Brauchtümer

Die Idee vom Brauchtum wandelt sich im Zeitgeist. Dabei gilt das Brauchtum eigentlich als stark veränderungsresistent. Das Ergebnis ist, dass fast alle Brauchtumssegmente sehr viele Innovationen aufnehmen, aber das Brauchtum insgesamt mit dem Gütesiegel uralt und unverrückbar zur Imagepflege hochgehalten wird. Da ist es kein Wunder, dass auch Events zurechtgebastelt werden, die dann mit der ersten Wiederholung direkt als Brauchtum angekündigt werden.

Halloween ist so eine typische Sache. Es sind aber auch die zahllosen Events, die erst durch die LED-Technologie möglich wurden. Der Martinszug mit elektrischer Laterne ist fragwürdig, der Weihnachtsmann ohnehin. Die ganzen Weihnachtsmärkte haben keine Tradition, die wirklich traditionell wäre. Und das, was dort vermarktet wird orientiert sich fast ausschließlich am Zeitgeist, der sich gar von Jahr zu Jahr wandelt. Es ist zu einfach, die Erscheinungen, die in den Markt der Traditionen drängen ein oder aus zu sortieren. Es würde aber reichen, die Wandelbarkeit des Brauchtums wertzuschätzen. Dann kann man sich immer noch von Fall zu Fall abwenden, vor allem, wenn man die Trittbrettfahrer erkannt hat. Verbindlichkeit gibt es da nicht.

Jahresendmarktgeschehensvorerwartung oder: Süßer die Glocken nicht klinge(l)n …

Die jetzt wieder aufkommenden Weihnachtsmärkte sind optimal konfektioniert.

Selbst für das frische Grün muss man nicht noch extra sorgen. Die üblichen Verdächtigen warten auf ihren Einsatz. Nur die Preislisten müssen wohl erneuert werden.

Auf dem Boulevard flaniert

Die Boulevardisierung der öffentlich-rechtlichen Medien sehe ich als großes Problem. Wenn man sich in den Rundfunkanstalten nichts traut, bedient man den Mainstream. Dort ist der Zuspruch meist sicher. Wer anspruchsvoll Medien nutzen will, ist auf ungünstige Uhrzeiten angewiesen oder nutzt kleine Meinungsblasen im Onlinebereich.

Das Mittelschichtwandern der mittelprominenten Moderatorin Judith Rakers im gediegenen Mittelgebirge mit mittelunterhaltsamen Kommentaren ist so ein seltsames Ding, dem kaum etwas Besseres folgt noch voraus geht. Das ist ideal, um die wertvolle Zeit totzuschlagen. 

So lange die Rundfunkgremien konsensorientiert ausgerichtet sind wie Parlamente, bleibt das kreativ abweichende Potential an den Rändern der Gremien unentdeckt. Und anstaltsintern weicht man davon auch nicht so ganz gern ab. Das Potential der Medien liegt sicherlich außerhalb dessen, womit Privatsender Geld verdienen.

Nackt 2.0

Nur was lustig ist und sich reimt, das bleibt hängen.

Die angeblich vorrangige Orientierungsnorm in der praktischen Medizin lautet:

Durch Hemd und Hose keine Diagnose.

Diagnose: Rainbow feet

Ich sag ja: Nur was lustig ist und sich reimt, das bleibt hängen.

Leuchtende Untersetzer 

Die Batterieproduzenten haben die Knopfzellen als hervorragende Einkommensquelle entdeckt. Diese kleinen runden Dinger sind vergleichsweise teuer und meist wackelig hinter winzigen Schrauben verbaut. Sie werden in ihrer Vielfalt in seltsam zusammengestellten Verpackungen unter die Leute gebracht, so dass meist mehr als die Hälfte ungenutzt altert und nutzlos als Sondermüll entsorgt werden muss. Damit sind die Bewirtschafter unserer Gier nach Licht und allerlei Automatismen ohne ein Stromnetz aber nicht zufrieden Sie überlegen sich Tag für Tag neu Gimmicks auf Batterieknopfbasis. Das sind natürlich auch massenweise Grablampen und Teelichter, die nur den Anschein von Wärme verbreiten und ständig nachgefüttert werden müssen. Wegen des Überflusses werden sie schon lange nicht mehr von den Gräbern geklaut.

