Der Name schallt und raucht

Der Name ist wichtig. Der Name ist das, was einem meist bleibt, auch wenn alles verloren ist.

Aber wie spricht man einen bestimmten Namen richtig aus? Damit beschäftigen sich Diplomaten und sprechende Journalisten tagtäglich, nutzen dazu etliche Hilfsmittel und haben doch stets schlechte Ergebnisse, die noch schlechter werden, wenn Namen aus entfernten Kulturen kommen.

Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Selbst im ganz normalen Alltag verzweifeln wir selbst an den Namen von Mitbürger, die nicht gerade Müller oder Zimmermann heißen.

Diplomaten haben es vergleichsweise sehr einfach. Jedem Land gegenüber sagen sie kritiklos das, was das jeweilige Land als richtig vorgibt. Und das gilt für alle Diplomaten dieser Welt. Das hat eine Tradition, aber auch so seltsame Effekte, dass zum Beispiel Burma – auf deutsch Birma -, das schon lange außerhalb demokratischer Verhältnisse sich in Myanmar umbenannt hat. Sinnloserweise funktioniert die Diplomatensprache als Referenz, als ob sie ein Siegel für Seriosität eingebaut hätte. 

Selbst der Sportreporter, der ja stets mit unzähligen Namen jongliert, hat die Grundidee noch nicht aufgegeben, dass Namen richtig und nicht falsch ausgesprochen werden dürfen. Sie nutzen also den UEFA-Leitfaden und andere lange Listen, die vermeintlich zeigen, wie beispielsweise die Fußballspielerin Stina Blackstenius richtig ausgesprochen wird. Sie spielt in der englischen Liga und in der schwedischen Nationalmannschaft. Der deutsche Reporter nennt sie aber – wie seine britischen Kollegen – Bläckstenius. Selbst der Schwede sagt  aber Blackstenius. Mit der niederländischen Spielerin Chasidy Grant ist es nicht anders. In der englischen Liga wird sie „Gränt“ genannt, obwohl es niederländisch Grant heißt. Deutsche Reporter lernen fälschlicherweise gern von Engländern. Der deutsche Fußballer „Eel-kai Gun-do-wan“ kommt in einem Verzeichnis einfacher Sprache für Journalisten ja noch relativ gut davon.

Ich habe es im Umgang mit Freunden aus anderen Kulturen und mit fremden Namen selbst festgestellt: Es ist ein unmögliches Unterfangen, jeden Namen im vermeintlichen Originalton nachzubilden. Selbst bei kurzen Namen, bewirkt die Betonung einer der anderen Silben Unverständnis oder gar eine Bedeutungsverschiebung. Manch einer meint, er könne die Namenbestandteile des Pianisten Lang Lang unbemerkt vertauschen. Dabei liegt er sogar bereits mit seinem Ansinnen falsch, wenn er nichts vertauscht.

Für den Medienkonsument wäre es ja wichtiger, eine Orientierung zu erfahren, anstatt Namen, die verständlich unverständlich in die Irre führe.

Ich bin ja fest der Ansicht, dass es richtig und falsch überhaupt nicht gibt, wenn es um den sprachgrenzüberschreitende Namennutzung geht. Es zählt allein eine Information, die dem Konsumenten in seiner Sprache eine Wiedererkennbarkeit der Namensträgerin ermöglicht. Dazu braucht man in den Sprachräumen dieser Welt die Fähigkeit, die Sprache der Nativspeaker auszunutzen und ein für alle mal, das unsinnige Unterfangen abzubrechen, richtige Namen zu produzieren. Also man liest einfach nur das, was da steht in der Sprache, in der gesprochen wird – irgendwelche Verhaspelungen eingeschlossen. Es bleibt also der schwere Vorwurf an alle Journalisten und Diplomaten, dass sie den Ausstieg aus dem Richtig-falsch-Denken auf deibelkommraus verschleppen. Übrigens ist die französische Partei „Ressemblement National“ die nationale Sammlungsbewegung. Man kann den Namen sicher auch zitieren. Aber auf keinen Fall als „der“ Rassemblement National. Beim Baguette denken wir gottzeidank anders: „Der Baguette“ würde wohl niemand zu sagen wagen.

Um es beispielhaft zusammen zu fassen: Über viele Jahre wohnte ich in Hoisten, mittlerweile ein Stadtteil von Neuss. Die Einheimischen sagen Hoosten – also mit langem O, während alle Welt Ho-isten sagt. Das sprechzentrale i ist ein Dehnungs-i. Das kann man sprachhistorisch erklären, aber solche Erklärungen sind kein Gemeingut. Beides ist also irgendwie richtig. Man erkennt aber sofort den harten Nativspeaker.

Ein kleiner Nachtrag: Ein Sportmoderator behauptete anlässlich der diesjährigen Fußballeuropameisterschaften der Frauen, dass der Name der norwegischen Nationalspielerin Ada Hegerberg in der Aussprache sein g verliert. Das habe er so bei norwegischen Kollegen gehört – also He–erberg. Ich habe es mal für die norwegische Hauptsprache Bokmal überprüft: Das g wird gesprochen, warum auch nicht?

Trotzdem hat sich die veränderte Aussprache in Windeseile im deutschen Sportjournalismus verbreitet. Dabei hatte die Spielerin seit ewigen Zeiten auf Hegerberg gehört und sie wurde auch so genannt. Der besserwisserische Individualstil diverser Reporter kann ganz schlimme Identitätskrisen auslösen. Wenn du alles verlierst, dann bleibt dir nur dein Name – bisher!