Citylike

Dort, wo Mönchengladbach ordentlich an Höhe gewinnt – nur unwesentlich abseits vom Alten Markt – ist es trist. Es ist selbstverständlich wirtschaftlich, bereits 25 Jahre vor der Jahrhundertneugestaltung für die Ewigkeit die lästigen Alltagskosten einzusparen.

Man hätte wenigstens mit farbenfrohen Fähnchen die Hinterlassenschaften gedankenloser Hunde markieren können. Die nahegelegenen Floragevierte laden trotzdem den einen und die andere zum Stöbern und Verweilen ein.

Das Lied der Deutschen

Zum Beginn der neuen Fußballsession 2024 hat vor dem ersten Spiel eine Sängerin im Stadion die deutschen Nationalhymne gesungen. Sofort gab es in den Medien Kritik wegen der eigenwilligen Intonation und der technischen Mängeln bei der Übertragung.

Ich aber sage euch: Gäbe es für die Nationalhymne keinen interpretatorischen und technischen Spielraum, gäbe es auch keine Musiker und Techniker, die sie singen spielen und durch die Lautsprecher blasen. Und eine grundsätzliche Toleranz entspricht dem Konsens aller Demokraten. 

Ich denke gern an die dekonstruierte amerikanische Nationalhymne, die Jimi Hendrix damals in Woodstock zum besten gegeben hat. Sie ist bis heute ein unübersehbares Denk-Mal.

Pizza Chicago Style

Die Pizza ist so eine Sache, die auch ohne Rezept oft zu schmackhaften Ergebnissen führt. Sie bietet sich geradezu für Innovationen an.

Mit einem autoritären Charakter ausgestattet, sucht man trotzdem unweigerlich nach einem „Original“.   Das fängt schon damit an, dass man vorträgt, die Pizza würde im Plural Pizze heißen. Da die  Pizza seit der Mitte des letzten Jahrhunderts weltweit eingebürgert wurde, gibt es eine unüberschaubare Vielfalt, die sich nicht nur auf den Belag beschränkt. Trotzdem ist die italienische Pizza die Referenzpizza für alle Abweichungen. Das liegt vor allem an den traditionell bodenständig wie weltläufigen Italienern, die nahezu weltweit Filialen für italian Food eingerichtet haben. Wohl deshalb wird auch die Geschichte weitergereicht, die italienische Grammatik würde auch den Plural  von Pizza festlegen. Das ist aber nicht so. Jede Sprache hat ihre eigene Grammatik, die immer auch für die Einbindung ausgeliehener Wörter gilt. Gerade gebildete Menschen mit autoritärem Charakter lassen das nicht gern gelten. Ihnen sind mehrere richtige Grammatiken suspekt und sie verlieren damit auch ihr Selbstverständnis, polyglott zu sein. Genauso wenig mögen sie alle Abweichungen von der „original italienischen Pizza“, die selbst in Italien bereits regionale Besonderheiten aufweist. 

Ich verfolge gerade die deutsche Debatte darüber, ob die Pizza Chicago Style, eine umgedrehte Abfolge der Beläge der italienischen Pizza etabliert. Dazu muss man wissen, dass die deutsche Pizza von Deutschen in der Regel für eine Pizza gehalten wird, die mit der italienischen identisch oder sogar besser ist. Dabei ist es so, dass in Italien der Käse in der Regel direkt auf die Tomaten kommt. Das bietet sich auch an! Denn anderenfalls würden die weiteren Zutaten abgeriegelt im Käse kochen, anstatt obenauf zu garen, Geschmack und eine angenehme Textur zu entwickeln. Der Deutsche neigt dagegen dazu, in einer Überbacken-Hysterie, den Käse obenauf zu platzieren – oft doppelt. Ich nenne das mal, wegen der großen Verbreitung in deutschen Haushalten, die deutsche Pizza. Ich mag die ja nicht. So gesehen ist die Pizza Chicago Style eigentlich eine Umkehr der deutschen Pizza: Der am Rand hochgezogene Boden wird üppig mit Käse gefüllt. Darauf kommen Tomaten und dann weitere Zutaten. – So vielfältig ist die Pizza. Man wird sie nicht in allen Varianten mögen.

Was ich auf keinen Fall mag, ist die unaufhaltsam gehandelte Auftaupizza und die Fastfoodpizza, die mit einem Aufpreis von 1 €  pro Zutat auch eine weitere Schicht von einem Zentimeter hervor bringt. Weniger ist mehr Geschmack und bessere Konsistenz – wenn Oregano dabei ist.

