Es ist immer etwas Sterben dabei

„Die Dame in die Mitte – sieht doch besser aus – oder?“
(Johannes B. Kerner, Der Quiz-Champion 8.11.25)

Zur Entspannung gucke ich gern ab und zu ausgewählte Quizsendungen, weil es für den Zuschauer eine willkommene Herausforderung ist, sich an den zu lösenden Aufgaben zu beteiligen. Man hat dabei so einen inneren Rückkanal als heimlicher Mitquizer, ohne irgendwie anrufen zu müssen.

Da gucke ich auch schon mal die Sendung Quiz-Champion mit Johannes B. Kerner, das stets als so eine Art Elitequiz vorgestellt wird. Ich bin gerade kurz davor mich zu schämen – aber okay – es geht noch.

Da sitzen in einer Runde ausgewiesene Fachexperten aus dem Reservoir der Fernsehschaffenden. Dann treten einzeln gecastete Kandidaten an, die über ein zweifelsfrei hervorragendes Allgemeinwissen verfügen. Eine falsche Antwort kann schon mal das Aus bedeuten. Wer alle Experten besiegt, gewinnt 100000 € oder spielt darum in einem Stechen.

Nun hat das Fragenniveau von Sendung zu Sendung abgenommen. Dies nicht etwa, weil die Kandidaten zu dumm sind, sondern weil sonst die Experte mit den Kandidaten nicht mehr mithalten können. Manchmal merkt man deutlich, dass diese Prommis altersbedingt oder mangels Grundqualifikation aus dem Expertenstatus herausfallen. Das ist irgendwie peinlich und die Zahl meiner richtigen Antworten steigt wie wild. – Das ist mir einfach zu langweilig. Für die Fernsehschaffenden ist so ein Expertenauftritt eine gute Promotion. Aber sie übertünchen die Wirklichkeit nur bunt: Richtige Experten arbeiten meist dort, wo sie dem Fernsehen absichtlich verborgen bleiben. Mit tun vor allem die opaesk schillernden Altstars leid, die mit einem hilflosen Lächeln überspielen müssen, dass sie trotz einfacher Quizfragen keine Chance haben, während der Moderator immer wieder mit vermeintlichen und gut vorbereiteten Bildungsschnipseln vorführt, dass er auch irgendwie dazu gehören will.

So viele dumme Leute …

Dumme Leute gibt es nur, damit die wirklich Dummen die Idee haben, dass sie selbst besser dran sind.

Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten folgen der Normalverteilung und es gibt keinen Grund, jemanden positiv oder negativ abzusondern. Unter der (Sinus-) Kurve bedingen sich alle gegenseitig so, wie sie sind: divers.

Buch genuch

Der Sternverlag in Düsseldorf war einstmals mit 9000qm Verkaufsfläche die größte Buchhandlung Deutschlands. Es war ein Paradies! Allerdings gingen im großen Umkreis sehr viele höchst qualifizierte Fachbuchhandlungen pleite, weil die Kunden den Sternverlag bevorzugten. Nach neun Jahren Leerstand wird das Gebäude im Dezember 2024 abgerissen. Gebaut wird dort nun ein Hotel mit Tiefgarage … – wahrscheinlich ohne Bücher. Die Bücher sind zwischenzeitlich auf praktische Lesegeräte emigriert worden. Man kann sie um Mitternacht noch vereinzelt im Fernseher (Literarisches Quartett) sehen. Dort werden sie zum Tode gelobt.

Ramses Superstar

Krokodilsarg – so etwas ist kaum noch in Gebrauch …

So heißt die aktuelle Ausstellung mit archäologischen Fundstücken in Köln zwar nicht, sie ist aber als ein Objekt der Begierde so aufgebaut, als ob es genau darum gehen würde. Man gerät in der Ausstellung sehr schnell in eine Situation, die als Überfall mit haufenweise selektiven Informationen, dudeliger bis welterschütternder Musik, ständiger Bewegung greller Bildanimationen aus dem Colt der Multimediabefeuerer angerauscht kommt. Davon ab setzen sich mit brauchbarem Licht inszenierte Artefakte, denen bereits über 3000 Jahre derartige Inszenierungen vorenthalten waren. Sie halten das stoisch aus, auch wenn – aus ihrer Sicht – gänzlich aus der Zeit gefallene Menschen nicht aufhören, sie auf Fotos in die heimischen Datenbanken zu tragen. Ich bin nicht einmal sicher, ob die Objekte der Ausstellung wirklich so alt sind. 

Die würdevolle Schlange an der Stirn ist unverzichtbar.

