Unter Freunden: Der Spendenlauf

Meine Freundin F. (9 Jahre) fragt bei mir telefonisch an, ob ich beim diesjährigen Spendenlauf der Schule, wie in den letzten Jahren, wieder eine Spende geben werde, die sich mit den gelaufenen Runden multipliziert. Dann sagt sie noch: „Aber bitte nich so viel Geld wie im letzten Jahr.“ Offenbar hat die Klassenlehrerin darum gebeten. Das erstaunt mich dann doch etwas. Wenn man Geld für einen hoffentlich guten Zweck sammelt, dann kann es ja eigentlich nie zuviel sein. Das meint F. irgendwie aber auch. Ich lege also meinen Betrag pro Rund rücksichtslos und ohne Widerspruch auf 1,09€ fest. Im letzten Jahr waren es noch 0,99€. Ich nehme bei solchen Projekten zur  Förderung der fröhlichen Rechenkünste stets einen krummen Betrag.

Als wir das Gespräch beendet hatten, wurde mir erst so richtig deutlich, dass es im Klassenverbund unweigerlich einen Wettbewerb um möglichst hohe Beträge gibt. Im Ergebnis spiegelt sich in so einem Projekt in hervorragender Weise die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Wer in einem vergleichsweise finanzkräfigen Gefüge lebt und dort noch über viele Ansprechpartner verfügt und zudem viele förderliche Unterstützung erhält, ist unverschuldet im Vorteil, während andere im unverschuldeten Nachteil sind. Einen Unterschied machen auch die sportliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Kinder und die Bereitschaft und das Vermögen, das auch zu zeigen. Aber auch diese Möglichkeiten sind grundsätzlich nicht gleich verteilt. Die Ungleichheit ist Realität und beschämt die Armen, ohne dass die Reichen das unbedingt merken. Durch eine verabredete Begrenzung – also Deckelung der Beträge – würden eine Ungleichheit nur etwas verschleiert.

Man müsste die allgemeine Ungleichheit zunächst abschaffen, wenn man will, dass sie kein Schulprojekt trübt. Man könnte aber so eine Schulklasse für ein Projekt der sozialen Gleichsetzung nutzen. Die Gesamtsumme des Schullaufs könnte man anteilig den Kindern geben. Danach wäre jedes Kind aufgefordert, den Zweck des Schullaufs zu bedenken und ihm eine bestimmte Summe zuzuordnen. 

Ich zweifle nicht daran, dass meine Freundin – für mich eine riesige Sportskanone – wie der Blitz läuft, bis die Sonne untergeht. Um ihr das zu sagen, brauche ich kein Geld, aber es stört mich auch nicht. Soziale Ungleichheit stört alle Menschen, meine Freundin auch.

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