Funktionale Arbeitslosigkeit im Korsett organisierter Geldgier

Alle Gemeinden brauchen auch Geld, um ihre Aufgaben erledigen zu können. Bestimmte Einnahmen sind den Gemeinden vorbehalten und sie haben viel Fantasie, um mit wenig Aufwand viel Geld einzunehmen. Grundsätzlich finde ich das auch richtig, so lange nicht die Gerechtigkeit und die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke bleiben. Ich kenne unzählige Beispiele aus eigener Erfahrung.

In diesen Tagen flatterte wieder eine fragwürdige Geldforderung auf meinen Tisch. Es ging um das Regenwasser, was nicht im Garten versickert, sondern über das städtische Kanalisationssystem entsorgt wird. Man weiß offenbar genau, wieviel Wasser vom Himmel kommt und dann auf das Haus und andere versiegelte Flächen fällt. Aufs Jahr wird das genau ausgerechnet und mit dem Preis einer bestimmten Einheit multipliziert. Bei mir kommen bei weitgehend normalem Wetter ungefähr 150 Euro im Jahr zusammen. Weil die Stadt das Geld nicht im Nachhinein haben will, sondern dann, wenn der Regen gerade gefallen ist, gibt es ein Pauschalsystem, an 6 Stichtagen im Jahr jeweils einen Teilbetrag zu leisten. Einmal im Jahr wird abgerechnet und dann weiß man, wie viel Geld übrig ist oder zu wenig gezahlt wurde. Ich hatte in diesem Jahr ein Guthaben von 32,81€. Und meine neuer Teilbetrag lag – wie der alte – bei 33€. Daraus folgte, das ich dem Guthaben noch genau 19 Cent hinzufügen musste, um den ersten Teilbetrag zu gewährleisten.

Und jetzt kommt es:

Weil die Teilbeträge auf Erfahrungen und Schätzungen beruhen und die Stunde der Wahrheit nur einmal im Jahr schlägt, habe ich entschieden, die Schätzungen nun nicht mit einer Überweisung von 19 Cent aufzufüllen und stattdessen getrost die nächste Jahresabrechnung abzuwarten. Das ist doch wohl sehr vernünftig!

In diesen Tagen kam nun aber ein dreiseitiger Brief der dreistautomatischen Art als „Zahlungserinnerung“.

Zitat: „Vielleicht haben Sie den Termin der Fälligkeit übersehen“ Und dann wird mir vorgerechnet, dass tatsächlich 19 Cent bei der ersten Abschlagszahlung fehlen.

Als ich das oberflächlich gelesen hatte, habe ich zunächst ja gedacht, ich selbst wäre ziemlich aus der Spur. Dann habe ich mir den Vorgang einmal auf den Desktop legen lassen. Anschließend wurde ich wütend ob der verschwendeten Zeit – nicht nur meiner Zeit.

Ich hätte dem Fachbereich Steuern und Grundbesitzabgaben der Stadt antworten können, dass mir nichts entgangen ist, und dass ich am Ende des Abrechnungszeitraum ohnehin mit einem Guthaben rechne, das nicht einmal verzinst wird. Ich habe in jedem Jahr ein Guthaben. Ich würde gern die 19 Cent als entgangene Zinsen für mich buchen. Hilfsweise würden die 19 Cent in der Endabrechnung zweifelsfrei ihren rechtmäßigen Eigentümer finden. Aber weil ich ja verschwenderisch viel Geld habe, habe ich nun spitzfindig 19 Cent überwiesen, um den Empfänger zu beschämen.

Aber ich vermute längst, dass denen das Produkt Blödsinn überhaupt nicht auffallen wird. Deshalb schicke ich denen einmal diesen Text. Ja – das mache ich …

Mein Olympia VI: Spocht und Sprache

In diesen Tagen spiegelt sich der Disput darüber, ob man überhaupt Eskimorolle sagen darf …

Fachsprache der Kanuten: Kenterrolle
(verbindliches Ergebnis einer Gremienarbeit)

Alltagssprache: Eskimorolle
(Ergebnis zeitenüberdauernder Sprachpraxis)

Fachsprache der Sprachkünstler 1: nasse Frühlingsrolle
(Ergebnis von Fantasie und Denken)

Fachsprache der Sprachkünstler 2: kleines Boot in Wasserpanade
(Ergebnis von Fantasie und Denken)

Wobei die Alltagssprache sich der Ablage verbrauchter Bezeichnungen  der Fachsprache bedient und der Künstler ohnehin alles darf.

Mein Olympia V: • Über die Falle der Regeloptimierung •

Besonders dem Sport in Mannschaften liegt eine Idee zugrunde, die dann über die Spielpraxis verfeinert wird. Auch mit steigendem Trainingsniveau und mit taktischen Überlegungen werden einmal bestehende Spielregen oft so brüchig, dass nicht unbedingt die beste Mannschaft gewinnt. Als Kinder haben wir notfalls auch mit Konservendosen zwischen zwei Gullideckeln Fußball gespielt. Wir hatten keinen Schiedrichter, keinen Torhüter, keine Kleidung, die Mannschaften kennzeichnet, keine Abseitsregel und meist keine Ecke. Selbst das Spielfeld hatte keine exakten Grenzen und keine hervorgehobene Punkte und Zonen.

