Buch genuch

Der Sternverlag in Düsseldorf war einstmals mit 9000qm Verkaufsfläche die größte Buchhandlung Deutschlands. Es war ein Paradies! Allerdings gingen im großen Umkreis sehr viele höchst qualifizierte Fachbuchhandlungen pleite, weil die Kunden den Sternverlag bevorzugten. Nach neun Jahren Leerstand wird das Gebäude im Dezember 2024 abgerissen. Gebaut wird dort nun ein Hotel mit Tiefgarage … – wahrscheinlich ohne Bücher. Die Bücher sind zwischenzeitlich auf praktische Lesegeräte emigriert worden. Man kann sie um Mitternacht noch vereinzelt im Fernseher (Literarisches Quartett) sehen. Dort werden sie zum Tode gelobt.

Ramses Superstar

Krokodilsarg – so etwas ist kaum noch in Gebrauch …

So heißt die aktuelle Ausstellung mit archäologischen Fundstücken in Köln zwar nicht, sie ist aber als ein Objekt der Begierde so aufgebaut, als ob es genau darum gehen würde. Man gerät in der Ausstellung sehr schnell in eine Situation, die als Überfall mit haufenweise selektiven Informationen, dudeliger bis welterschütternder Musik, ständiger Bewegung greller Bildanimationen aus dem Colt der Multimediabefeuerer angerauscht kommt. Davon ab setzen sich mit brauchbarem Licht inszenierte Artefakte, denen bereits über 3000 Jahre derartige Inszenierungen vorenthalten waren. Sie halten das stoisch aus, auch wenn – aus ihrer Sicht – gänzlich aus der Zeit gefallene Menschen nicht aufhören, sie auf Fotos in die heimischen Datenbanken zu tragen. Ich bin nicht einmal sicher, ob die Objekte der Ausstellung wirklich so alt sind. 

Die würdevolle Schlange an der Stirn ist unverzichtbar.

Mir ist bekannt, dass bei ausgewählten Prunkbauten des geldbeschwerten Adels der teure Marmor aus Italien nicht hochwertig genug war und durch mühsam veredelten Handwerksputz ersetzt wurde, der die Macken der Natur ausmerzte und einen Marmor suggerierte, der wirklich makellos gleichförmig und aber teurer war, als der echte Marmor selbst. Es geht dabei um eine Handwerkstechnik, die bei fälligen Renovierungen immer wieder verschollen sind und mühsam neu erlernt werden müssen. 

Der Skarabäus – also der Mistkäfer – war der Star im alten Ägypten und hat die Jahrtausende überdauert.

Warum sollte man also nicht täuschend echte Mumien, Särge und alle anderen gestaltete Materialen wie Schmuck und Steine mit neuesten Technologien nachgestalten? Es würde kein Auge vor der Showvitrine beleidigen und die Versicherung von unbezahlbaren Ausstellungsobjekten preiswert und akzeptabel gestalten. I‘m fine with that. Überprüfen kann ich es in der Ausstellung eh nicht. Am Ende der Ausstellung sagte aus dem Off eine bedeutungsgeladene sonore Männerstimme über Hern Ramses: „Nach seinem Tod war er unsterblich!“ Da wusste ich, dass die ganze Show mit einer derart heißen Nadel gestrickt worden war, dass es ungewollt sogar lustig rüberkommt. Nach dem Ende gab es – mit  einer erheblichen Verzögerung in einer Schlage von Ausstellungsbesuchern – zum Aufpreis noch ein „immersives VR- Erlebnis“ als Aperçu auf einem bewegungsgesteuerte Sessel mit passendem Sehgerät und Kopfhörer: Die wohlgeformte Frau Ramses führte vor 3000 Jahren durch zahlreiche Räume mit ein paar Erschreckungseffekten. In den engen Durchgängen von Raum zu Raum hatte ich wohl stets die Angst, ich würde mir an den Mauerecken die empfindlichen Knie aufschlagen. Puhhhh – es ist noch mal gut gegangen.

Ach – das muss ich noch sagen: Den dramaturgisch erforderlichen Feind mussten übrigens leider mal wieder die Hethiter abgeben. Sie wurden von den heroisch überlegenen Ägyptern übelst massakriert. Deshalb konnte der Rest als reines Gold, zumindest aber wirklich sehr, sehr schön rüber kommen. In einer Ausstellung über die Hethiter wäre es sicher andersrum. Aber dazu fehlen ausreichend Fundstücke.

