Kleiner Memesalat

Wenn man etwas zum Meme zurechtkürzt, dann muss man vorsichtig zu Werk gehen.

Das Wort Hass unterliegt sehr stark dem Bedeutungswandel und wird vollkommen unspezifisch eingesetzt. Es hat jedenfalls gerade Konjunktur und wird liebend gern in volkstümlichen Texten zur Politik verwandt. Welchen Hass es in NRW gab, gibt und geben wird, ist noch völlig unerforscht.

Beim Rassismus ist es anders: Auch im Bereich des heutigen NRW hat Rassismus eine jahrhundertealte Tradition, die insbesondere in NRW bis in die jüngste Gegenwart vor der Thematisierung bewahrt wurde.

Wenn man sich gegen Rassismus ausspricht, wäre es eigentlich der erste Schritt, den real existierenden Rassismus zu markieren. Erst damit wird man wissen, was zu tun ist.

Fazit: Ich halte den Text (offenbar einer ungenannten Werbeabteilung) für unseliges Gequatsche. Selbst der Rassist wird wissen, dass er hier eine Heimat hat. Man kann das ändern, muss es dann aber auch tun …

Und anstatt „hat“ muss es „haben“ heißen. Das merkt man spätestens, wenn man überlegt, was man denn da geschrieben hat.

Der Ich-Traktorist

Ich weiß, was ich will und niemand hört zu. Muss ich mir jetzt einen Traktor kaufen und ihn dekorieren, damit die Welt eine Chance hat,  meine an sich doch unbedeutende Botschaft zur Kenntnis zu nehmen? – Oder so einen richtig fetten Bulldozer vielleicht

Bulldozer – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele | DWDS

Kennste den?

Jetzt habe ich erfahren, dass ich im Jahr 2024 ein Klassentreffen haben werde. Es wird ein Jubiläum sein. Also vor bald 60 Jahren habe ich die „Realschule für Jungen Essen-West“ mit der „mittleren Reife“ abgeschlossen. Der damalige Direktor der Schule war vor dem Krieg der Klassenlehrer meines Vaters an dieser Schule. Irgendwie hängt man daran. Weil die Schule – immer schon an der Wickenburg gelegen – nun Helmut-Rahn-Realschule heißt, kommt mir unweigerlich etwas in Erinnerung. Wenn man heutzutage über die A40 in unmittelbarer Nähe zur Schule fährt, die zu meiner Zeit noch die kreuzungsreiche B1 war, sind mehrere Brückenüberführungen hintereinander auf 1,4 Kilometer so etwas wie ein Denkmal zum „Wunder von Bern 1954“. Zitiert wird fortlaufend über die Brücken der ARD-Reporter Herbert Zimmermann mit der gebotenen Steigerung im Tonfall: „Rahn müsste schießen, Rahn schießt und TOOOR! TOOOR!!“ – Und kurz danach war Deutschland Weltmeister. Rahn spielte in seiner Glanzzeit bei Rot-Weiß-Essen und dann noch mit sichtbarer Körperfülle bis in die Zeit der Bundesliga. Dann ließ er sich im Essener Stadtteil Frohnhausen nieder und machte irgendwas mit Anhängern. Wenn es da etwas zu schweißen gab, kam er oft zu uns. Mein Vater betrieb damals eine Kunst- und Bauschlosserei und ich war nach der Schule für drei Jahre sein Lehrling. Den Gesellenbrief – geklappt im reisetauglichen Schuber – habe ich noch – aber niemals mehr gebraucht. Meine Episode in Essen war vorbei. Dass ich nun an der heutigen Helmut-Rahn-Realschule war, macht ja doch etwas stolz. Wir haben damals lange Zeit mit gefundenen Pfirsichkernen in der Pause Fußball gespielt und die Kerne dann für die Zeit des Unterrichts  gut versteckt. 

Wenn Geschichte stattfindet, dann sind stets irgendwelche Menschen dabei. Es ertönt auf dem Schulfilm die fette und seichte sowie schwermütige und hoffnungsfrohe von Fußballfans adaptierte Hymne „You‘ll never walk alone“ mit der Stimme von Gerry Marsden, der damit auch vor 60 Jahren die allgemeine Öffentlichkeit betrat, während zahlreiche Schüler und Schülerinnen und die Riege der Lehrenden im Schulfilm das Gebäude nutzen. Das Gebäude hat sich kaum verändert. Aber Schülerinnen und Lehrerinnen gab es damals dort nicht.