So, wie die Spieler performen, werden auch im Spieldiskurs die Regeln ohne Ende abgeschliffen und angebaut.

Heute gibt es Fußballverbände, die die Regeln verwalten und mitgestalten. Sie ergänzen und ersetzen das Fuzzylogicsystem der lebhaften Ungenauigkeiten durch präzise verbindliche Formulierungen. 

Mit manchen Regeln kann man das gut machen. Ob der Ball im Tor ist, ob jemand im Abseits steht oder den Ball mit der Hand berührt hat, das kann so gemessen werden, dass alle Zweifel ausgeschaltet sind. Die Technik dazu ist allerdings kostspielig und wird deshalb den armen Amateuren vorenthalten. Andere Regeln bleiben dabei ewiglich fuzzylogical zu bewerten. Dabei geht es darum, wie absichtsvoll ein Foul war und ob die Hand am Ball mehr oder weniger absichtsvoll war. Mit zunehmendem Spielniveau  werden die Regeln bei allen Beobachtern unterschiedlich bewertet und  die Entscheidung schafft unvorbereitet nur noch fragwürdige Gerechtigkeiten. Der Schiedsrichter hat derweil andere Sorgen: Er bleibt im konservativen Sinn regelgerecht, weil es sein Job ist. Daraus ergeben sich gern Redewendungen in der Berichterstattung, die gar nicht ins Regelwerk passen: „Das ist zu wenig für einen Elfmeter!“ Im Zweifel siegt also die Fuzzylogik gegen die exzessive Technik und der edle Amateur ist letztlich besser dran. Er hat ein zweifelhaftes, aber am Ende akzeptiertes Ergebnis und darf über Generationen diskutieren, ob das damals wirklich ein Tor war.

Mein Olympia IV: • Über den Reporter •

Während der klassische Rundfunkreporter in der gebotenen Geschwindigkeit alles in Sprache übersetzt hat, was er gesehen hat, führte das mitgelieferte Bild der audiovisuellen Medien vierzig Jahre später zu einer gewissen Verkommenheit in der Reporterpraxis, die ratlos macht. Man konnte ja nicht über etwas berichten, was jedermann viel besser im Bild selbst sehen konnte. Die ehemals hoch geschätzten Fußballreporter befanden sich zwischenzeitlich in einer Situation, in der sie stoisch etwa die Namen der ballführenden Spieler von vorn bis hinten emotionslos aneinander reihten.  Sprachinnovationen blieben in dieser Zeit bescheiden: „Er schlenzt das Leder!“. Mit zunehmender Qualität der Bilder war auch das Sprechen selbst weitgehend überflüssig. Fortan veranstalteten die Reporter jeweils eigene Huckepackshows und verknüpften erwartende Bilder mit gut recherchierten oder hilfreich fantasierten Hintergrundberichten und Fachsprachenschnipseln. Das brachte Hinweise hervor, dass der Protagonist im Bild bestimmt an seine Oma denkt, die auf dem heimischen Sofa mitfiebert und dass Geld keine Tore schießt.  Die argentinische Rückhand lag oft in der Luft. Solange es eine gedankliche Brücke zum Bild gab, war möglicherweise alles erlaubt, was den Zuschauer veranlasst, nicht abzuschalten. 

Es gibt heutzutage Reporter, die bereits jede Andeutung von Gefühlen in ein emotionales Drama übersetzen, das die ganze Welt mittels vorgeführter weinerlicher Schnappatmung in Schwingung versetzt und beispielsweise, das innigste Verhältnis von Reiter und Pferd in der aristokratischen Dressur zum Thema hat. Die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Bild macht sich breit. Das gesprochen Wort schickt sich an, die Bilder zu überlagern. Der Lucky Punch wird jetzt am Ende jedes Sportwettbewerbs vom Reporter ins Spiel gebracht. Und schließlich darf man rücksichtslos sagen, was man will, ohne dass die Bilder mitkommen. Man sagt dann beispielsweise, dass die Marathonläuferin gerade schwer zu kämpfen hat. Das Ergebnis sind immer mehr aus der Reporternot geborene Fakenews. Irgendwann können die Bildhersteller auch nicht mehr liefern, was die Reporter vorsprechen. Es wird am Ende mit reinen Symbolen bebilderte Hörspiele mit Zwischenexplosioneninszenierungen im Schwimmbecken geben. Die schnöde Wirklichkeit bleibt eine abgedunkelte Kulisse in der Abstellkammer. Bei der naiven Beobachtung bleibt das Glück, dass endlich jeder sagen kann, was er will, auch wenn es unerheblich ist. Dass Fakenews glücklich machen, ist unwahr. Es lässt sich aber empirisch belegen, etwa die „Emotionalexplosion am Eiffelturm“ (Zitat aus der ZDF-Berichterstattung am 3. 8. 2024)