Newsnews 

Die Tagesschau reformiert die Begrüßungsformel und streicht darin „… meine Damen und Herren“. 

Die Sprache lebt von ihrer Vielfalt, also von ihren Möglichkeiten.

Nur in seltenen Fällen ist es ratsam, bestimmte Redewendungen verbindlich zu machen. Man sollte sich dabei aber im klaren sein, dass sie damit aus der Zeit fallen, weil sie der Vielfalt und der Entwicklung beraubt wurden. Gerade Nachrichtensprecher werden derart mit Vorgaben überhäuft, dass sie gern den Job wechseln, bevor es zu spät ist und sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden und nur noch für ihre schöne Stimme bezahlt werden. Sprechvorschriften folgen meist der Idee, dass man irgendetwas derart richtig sagt, dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Man unterdrückt damit aber, dass das Missverständnis existenziell mit der Sprache und dem Verständnis des Gesprochenen verbunden ist. Wer mit scheinbar richtigen Formeln eingedeckt wird, verlernt schon bald, gesprochene Worte mit einer Bedeutung und Bewertung  in Eigenleistung auszustatten. Reformen fester Redewendungen erübrigen sich, wenn man der Sprache, den Sprechenden und den Zuhörenden zutraut und zumuten, sich in Kontexten zu entwickeln und ziemlich viel zu verstehen, sogar Missverständnisse.

In der Praxis kommt mir die abendliche Ansprache nun sehr gezwungen vor: Früher wurde zumindest der Mainstream angesprochen, jetzt niemand mehr so direkt. Früher waren die Nachrichtensprecher sehr geschätzt. Das war in der Zeit, als es noch keine Nachrichtensprecherinnen gab. Sie gehörten zuverlässig zur Familie und wurden sehr geschätzt. Heute sind Anchorman und Anchorwoman fast verzichtbar. Sie folgen den Fernsehansagerinnen ins Altenheim und sitzen dort vor der Glotze.

Mein ehrlicher Kuchen

Ein Kuchen ohne Hilfe eines professionellen Bäckers kann vorteilhaft sein.

Ich habe heute einmal einen Kuchen gebacken.  Es ist nichts besonderes: Hefeteig, Kirschen aus dem Glas und Streusel. Dass besondere ist aber, dass ich so viel Hefeteig verarbeitet habe, wie üblicherweise für zwei oder drei Bleche gebraucht wird. Es ist eine unsägliche Entwicklung in der Praxis der Profibäcker, dass man den Teig knapp hält und dann aber den Kuchen mit viel feuchtem Zeug und viel Zucker  und etwas Farbe hochpimpt. Der Konsument muss sich darauf einstellen, dass er auf süß und nass abfahren muss, um solchen Kuchen zu mögen. Bäcker verschweigen gern, dass sich ihre feucht-süßen Kuchen eine verhältnismäßig lange Zeit verkaufen lassen. Das ginge bei meinem Kuchen nicht, aber ich verkaufe ihn ja auch nicht. Besser ist es, wenn ein Kuchen frisch gegessen wird. Bei einem Hefekuchen ist das am besten an Tag des Kuchenbackens.

Also mein Kuchen schmeckt mir fabelhaft. Weil er aus kommerziellen Zwängen befreit ist, kann ich ihn überhaupt backen.  Es ist eine Freude, den Standardbäcker einfach mal abzuschalten. 

Übrigens gilt die Unsitte nass auch für gekochte Speisen. Dabei kommt anstatt süß die Eigenschaft knackig als weitere Unsitte hinzu. In Soße ertränkte Speisen und knackige Salate  sind mir ein Gräuel, wie auch die vertikale Anrichtung der Speisen und alle Geschmacksexplosionen.

Ziemlich sperrig

Beim Blick aus dem Fenster denke ich seit mehreren Tagen darüber nach, dass der Sperrmüll einem erheblichen Bedeutungswandel unterliegt.

Neu und alt sind kaum noch zu unterscheiden. Bisher muss man seinen Sperrmüll ja anmelden, bekommt dann auch einen Termin und muss schließlich alle Gegenstände aufzählen, die dann bereitstehen werden. Das funktioniert wohl aus verschiedenen Gründen alles nicht so richtig. Nach der Abholung sieht man noch für ein paar Tage – dort wo der Bürgersteig doch noch arg versperrt ist – was kein Sperrmüll war.