Auch nicht uninteressant: Allerdings gab es die „Realschule für Mädchen Essen-West“ die mangels eigenem Schulgebäude in unserer Schule zu Gast war und einen wöchentlichen Wechsel  zwischen Vormittagsunterricht und Nachmittagsunterricht erzwang. An einem Wochentag war der Stundenplan so, dass ich im Herbst oft erst in der fortgeschrittenen Abenddämmerung zur Schule ging. Und als ich einmal ein Schulheft unter der Bank vergessen hatte, das ich für die Hausaufgaben brauchte, musste ich tatsächlich den traumatisierenden Gang in eine Mädchenklasse antreten, die mir bei aller Nähe völlig unbekannt war. Wahrscheinlich hatte die halbe Schule bereits mein Heft gelesen.

Meine Selbstbedienung

Ich kenne noch die meist inhabergeführten Kolonialwarenläden, in denen ich vor allen Dingen mit meiner Oma in den 50er Jahren einkaufen ging. Dort durften die vielen meist männlichen Lehrlinge ab dem dritten Lehrjahr sogar über die Theke bedienen, wenn sie nicht im weißen Kittel und mit einem geflochtenen Korb die Einkäufe auslieferten, wie ihre Kollegen in den ersten beiden Lehrjahren. In diesen Läden gab es nahezu alles, was man sich vorstellen kann, lebende Krebse, die auf Wunsch gern in kochendem Wasser zur Verspeisung vorbereitet wurden. Es gab eine Wurstschneidemaschine, die mit einer Bewegung gleich eine ganze Lage der von mir geliebten Zervelatwurst aufs Papier zauberte. Lediglich frische Milchprodukte gab es dort nicht. Die gab es auf der anderen Straßenseite beim Milchbauer mit der geeichten zentralen Hebelpumpe für Milch auf der Theke. Eine Selbstbedienung wurde in dieser Zeit nicht herbeigesehnt. Im Gespräch mit dem Personal wurden auch spontan formulierte Wünsche erfüllt und alle Fragen fachkundig beantwortet. Es gab also insgesamt überhaupt keine Sehnsucht nach einer Selbstbedienung. 

Ich beobachtete die sukzessive Verbreitung der Selbstbedienungsläden ab dem Ende der 50er Jahre. Damals war ich der Chefeinkäufer der Familie, der allein schon an den obligatorischen zwei Litern Milch in Glasflaschen ordentlich zu tragen hatte. Der erste Selbstbedienungsladen interessierte mich vor allem, weil er neu war. Er lag in einer eher unbedeutenden Straße im Stadtteil und war gerade so groß wie ein Wohnzimmer mit Regalen an den Wänden und in der Mitte dann noch mit einem freistehenden Regal, das ringsum gefüllt war. Man konnte einmal rumlaufen und dann stand da die Kasse mit einer Abstellfläche für Einkaufskorb und Tasche. Es gab eher kleine Einkaufskörbe und in den Regalen noch keine Großpackungen. Alle mussten den Laden mal sehen. Deshalb war da zunächst viel Betrieb. Ich ging aber weiterhin zur „Hilde“, auf halber Strecke zum Selbstbedienungsladen. Was dort einzukaufen war, stand in einer fortlaufend geführten Kladde. Meine Mutter bezahlte dann nach Kladdenlage einmal in der Woche. 