Mir ist bekannt, dass bei ausgewählten Prunkbauten des geldbeschwerten Adels der teure Marmor aus Italien nicht hochwertig genug war und durch mühsam veredelten Handwerksputz ersetzt wurde, der die Macken der Natur ausmerzte und einen Marmor suggerierte, der wirklich makellos gleichförmig und aber teurer war, als der echte Marmor selbst. Es geht dabei um eine Handwerkstechnik, die bei fälligen Renovierungen immer wieder verschollen sind und mühsam neu erlernt werden müssen. 

Der Skarabäus – also der Mistkäfer – war der Star im alten Ägypten und hat die Jahrtausende überdauert.

Warum sollte man also nicht täuschend echte Mumien, Särge und alle anderen gestaltete Materialen wie Schmuck und Steine mit neuesten Technologien nachgestalten? Es würde kein Auge vor der Showvitrine beleidigen und die Versicherung von unbezahlbaren Ausstellungsobjekten preiswert und akzeptabel gestalten. I‘m fine with that. Überprüfen kann ich es in der Ausstellung eh nicht. Am Ende der Ausstellung sagte aus dem Off eine bedeutungsgeladene sonore Männerstimme über Hern Ramses: „Nach seinem Tod war er unsterblich!“ Da wusste ich, dass die ganze Show mit einer derart heißen Nadel gestrickt worden war, dass es ungewollt sogar lustig rüberkommt. Nach dem Ende gab es – mit  einer erheblichen Verzögerung in einer Schlage von Ausstellungsbesuchern – zum Aufpreis noch ein „immersives VR- Erlebnis“ als Aperçu auf einem bewegungsgesteuerte Sessel mit passendem Sehgerät und Kopfhörer: Die wohlgeformte Frau Ramses führte vor 3000 Jahren durch zahlreiche Räume mit ein paar Erschreckungseffekten. In den engen Durchgängen von Raum zu Raum hatte ich wohl stets die Angst, ich würde mir an den Mauerecken die empfindlichen Knie aufschlagen. Puhhhh – es ist noch mal gut gegangen.

Ach – das muss ich noch sagen: Den dramaturgisch erforderlichen Feind mussten übrigens leider mal wieder die Hethiter abgeben. Sie wurden von den heroisch überlegenen Ägyptern übelst massakriert. Deshalb konnte der Rest als reines Gold, zumindest aber wirklich sehr, sehr schön rüber kommen. In einer Ausstellung über die Hethiter wäre es sicher andersrum. Aber dazu fehlen ausreichend Fundstücke.

Der Wunsch ist groß 

Ich bin da ja konservativ. Schulen sind so wichtig, dass sie vom Gemeinwesen finanziert werden. Ich stelle mir gerade vor, dass eine Parfümerie und eine Frittenbude da als Unterstützer antreten. – Ein wilder Mix aller Düfte der Welt würde frittiert und mit Analogkäse überbacken.

Diese „Gem.eine Grund-“ Schule schielt nicht hilflos nach Geld. Sie hat einfach nur Glück gehabt. Aber vielleicht hat die Schule diese ausgehöhlte Außenwerbung ja nicht selbst zu vertreten.

Unter Freunden: Der Spendenlauf

Meine Freundin F. (9 Jahre) fragt bei mir telefonisch an, ob ich beim diesjährigen Spendenlauf der Schule, wie in den letzten Jahren, wieder eine Spende geben werde, die sich mit den gelaufenen Runden multipliziert. Dann sagt sie noch: „Aber bitte nich so viel Geld wie im letzten Jahr.“ Offenbar hat die Klassenlehrerin darum gebeten. Das erstaunt mich dann doch etwas. Wenn man Geld für einen hoffentlich guten Zweck sammelt, dann kann es ja eigentlich nie zuviel sein. Das meint F. irgendwie aber auch. Ich lege also meinen Betrag pro Rund rücksichtslos und ohne Widerspruch auf 1,09€ fest. Im letzten Jahr waren es noch 0,99€. Ich nehme bei solchen Projekten zur  Förderung der fröhlichen Rechenkünste stets einen krummen Betrag.

Als wir das Gespräch beendet hatten, wurde mir erst so richtig deutlich, dass es im Klassenverbund unweigerlich einen Wettbewerb um möglichst hohe Beträge gibt. Im Ergebnis spiegelt sich in so einem Projekt in hervorragender Weise die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Wer in einem vergleichsweise finanzkräfigen Gefüge lebt und dort noch über viele Ansprechpartner verfügt und zudem viele förderliche Unterstützung erhält, ist unverschuldet im Vorteil, während andere im unverschuldeten Nachteil sind. Einen Unterschied machen auch die sportliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Kinder und die Bereitschaft und das Vermögen, das auch zu zeigen. Aber auch diese Möglichkeiten sind grundsätzlich nicht gleich verteilt. Die Ungleichheit ist Realität und beschämt die Armen, ohne dass die Reichen das unbedingt merken. Durch eine verabredete Begrenzung – also Deckelung der Beträge – würden eine Ungleichheit nur etwas verschleiert.