Mein Olympia III  • Yin und Yang •

Die Leichtathletikdisziplin Gehen ist voller Kuriositäten. Wie auf der Trabrennbahn das Pferd, läuft man in hoher Geschwindigkeit in einem Stil, der sich eigentlich bei weitaus niedrigeren Geschwindigkeiten bewährt hat. Die Trabrennen werden gar als Tierquälerei gebrandmarkt und haben zu Recht die öffentliche Wertschätzung verloren. Die Geher und Geherinnen gehen immer noch, – wenn sie nicht wegen nachgewiesenem Gehfehler disqualifiziert werden. Heute läuft eine Frau Yang an der Spitze und wird auch gewinnen. Sie hat den Bauchnabel abgeklebt. Dazu dient kein Pflaster, das etwa den Windwiderstand verbessert. Der Reporter weiss zu berichten, dass sie das immer macht. Denn offenbar hattet der Fahrtwind – also der Gehwind – einmal durch den Bauchnabel den Weg zu den inneren Organen gefunden und dort erheblichen Schaden angerichtet. Ich mache mir nun Sorgen um meine bauchfreien Auftritte bei der Gartenarbeit und entwerfe bereits eine gepiercte Bauchnabelklappe mit Dichtring, die meine Kurzformel zur Rettung der Welt ziert. Da ist der Sieg! Frau Yang freut sich, dass das Zielband ihr Pflaster noch einmal ordentlich andrückt. Es hatte sich an den Rändern schon gefährlich gelöst.

Ich sage das nur, weil ich erwähnen will, dass vor Jahrzehnten einmal eine nahe Verwandte beim Zahnarzt durch den behandlungsbedürftigen Zahn regelrecht mit Luft aufgepumpt wurde und über Tage mit einem höchst mißgestalteten Gesicht in der Öffentlichkeit gekennzeichnet war, bis die Luft einen natürlichen Ausweg gefunden hatte.

Mein Olympia II • Medaillenzauber •

Manchmal erhalten die siegreichen Gladiatoren neben den Medaillen, die sie für die Ewigkeit im Feld aller Menschen auszeichnen, auch noch ein Extrageschenk. In meiner überbeanspruchten Eigenwilligkeit bin ich sicher, dass es sich dabei nur um eine SpyraThree handeln kann. Ich kann es nicht belegen. Aber es muss doch mit dem Teufel zugehen, wenn es keine SpyraThree Wasserpistole ist. Sie passt einfach ausgezeichnet zu den ausnahmslos hitzigen Wettkämpfen.

Mein Olympia I • Feierlichkeiten •

Ich habe mir die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele angeguckt. Eigentlich interessieren mich solche, meist sehr pathetischen Aneinanderreihungen von Symbolen, nicht so sehr. Die angekündigte spektakuläre Show war nun aber tatsächlich randvoll mit erstklassig dargestellten Künsten, Künstlern und mit weltbewegender Technik und Vernetzung und hat sogar ohne Einschränkung dem Regen getrotzt. Jeder Theaterregisseur, vielleicht auch jeder Filmproduzent würde sehr viele Menschenleben benötigen, um diese Vielfalt in seinem Lebenswerk unterzubringen. Die ganze Sache würde  im normalen Leben der Künstler bereits am Personal und am Geld scheitert.

Es ist zunächst ja gut, dass man für Olympia – dem Ereignis der Rekorde – rücksichtslos aus dem Vollen schöpfen kann. Nachhaltiger wäre es freilich, wenn man sein kreatives Pulver wohldosiert dem Publikum vermittelt.

Es bleibt eine wunderbare und tiefgründige Show, die so einmalig angelegt ist, dass sie danach nur noch als Konserve überleben kann und insgesamt an Redundanzen und pathetischen Überhöhungen erstickt. Allein der Endact mit Celine Dion, die sogar den reinen Pathos tatsächlich zur Kunst transformieren kann, ist ein stilechter wie würdiger Abschluss der Veranstaltung. Ich wünsche sehr, dass die lebhaft beteiligten Personen und die Ideenrealisierer im Hintergrund für die Kunst im Alltag gefragt sein werden. Sie haben es verdient und können dann auch spärliche Symbole in ein tiefes Verständnis transformieren. Dann kann man auch sehr viel mehr genießen, anstatt die Symboldeutung mit unzureichender und manchmal fehlgeleiteter Unterstützung überraschter Reporter über mehrere Stunden zu betreiben. Denn das ermüdet und lenkt ab.