Die zentral geführten Konsumläden (in meinem damaligen Umfeld der Firma Krupp und der Konsumgenossenschaft, die als Coop endete) hatten die rational ausgerichtete Marktmacht, nach und nach Selbstbedienungsläden einzurichten, deren Einkaufskörbe aber mit den Jahren größer wurden und folgerichtig auf Rädern landeten. Der Einkaufswagen wurde angeblich vom Inhaber der Ladenkette Humpty Dumpty 1937 in Oklahoma City auf den Weg gebracht. Er hatte festgestellt, dass die mitgebrachten Einkaufskörbe schnell voll waren und deshalb die Käufer veranlassten, schnell zur Kasse zu gehen, obwohl sie gern noch mehr eingekauft hätten. Erst als er Mitarbeiter mit den Wagen zur Anregung durch die Läden schickte, war der Kunde nach und nach bereit, es ihnen gleich zu tun. Wie dem auch sei: Zum gezielten Einkauf nahm man in den 50er bis 60er Jahren eine robuste Einkaufstasche, die allerdings heftig störte, bis dann am Ende des Kaufs alles umgepackt war. Für die kleinen Einkäufe auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, hatte die pfiffige Frau vorsorglich ein Einkaufsnetz in der Handtasche. Wie Männer einkaufen, das habe ich nicht erfassen können. Die nächste Entwicklung war, dass man mit zweifelhaftem Preisvorteil Großpackungen anbot, die beispielsweise bei Waschmitteln und Toilettenpapier und erst recht bei Getränken, das Maß der Einkaufswagen und erst recht der Einkaufstaschen überforderte. Die zunächst kostenlos und mit aufgedruckter Werbung angebotenen Plastiktüten boten zunächst mehr Stauraum als Einkaufstaschen und verdrängten diese vollständig. Die Folge war schließlich, dass die Einkaufswagen bis an die Grenze der Rangierbarkeit vergrößert wurden und dass man ihnen auf extra eingerichteten Parkplätzen entgegen kam. Der outgesourcte Getränkemarkt stand separiert auf dem Gelände. Fortan waren ziemlich viele Männer an den Einkäufen beteiligt. Sie steuerten ja meist das Familienauto und bewegten dann die Einkaufsmengen. Man brauchte plötzlich weniger Supermärkte, die dann aber wohl autogerecht ausgestaltet waren und der Kunde brachte anstatt der Einkaufstasche eben sein Auto mit. Wer kein Auto hatte, musste lange mühsame Wege in Kauf nehmen oder jemanden kennen, der ein Auto hatte. Mit Blick auf die Umwelt wurde dann die kostenlose Plastiktüte geächtet und kostenpflichtig. Dann war es so weit, dass man in der Gegend rund um die Selbstbedienungsläden, die dann Supermärkte hießen, überall diese Einkaufswagen rumstehen sah. Das lag an zu kleinen Parkplätzen und der Gewohnheit beim fußläufigen Einkauf, den Einkaufswagen möglichst nahe an die eigne Wohnung zu bugsieren. Anwohner beschwerten sich immer häufiger über vagabundierende Einkaufswagen, die Gehwege und Einfahrten verstellten.  In den 80er Jahren beobachtete ich kleine Fahrzeuge mit Warnlampen, mit denen Mitarbeiter der Supermärkte das Eigentum des Marktbetreibers im Stadtteil einsammelten und im Pack zum Eingangsbereich des Marktes vor sich herschoben. Insbesondere die Feststellung, dass der Eigentümer für das haftet, was seine Gegenstände verursachen, hat zu einer besonderen Innovation geführt. Man musste fortan einen Einkaufswagen vor der Benutzung mit Hilfe einer bestimmten Geldmünze zunächst von einer Kette befreien und schließlich wieder an einer bestimmten Stelle anketten, um die Münze zurück zu bekommen. Das funktioniert nun schon sehr gut seit Jahrzehnten. Zunächst unbemerkt wurden die Geldstücke durch wertlose Metall- oder Kunststoffplättchen ersetzt. Aber auch deren Wert reicht offenbar dafür aus, dass der Verlust ganzer Wagen doch sehr selten geblieben ist. Sehr viele dieser Chips sind als Werbung gefertigt und auch wohl wirksam. Man trägt sie ja ständig mit sich rum. Ab und zu geht mal einer verloren oder überschreitet die Toleranz des Sperrmechanismus – sie funktionieren dann nicht.