Heute ist wohl der Höhepunkt erreicht! Vor allem, für den Fall, dass ich Besuch habe empfiehlt sich mir ein Untersetzer mit eingebautem Licht. Erst wenn ich ein Bier oder einen edlen Schaumwein drauf setze, am besten bei gedämpften Licht, erstrahlt das Glas mit seiner prickelnden Fülle. Wer will da noch die Niagarafälle oder andere Wunder dieser Erde sehen?

Würde ich solche Dinger haben, würde ich mich allerdings furchtbar schämen. Wenn mein Nachschub an Batterien stockt, dann würde es wieder gehen. Niemand merkt dann, dass ich immer noch das Bierfilz alter Prägung bevorzuge.

Light up your drinks!…

Die Grundzüge

Ich erkläre gerade die Grundzüge des Fußballspiels. Wann, warum und wie die Akteure in die Räume gehen, versetzt meine Zuhörer in ein erwartungsgeladenes Erstaunen.

Morgen werde ich die  Halbfeldchips ins Nichts erklären.

Und – angeregt durch die laufende Weltmeisterschaft – noch etwas:

Ich habe gerade entwickelt, wie eine Fußballmannschaft in einem Turnier bestehen kann, obwohl sie nach aller Erfahrung nicht zu den Topmannschaften zählt: Wenn man vergleichsweise sehr schnell laufen kann und in Bedrängnis den Schuss ins Seitenaus beherrscht – vorzugsweise mit einer unvermeidlichen Berührung durch den Gegner -, dann hat man schon die halbe Miete, die man noch mit punktueller und ungezügelter Leidenschaft anreichern kann. 

Die Regierung in Peking wird zweifelsfrei in ein paar Jahren eine Topmannschaft ins Feld schicken.

Die organisierte Ungläubigkeit

Dass der Papst reist, das ist mit der Zeit selbstverständlich geworden. Dass er am jeweiligen Reiseziel nicht umhin kann, mit Abordnungen von Menschen zu sprechen, die von der Katholischen Kirche missbraucht wurden, ist aber auch zur Selbstverständlichkeit geworden. Angesichts katholischer Entwicklungshemmnisse wird es zukünftig wohl ohne Ende so weiter gehen. Bei allem Verständnis für die Opfer, sollte der Papst auch Verständnis für die Täter und den katholischen Rechtfertigungs- und Vertuschungsraum aufbringen. Dann könnte er dem Spuk mit geeigneten Mitteln an beiden Fronten ein Ende setzen.

Die Buchstabensuppe

Ich habe ja ein Faible für die Macht der wortbasierten Sprache. Manchmal überlege ich, was ich zeichnen würde, wenn ich die dazu erforderliche künstlerische Übung hätte, während das Talent vor sich hin schlummert:

„Der Wörtersee – ein Sittengemälde“

Schall und Rauch

Das ist jetzt nur ein Witz.

Fragt die Lehrerin am ersten Schultag: „Na, wie heißt du denn?“

„Ich heiße Ole.“

„Und dein Alter?

„Der heißt Swen.“

Der Herbst ist eine usselige Jahreszeit

Der Literarische Herbst in Leipzig lässt diesmal Alice Schwarzer mit einem selbstgeschriebenen Text in die Bütt. Dreiunddreißig Literaten verlangen nun eine Absage der Lesung wegen der seit langem umstrittenen Positionen der alternden Ikone der Frauenbewegung. Zahlreiche Kooperationspartner des Literarischen Herbstes haben sich wohl aus dem gleichen Grund zurück gezogen.

Ich meine: So eine Veranstaltung ist kein Ehrenpreis mit dem Kern Lobhudelei. Wenn man sie schon einlädt, soll sie lesen, was sie für wichtig hält und sich der Gegenrede stellen. – Das wäre auch ein guter demokratischer Brauch. — Eingeladen hätte ich sie freilich nicht. Sie ist nur noch ein Ärgernis.