Adieu

Der am 29. September 2024 zurückgetretene FDP-Generalsekretär Djir-Sarai will mit diesem Rücktritt irgendeine Glaubwürdigkeit retten. So sagt er es. Er hatte die Inhalte eines internen FDP-Papiers falsch dargestellt, obwohl die Presse bereits das Papier zur Verfügung hatte. Eigentlich hat er schon damals (vor 12 Jahren) mit seiner gefaketen Dissertation seine Glaubwürdigkeit eingebüßt. Damit war er in der FDP offenbar gut gelitten. Jetzt ist hoffentlich der Lindner im freien Fall, der die FDP zu Tode taktiert hat. Er fragt tatsächlich immer noch in der Öffentlichkeit, was die Presse denn überhaupt Erhebliches zu melden hat über ein Papier das in der FDP angeblich kaum jemand kennt, aber doch in seinem Nebenzimmer verfasst wurde.

Die generalstabsmäßige Sabotage und Auflösung der Regierungskoalition  durch die FDP – wie sie in dem jetzt diskutierten Papier vorbereitet war – war eine üble Show, die jede politische Absicht und Verantwortung vermissen lässt und in ihrer Geschmacklosigkeit wohl als letzte Zuckung einer Partei zu werten ist. Zum Glück hat unter demokratischen Bedingungen der Bürger das letzte Wort. Der Bürger ist auf jede einzelne Partei nicht angewiesen, die Parteien auf den Bürger aber schon.

Zur Geschichte der Aktualität

Wer liest schon, was alles so geschrieben steht?
Es werden nur wenige sein. Meistens haben sie auch nichts verpasst. Zum Beispiel den Hinweis darauf, dass eine Firma umgezogen ist. Ich habe das heute in Neuß lesen müssen. Hinter dieser Mauer war also eine Spedition. Der Innenhof ist zugepflastert und trägt einen spärlichen Bewuchs hartnäckiger Grünpflanzen. Unsortiert stehen in dem Hof ein paar Personenkraftwagen rum. Alles wirkt trostlos und aus der Zeit gefallen. Jetzt nehme ich mir zum Zweck der Erkenntnis das Schild noch einmal vor: Wir leben im November 2024. Dem Umzug wird im nächsten Jahr ein 20-jähriges Jubiläum zustehen. Ich hätte das nicht lesen sollen, spiele aber doch mit dem Gedanken, der Firma zu gratulieren.

Gute Missverständnisse – oder was ich eigentlich sagen will

Es ist ja bekannt, dass sich Sprachen weiterentwickeln so lange sie genutzt werden. Sprachen sind zur überdauernden Sicherheit aller Sprechenden sowohl beständig als auch innovativ. Es geht dabei um gegenläufige Bewegungen, die trotzdem unmittelbar zusammengehören. Manche Menschen halten – je nachdem, wo sie sich in der Gesellschaft verorten – das eine oder das andere trotzdem für einen Graus.

In der Welt des errechneten Durchschnittsbürgers, wird in der Kultur ganz besonders die Sprache bewahrt und zu diesem Zweck sehr vieles als richtig und falsch markiert. Der errechnete Außenseiter hat dagegen eine bevorzugte Freude an Neuerfindungen im Sprachgebrauch. 

Ich nenne einmal einige unbedeutende Beispiele: Ein Neffe, ein „waschechter“ (?!) Deutscher, ist durch eine Fügung in den Niederlanden groß geworden. Er war bereits als Kind ein Autofan und gleichzeitig ein doppelter Nativspeaker mit notgedrungen reduziertem deutschen Wortschatz. Das merkte man im Alltag aber nur sehr selten. Eines Tages erzählte er mir etwas von Bändern. Er meinte damit die Autoreifen, die auf niederländisch Banden heißen. Als Freizeitgrenzgänger vom Niederrhein konnte ich damit etwas anfangen. Es war aber im Mittelpunkt des deutschen Sprachgebrauchs wohl ziemlich unverständlich und unbrauchbar. Gestern sagte in den deutschen Medien ein deutscher Däne völlig akzentfrei „in der Beginnung“ und ich dachte für einen Moment, es müsste „am Anfang“ heißen, bis ich mich damit anfreundete. Oft sind auch Kinder in der Zeit ihres frühen Spracherwerbs die innovativen Außenseiter der Sprache. So hat eine enge Verwandte von mir in der Grundschulzeit ihre selbstverfassten Textstücke lange Zeit als eine Literaturgattung namens „Nachdenkung“ überschrieben. Für mich sind das alles Geschenke, die ich hin und wieder in meinen Sprachgebrauch übernehme, sofern ich denke, dass ich trotz aller Widerstände verstanden werden kann.  Ich spreche also niemals ausschließlich allgemeinverständlich. Das Sprachprinzip Fuzzylogic nimmt nicht nur den Sprechenden, sondern auch jeden Zuhörer in die Pflicht. Verstanden werden und verstehen gehören also zusammen. – Sprache funktioniert schließlich nur mit Missverständnissen und ohne sprachpolizeilichen Allüren richtig. Das ist doch eine gute Aussicht – auch gegen alle cancelkultürlichen Bestrebungen.