Gern habe ich die Werbechip eines Zigarettenblättchenproduzenten, einer Gewerkschaft und meines Zahnarztes. Die funktionieren immer. Die zentral geführten Konsumläden (in meinem damaligen Umfeld der Firma Krupp und der Konsumgenossenschaft, die als Coop endete) hatten die rational ausgerichtete Marktmacht, nach und nach Selbstbedienungsläden einzurichten, deren Einkaufskörbe aber mit den Jahren größer wurden und folgerichtig auf Rädern landeten. Zum gezielten Einkauf nahm man eine robuste Einkaufstasche, die allerdings heftig störte, bis dann am Ende des Kaufs alles umgepackt war. Für die kleinen Einkäufe auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, hatte die pfiffige Frau vorsorglich ein Einkaufsnetz in der Handtasche. Wie Männer einkaufen, das habe ich nicht erfassen können. Die nächste Entwicklung war, dass man mit zweifelhaftem Preisvorteil Großpackungen anbot, die beispielsweise bei Waschmitteln und Toilettenpapier und erst recht bei Getränken, das Maß der Einkaufswagen und erst recht der Einkaufstaschen überforderte. Die zunächst kostenlos und mit aufgedruckter Werbung angebotenen Plastiktüten boten zunächst mehr Stauraum als Einkaufstaschen und verdrängten diese vollständig. Die Folge war schließlich, dass die Einkaufswagen bis an die Grenze der Rangierbarkeit vergrößert wurden und dass man ihnen auf extra eingerichteten Parkplätzen entgegen kam. Der outgesourcte Getränkemarkt stand separiert auf dem Gelände. Fortan waren ziemlich viele Männer an den Einkäufen beteiligt. Sie steuerten ja meist das Familienauto und bewegten dann die Einkaufsmengen. Man brauchte plötzlich weniger Supermärkte, die dann aber wohl autogerecht ausgestaltet waren und der Kunde brachte anstatt der Einkaufstasche eben sein Auto mit. Wer kein Auto hatte, musste lange mühsame Wege in Kauf nehmen oder jemanden kennen, der ein Auto hatte. Mit Blick auf die Umwelt wurde dann die kostenlose Plastiktüte geächtet und kostenpflichtig. Dann war es so weit, dass man in der Gegend rund um die Selbstbedienungsläden, die dann Supermärkte hießen, überall diese Einkaufswagen rumstehen sah. Das lag an zu kleinen Parkplätzen und der Gewohnheit beim fußläufigen Einkauf, den Einkaufswagen möglichst nahe an die eigne Wohnung zu bugsieren. Anwohner beschwerten sich immer häufiger über vagabundierende Einkaufswagen, die Gehwege und Einfahrten verstellten.  In den 80er Jahren beobachtete ich kleine Fahrzeuge mit Warnlampen, mit denen Mitarbeiter der Supermärkte das Eigentum des Marktbetreibers im Stadtteil einsammelten und im Pack zum Eingangsbereich des Marktes vor sich herschoben. Insbesondere die Feststellung, dass der Eigentümer für das haftet, was seine Gegenstände verursachen, hat zu einer besonderen Innovation geführt. Man musste fortan einen Einkaufswagen vor der Benutzung mit Hilfe einer bestimmten Geldmünze zunächst von einer Kette befreien und schließlich wieder an einer bestimmten Stelle anketten, um die Münze zurück zu bekommen. Das funktioniert nun schon sehr gut seit zig Jahren. Zunächst unbemerkt wurden die Geldstücke durch wertlose Metall- oder Kunststoffplättchen ersetzt. Aber auch deren Wert reicht offenbar dafür aus, dass der Verlust ganzer Wagen doch sehr selten geblieben ist. Sehr viele dieser Chips sind als Werbung gefertigt und auch wohl wirksam. Man trägt sie ja ständig mit sich rum. Ab und zu geht mal einer verloren oder überschreitet die Toleranz des Sperrmechanismus – sie funktionieren dann nicht. Gern habe ich die Werbechip eines Zigarettenblättchenproduzenten, einer Gewerkschaft und meines Zahnarztes. Die funktionieren immer.

Heute fand ich nach dem Einkauf einen Wagen, der nicht angeschlossen war. Ich habe das dann mal nachgeholt. Es erschien ein merkwürdiges Gebilde: Auf der Oberseite war eine Abbildung der D-Mark aus der Voreurozeit, auf der Unterseite war die Werbung eine rechtsradikalen, menschenverachtenden Partei. Und so spiegeln sich Anteile der Tagespolitik zum Anfassen im Einkaufswagen. 

Mittlerweile arbeitet man daran, die Einkaufswagen GPS-gestützt zu verfolgen und erforderlichenfalls zu blockieren. Es entsteht ein neues Wunderwerk der Technik, das sich dann selbstredend mit anderen Überformungen eines Kaufgeschäfts koppeln lassen. Je mehr der Verkäufer von uns weiß, um so besser kann er uns Dinge verkaufen, von denen wir bis heute nicht wissen, warum wir sie überhaupt haben wollen.

Die Selbstbedienung suggeriert individuelle Freiräume, die sich aber  immer mehr als ferngesteuert erweisen. Optimiert werden Waren und Käufer und allen voran der Gewinn.