Man müsste die allgemeine Ungleichheit zunächst abschaffen, wenn man will, dass sie kein Schulprojekt trübt. Man könnte aber so eine Schulklasse für ein Projekt der sozialen Gleichsetzung nutzen. Die Gesamtsumme des Schullaufs könnte man anteilig den Kindern geben. Danach wäre jedes Kind aufgefordert, den Zweck des Schullaufs zu bedenken und ihm eine bestimmte Summe zuzuordnen. 

Ich zweifle nicht daran, dass meine Freundin – für mich eine riesige Sportskanone – wie der Blitz läuft, bis die Sonne untergeht. Um ihr das zu sagen, brauche ich kein Geld, aber es stört mich auch nicht. Soziale Ungleichheit stört alle Menschen, meine Freundin auch.

Das Neuß, die Polizei und damals

Man erzählt gerade in allen Medien, dass die Polizei aus ganz Fußballeuropa aus der Stadt Neuß heraus die polizeiliche Arbeit  zur Fußballeuropameisterschaft steuert. Das stört mich gerade erheblich in meiner Erinnerungsarbeit. 

Das dazu ausgewählte Gebäude, das wohl schon lange Jahre für die Ausbildung der Polizei genutzt wird und nun im Fokus der Berichterstattung steht, wurde einmal in den Rheinauen nahe der Erftmündung als Pädagogische Hochschule (PH) gebaut. Ich war dort einer der letzten Studenten, die mit der Einverleibung aller PHs in Nordrhein-Westfalen in die jeweils benachbarten Universitäten befasst waren. Am Ende der 70er Jahre war das überfällig, aber nicht unumstritten. Ich habe in der PH vor allem die Atmosphäre der Übersichtlichkeit und des kommunikativen Gesamtgefüges von Angesicht zu Angesicht geschätzt. Selbst Stunden in der Mensa waren letztlich hochwirksame Bildungsveranstaltungen und Seminare auf einer der vielen Wiesen rundum waren Standard. Die Studentenpolitik war höchstwirksam, kooperativ und lehrreich bis hin zu legendären Feten bis zum nächsten Morgen.

So eine Europameisterschaft findet heutzutage sicher nicht besinnlich statt. Sie ist hauptsächlich ein Ereignis logistischer Planung und der Finanzierung ganz seltsamer Zwecke. Erst wenn eines der Spiele sich etwas von der Planung entfernt, entstehen Freiräume, um mit kongenialen Fertigkeiten sehenswerte Tore zu schießen.

Positionierte Kinder

Auf einer obskuren Fanpage sehe ich demonstrierende Kinder auf Plastiklandmaschinen vor dem Kölner Dom. Die Parolen auf den Fahrzeugen kann ich mangels Bildqualität nicht entziffern.

Das, was dem Bürger ein Verfassungsrecht ist, für oder gegen etwas zu demonstrieren, gilt nicht für Kinder.

Der Gesetzgeber weiß es sehr wohl – wie die Eltern aller Kinder eigentlich auch – dass Kinder erst einen an die Entwicklung gekoppelten Schutzraum brauchen, bevor sie mit den Rechten und Pflichten des Bürgers belastet werden. Das eigenständige Demonstrieren hat eine erste Grundlage, wenn man sich aus der engen Bindung an die Eltern gelöst hat. Dann ist man – je nach Entwicklungsstand – aber schon 12 Jahre alt oder älter. Dann kann man zu bestimmten Themen seine Position auch auf Demonstrationen selbst vertreten.

Was ich auf dem Foto sehe, ist das Ergebnis eines generalstabsmäßigen und instrumentalisierenden Missbrauchs von Kindern für die Interessen Erwachsener. Kinder teilen ursprünglich und entwicklungsbedingt die Positionen der Eltern ohnehin – bis sie eben erwachsen werden.

Bürgerrat fordert kostenloses gutes Essen für alle Schulkinder

Ein erstmalig eingerichteter Bürgerrat hat das Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Und nun liegen die Ergebnisse öffentlich vor.

Der Bürgerrat spricht mangels Tradition so eines Gremiums zur Ergänzung der parlamentarischen Willensbildung als eine Art Seele des Volkes und liefert damit dann auch ein  volkstümliches Ergebnis. So, wie die Bauern in dieser Zeit als Überzeugungsvehikel die Kraft der Treckermotoren einsetzen, so setzt der Bürgerrat im Ergebnis auf den „gesunden Menschenverstand“, der auf kollektiven Hunger mit Speisung reagiert. Politik müsste intelligenter reagieren.

