchtem Zeug und viel Zucker und etwas Farbe hochpimpt. Der Konsument muss sich darauf einstellen, dass er auf süß und nass abfahren muss, um solchen Kuchen zu mögen. Bäcker verschweigen gern, dass sich ihre feucht-süßen Kuchen eine verhältnismäßig lange Zeit verkaufen lassen. Das ginge bei meinem Kuchen nicht, aber ich verkaufe ihn ja auch nicht. Besser ist es, wenn ein Kuchen frisch gegessen wird. Bei einem Hefekuchen ist das am besten an Tag des Kuchenbackens.
Also mein Kuchen schmeckt mir fabelhaft. Weil er aus kommerziellen Zwängen befreit ist, kann ich ihn überhaupt backen. Es ist eine Freude, den Standardbäcker einfach mal abzuschalten.
Übrigens gilt die Unsitte nass auch für gekochte Speisen. Dabei kommt anstatt süß die Eigenschaft knackig als weitere Unsitte hinzu. In Soße ertränkte Speisen und knackige Salate sind mir ein Gräuel, wie auch die vertikale Anrichtung der Speisen und alle Geschmacksexplosionen.
Nachdem der Koch Björn Freitag in einer seiner zahlreichen alltagsnah konzipierten Kochsendungen davor gewarnt hat, die Pfeffermühle zwischendurch auch mal rückwärts zu drehen, weil sie dabei angeblich kaputt geht, glaube ich dem kein Wort mehr. Die Pfeffermühle geht davon selbstverständlich nicht kaputt! Es bleibt also nur eine bedeutungsmächtige und drohwarnende Allüre, die der Koch besserwisserisch inszeniert, weil er wohl nichts Besseres zu bieten hat. Und der WDR träumt als zuständiger Sender einfach mal an den lecker eingebundenen Fakenews vorbei und ergötzt sich mutmaßlich zum wiederholten Mal an wachsweich gekochten Eiern, die obenauf liegen und allererst mit dem Essbesteck angestochen werden, um in einem Erguss sämtliche Pfefferpartikel bei aller Frische zu umschmeicheln. Verstehst du das?