Gerade lese ich, dass Busfahrende in Berlin sehr wenig verdienen. Vielleicht sollte ich auch öfter mal Bus fahren. Schüler sind dort aber wohl auch Busfahrende im Nebenjob.

Ich spiele gern so rum

Im Studiengang Schauspiel bieten sich  nach Medienlage Studiengänge für Fachschauspieler an. Diese Idee basiert auf der Erfahrung, dass unverhältnismäßig viele Schauspieler in Fernsehserien mit vielen Polizisten und Ärzten landen. Ein Fachschauspieler Polizei entspricht zum Beispiel selbstverständlich nicht der Grundausrichtung der Studienanfängerinnen, bietet sich aber über kurz oder lang in der Schauspielpraxis an. Wenn man die Gesetze kennt, Handschellen anlegen kann und den fürsorglichen Druck auf den Kopf des Delinquenten beim Einstieg in den Streifenwagen beherrscht, sieht es am Set doch gleich sehr viel besser aus. Man könnte mit dem Studium sogar eine Doppelqualifikation im Sinn eines dualen Studiums verbinden und die Berufsmöglichkeiten von Schauspielern erweitern und ganz nebenbei sogar zur Entlastung des Arbeitsmarktes beitragen. In der Fachdisziplin Schauspieler in der Medizin wäre das auch möglich. Man könnte professionelle Spritzen setzen, spektakuläre Wundversorgungen vorführen und die Abrechnung mit der Krankenkasse verantworten sowie den kranken Hilfspfleger zur Extraschicht motivieren. Man könnte sogar folgende ärztlich Zweitmeinung kultivieren: „Sie sehen Scheiße aus.“

Ich schreibe das nur, weil ich mit Vorliebe den eingebildeten Kranken spiele, um ärztlich Fähigkeiten auszutesten und die Polizei mit den vorgespielten Straftaten eines SchLauspielers hinters Licht zu führen.  Das bildet ungemein. Mein Spezialgebiet ist es, Gefühle zu zeigen, die ich überhaupt nicht habe.  – Nehmen Sie die Waffe runter!!!

Die Einbahnstraße

Wenn man bestimmte Orte öfter anfährt, folgt die Parkplatzsuche meist bestimmten Ritualen. Heute bin ich dabei von der falschen Seite in eine Einbahnstraße gefahren. Die Einbahnstraße gab es bisher nicht. Ich hatte es also nicht für nötig gehalten, die Beschilderung zu überprüfen. Allerdings hätte ich mich vermutlich auch bei einer kognitiveren Aufnahme der neuen Beschilderung von der unzulässigen Seite in die Straße begeben. Mein Parkplatz war nämlich der erste hinter dem roten Schild mit dem weißen Balken. Der zugelassene Weg dorthin wäre ungefähr einen Kilometer weit gewesen. Niemand würde um einen Park und einen großen Wohnblock herumfahren, um einen vielleicht noch unbelegten Parkplatz zu ergattern.

Als ich wieder weg fuhr, dachte ich einen Moment daran, dass meine übliche Sorgfalt durch Alterserscheinungen ausgebremst wird. Da fühlte ich mich dann aber doch rehabilitiert und gut aufgehoben, als ich meine Parklücke nicht verlassen konnte, weil auf der Straße ordentlich Verkehr war. Direkt hintereinander fuhren insgesamt sieben Autos – alle in der verbotenen Richtung. Ich hätte gern den Verkehr dort noch weiter beobachtet. Ich habe mich dann aber doch gezwungen, diesen wilden Tatort nachdenklich zu verlassen.