Dass die immer wieder beklagte „Kinderarmut“ eine Armut der Familien dieser Kinder ist und ein Abbild sozialer Ungerechtigkeit, wird gern übergangen. Kindern zu helfen ist Ehrensache. Aber damit direkt auch noch die soziale Lage geradebiegen, das will man dann doch nicht. Man führt die amerikanische Geschichte vom Selfmademan ins Feld, der könne, wenn er wolle für sich und dann auch noch für Frau und Kinder. Sie sind also selbst schuld – diese armen Leute! – Nur den endgültig Abgehängten hilft man dann in Nächstenliebe.

Die historisch veränderte Familie hat einiges beibehalten. Sie ist nicht nur eine überschaubare Wirtschaftsgemeinschaft, sondern zugleich eine soziale Gemeinschaft mit intensiver Zugehörigkeit. Alle Wechselfälle des Lebens haben ihren Widerhall im Beziehungsgeflecht der Familie mit allen Betroffenheiten und Ereignissen des Glücks, des Leids und den damit verbundenen Selbstheilungskräften der Familie. In der Anerkennung dessen sind eine Familienpolitik, ein Familienministerium und eine bürokratische Vielfalt entstanden, die insbesondere auch den Kindern zugute kommt.

In den letzten Jahren sind nun aber die hilfebedürftigen Familien symptomatisch an „Tafeln“ weitergerecht worden, weil das Bürgergeld nicht einmal dem rechnerisch und rechtlich feststehenden Existenzminimum gerecht wird. Das Bürgergeld allein lässt die betroffenen Menschen hungrig und auch sonst defizitär zurück. Die Kinder sind davon besonders betroffen, weil die Familien ihre Kinder nur unzureichend vor der Übermacht der Armutseinbrüche schützen können.

Das familienbezogene Elend spiegelt sich selbstverständlich in den außerschulischen Kontakten der Kinder. Mangelnde Bildung, Begrenzungen im Sprachgebrauch, Hunger und Angst sind also auch in der Schule allgegenwärtig.

Anstatt die Familien und damit auch deren Kinder angemessen zu fördern, macht man, was der traditionell gehobene Helfer schon lange so macht. Er sorgt für ein wohlernährtes Kind und lässt dessen Familie außerhalb der Betrachtung. Man kann sogar sagen, die dem Reichtum etwas näheren Helfer springen für die Familie in die Sorge um deren Kinder ein. Ehrlich betrachtet ist das ein kalter Entzug eines wichtigen Teils des Sorgerechts verbunden mit der Idee, mit gurkenbelegten Erlebnisbrötchen könne man zeigen, dass die Eltern immer alles nur falsch machen. Würde man das Elternrecht so ernst nehmen, wie es der Gesetzgeber verlangt, würde die Ernährung nicht zur optimierten Schulspeisung, sondern zu einem Familiengericht, bei dem alle auf ihre Kosten kommen.

So, wie die Tafeln dem Staat erlauben, bei der gesetzlich verpflichtenden Versorgung der Hilfebedürftigen zu sparen und den Rechtsanspruch durch Samaritergaben zu ersetzen, sollen jetzt die Kinder erfahren, was gesundes Essen ist, das es es dann exklusiv in der Schule gibt.

Richtig wäre es dagegen, die Familien zu befähigen, ihre Versorgung mit Essen wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dazu kann man auch eine Menge entwickeln und übergangsweise sogar auf die Tradition der Butterbrote zurückgreifen, die über Generationen Arbeitnehmer und auch Schüler ernährt haben.

Das PISA und die Kinder

So steht es in den Medien:
„Neue  PISA-Studie: Deutsche Schüler schneiden so schlecht ab wie nie“

Dass man den Leistungstand über die Schüler misst, verstellt den Blick doch sehr stark und trifft die Falschen. Die Schüler sind ja nur Opfer. Alle anderen handelnden Akteure im System Schule müssen sich befragen lassen, welchen Anteil sie selbst an dem dokumentierten Defizit haben.

Es ist ja fast so, wie bei der Bahn: Wenn man systematisch auf Investitionen verzichtet, fällt der Laden irgendwann marode auseinander. 

Man braucht das Geld vor allem dann, wenn es nicht da ist, also kontrazyklisch, und investiert es nicht so, dass es fortan von allem etwas mehr gibt, sondern nutzt dazu die Fachphantasie der Akteure. 

Bildung ist unstrittig einer der Investitionsbereiche mit bester Rendite, wenn man nicht gerade hilflos damit Gräber für Tablets finanziert.