Journalismus anno 2025

Früher war der Journalismus mit dem Qualitätsmerkmal „Neutralität“ ausgestattet. Diese Idee wirkt bis heute fort. In der Praxis des Journalismus hat sich aber nach und nach ein vollkommen anderes Qualitätsmerkmal durchgesetzt, nämlich die „Allparteilichkeit“, die die emotionale Distanz durch eine einfühlsame Nähe zu allen Protagonisten ersetzt und damit beobachtbaren Sachverhalten eine humane Tiefe hinzufügt und insgesamt das Rezipientenverständnis erweitert.

Es ist wie im Theater, in dem der gute Vortrag durch das Erleben in der Rolle zu einem vertieften Erleben führt. Und es ist sogar wie in der Psychotherapie, in der der Therapeut erst durch eine Allparteilichkeit den beteiligten Menschen zu einem erweiterten und neuen Erleben tradierter Muster verhilft.

Ich sage das nur als kleinen Beitrag zu der Debatte um die jetzt mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnete ZDF-Korrespondentin Sophie von der Tann. Sie wird in einer Medienkampagne als „nicht neutral“ abgewertet, weil im Nahostkonflikt in ihrer Berichterstattung die Palästinenser bevorzugt werden und Israel zu kurz kommt. Dies alles mit dem Tenor, dass die Berichterstattung früher besser war. Diese Kritik entbehrt der Grundlage und hat die Idee der Allparteilichkeit nicht verstanden. Sie folgt einem überholten Deutungsmuster. Die journalistischen Beiträge von Frau von der Tann erweisen sich mir als wirklich rundum preiswürdig.

Was ist mit den Netzwerken los?

In letzter Zeit wird viel über „soziale Netzwerke“ gesprochen, aber fast immer mit dem Tenor, diese Netzwerke seien überhaupt nicht sozial, sondern eher gefährlich und hinterhältig.

Was auch immer dahinter steckt, so ein Paradoxon ist es wert, sachgerecht benannt zu werden, ohne Netzwerke per se abzuwerten.  — Vorschläge …?

Das gibt es nur in den antisozialen Medien:

Eine Werbung wirbt für eine App, die jede Werbung blockiert. – In der Überschrift wird ein kostenloser Rückgriff auf die vergessenen Tiefen des Betriebssystems angekündigt. Und dann kostet es doch 1,99 €. In analogen Zeiten hätte sich das niemand getraut.

Wer will sowas kaufen? – Ich nicht!

Handy an den Mann gebracht

Liebe Verbraucher und Verbraucherinnen:

In den sozialen Medien wird aggressiv dafür geworben, sein altes Handy zu verkaufen. Als Argument wird der hohe Wertverlust ins Feld geführt.

Würde ich dem nun Folge leisten, dann wäre ja mein Handy weg. Ich müsste ordentlich viel Geld dem Erlös hinzufügen, wenn ich ein neues Handy würde haben wollen. Gerade bei neuen Geräten ist der größtmöglichen Wertverlust direkt mit dem Kauf verbunden. Das ist ja immer so und nicht nur bei Handys. Und nach dem Kauf würde mir sofort jemand plausibel machen, dass mich der Verkauf vor dem Wertverlust schützt. – Und täglich grüßt das Murmeltier … merkste selbß …

Das Tattoo – etwas zu lesen

Junge Leute tragen gern Tattoos – heißt es in irgendwelchen Medien. 

Ich ergänze: Auch die Supermarktkassiererinnen tragen gern Tattoos.

Heute wollte ich am Ende des Einkaufs den einen Arm einer Kassiererin zu Ende lesen. Da hatte sie lange Ärmel an. – Vielleicht hätte ich mal fragen sollen. In der kälteren Jahreszeit haben die Tattoos es als Botschafter oder gar als Edelpresse irgendwie nicht so besonders gut.

Quizökonomie

Das Fernsehquiz „gefragt – gejagt“ in der ARD ist so konzipiert, dass der Moderator Pommes (das hört er nicht gern) eigentlich ohne Unterlass von Sendung zu Sendung dasselbe sagt. Er variiert nur von Quizfrage zu Quizfrage das zu erratende Phänomen.

In die Dekoration des Studios wurde speziell eine Stufe eingebaut, damit er zumindest die Möglichkeit der finalen individuellen Ansprache der Kandidaten in freier Rede gestalten kann. Er nutzt diese Möglichkeit nicht. Er sagt immer nur: „Vorsicht, da ist ne Stufe, fall nicht!“ Man könnte die Stufe ja nun wirklich weglassen.

Aus der Werbung: Luft nach oben!

Das neue iPhone Air ist so dünn, dass es in einen Briefumschlag passt.

Ich aber sage euch – und brauche dazu nicht einmal eine Abbildung:

Es ist umständlich, wenn ich das iPhone Air immer erst aus dem Briefumschlag pulen muss. – Wer das wirklich einmal probiert haben sollte, der wird sagen, dass das nun überhaupt nicht geht.

Ein Handy oder der Kommunikator – unverwüstlich

Mitte der 80er Jahre

habe wir im Familienverbund

solche Handys gebaut.

Jeder konnte seine Ideen und Talente

in der Produktentwicklung umsetzen.

Das Handy hat ohne zu murren

seinen Zweck erfüllt.

Es liegt immer noch auf irgend einer Fensterbank, 

bis es gebraucht wird

Geile Klamotten

Cannes steht jährlich im Fokus der Cineasten. Wie bei vielen, aber beileibe nicht allen Festivals dieser Art, ist es eingekleidet in ein Showlaufen auf rotem Teppich, auf dem dann sogenannte Stars der Filmszene sich so aufregend zurecht machen, dass sogar auch die Yellow Press anrückt. Es wird auf allen Kanälen berichtet, wer für welches Outfit läuft und sich dann auch noch pudelwohl fühlt.

In diesem Jahr ist es anders. Es wurde mit einem Schwerpunkt für Frauen eine Kleidervorschrift erlassen. Es soll ob sofort sehr wenig Haut gezeigt werden, es soll keine Kleider geben, die viele Raummeter bedecken und die High Heels sind durch Schuhe mit flachen Absätzen zu ersetzen.

Es scheint so, dass die Betroffenen das die Vorschrift sehr begrüßen.

Mich entsetzen solche Vorschriften und würde mich ihnen niemals beugen. Es gibt ja keinen Grund, für Festivalbesucher die Freiheitsrechte einzuschränken. Dass man dort nicht unbedingt in unbequemer Kleidung auftritt, dann sehr vernünftig sein. Aber das kann jeder selbst regeln. Dazu braucht sie keine Vorschriften. Die Chance zur Vielfalt regiert von jeher die Kultur. Und deshalb falle ich auch immer ganz besonders auf!

Buch genuch

Der Sternverlag in Düsseldorf war einstmals mit 9000qm Verkaufsfläche die größte Buchhandlung Deutschlands. Es war ein Paradies! Allerdings gingen im großen Umkreis sehr viele höchst qualifizierte Fachbuchhandlungen pleite, weil die Kunden den Sternverlag bevorzugten. Nach neun Jahren Leerstand wird das Gebäude im Dezember 2024 abgerissen. Gebaut wird dort nun ein Hotel mit Tiefgarage … – wahrscheinlich ohne Bücher. Die Bücher sind zwischenzeitlich auf praktische Lesegeräte emigriert worden. Man kann sie um Mitternacht noch vereinzelt im Fernseher (Literarisches Quartett) sehen. Dort werden sie zum Tode gelobt.