Der Petent –  Kummerkasten under Fire

Dieser flapsige Umgang mit dem Petitionsrecht stiftet lediglich Verwirrung und ist Petenten gegenüber mißachtend und unwürdig.

Das Petitionrecht ist in Artikel 17 Grundgesetz und in den Länderverfassungen geregelt. Es steht jedem Bürger offen. Viele Unterschriften und Klicks braucht man dazu nicht, sondern eine Beschwernis, die sich weder juristisch noch administrativ bewältigen lässt. Dass das globale Altruismusgewebe für jedes beliebige Thema  Klickmaschinen bereitstellt und das alles „Petition“ nennt, ist nicht das, was der Gesetzgeber gewollt hat. Dass man Onlinemöglichkeiten eröffnet, das ist okay, dass aber Konzerne ihre Marktmacht damit festigen, ist eine Entgleisung. Ich kenne Petenten, die ganz allein mit einer Petition und gutem Grund und der Unterstützung eines Petitionausschusses (das ist ein Parlamentsausschuss) kirchliche Einrichtungen in die Knie gezwungen haben. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die bis heute sogar ganz ohne Klickbaiting auskommt. Es hat ja nicht derjenige ein berechtigtes Anliegen, der viele hinter sich versammelt, sondern der, der ins Abseits gestellt wird, obwohl man ihm nichts vorwerfen kann.

Dass man eine Betroffenheit mitfühlt, das sagt man schnell daher. Eine wirkliche Betroffenheit ist etwas anderes.

Aschermittwochstext • It’s all over now

Der Karneval ist mit Recht stolz auf seine Tradition, obwohl sie ja von Land zu Land, oft auch von Ort zu Ort Eigentümlichkeiten herausgebildet haben, die gemeinsam kaum in ein Regelwerk passen. Auch historisch gibt es überall Brüche, die sich nicht so richtig als Entwicklung erklären lassen. Das liegt selten an eigenwillig regierenden Prinzen, sondern meist am Zeitgeist,  vollkommen außerkarnevalistischen Ereignissen und Zufällen. Sie gehören dann einfach großzügig dazu und werden aber auch oft irgendwann wieder dem Volkeswillen geopfert, wie die weibliche Jungfrau im Kölner Dreigestirn. Die Historiker der Narretei werden es schwer haben das Geschehen lückenlos zu erfassen. 

Zwei Eigenheiten des Karnevalswesens erscheinen mir so wenig traditionell, obwohl sie so gehandelt werden, dass ich sie erwähnen will.

Das ist zum einen das Ordenswesen. Die militärischen Orden standen da Pate. Als es aber technisch einfach und zudem preiswert wurde, Orden zu entwickeln und zu vervielfältigen, setzte eine Inflation der Orden ein. Aus Gold und Edelsteinen wurde Plastik und der Ausgestalter arbeitete bald an Computern und Maschinen, um die Rohstoffe immer wieder neu zu blinkenden Orden zu veredeln. Dementsprechend gab es eine Inflation der Ordensverleihung jeweils begleitet mit karnevalistischem Kuss. Die Contentkrise zur Zeit der aufblühenden New Wave des Karnevals (Stunksitzung usw.) wird vielfach so beschrieben, dass sich alles auf Formalitäten der Fröhlichkeit mit Ordensverleihung zurückgezogen und darin erschöpft hatte. Man redete gern von Tradition und berichtete darüber, aber viel davon war entleert.

Das sind zum anderen ganz kleine Besonderheiten, die Jahr für Jahr mittels der Presse großspurig als Tradition herausgehauen werden. Ein Beispiel: In einer mir bekannten Stadt hat eine blau eingekleidete Karnevalstruppe den Oberbürgermeister nach langer Inszenierung für ein paar Tage aus dem Amt gejagt, um danach alle Beteiligten zum „traditionellen Käseessen“ zu bitten. Beim besten Willen mag ich in solchen Spezialitäten keine Tradition erkennen. Es ist nur eine äußerst peripheres Ereignis ohne Bedeutung und durchaus vergleichbar mi der Familie X, die heuer zum zweiten Mal an Weihnachten einen Wildschweinbraten aß und nun das Familienoberhaupt als Traditionsbegründer und Geschichtsschreiber der Zukunft überantwortet.

Traditionen retten Vergangenes in die Gegenwart. Das kann vieles erklären. Aber das kann nicht alles gewesen sein.

Ich habe nur einen einzigen Karnevalsorden. Man sagt, er sei sehr selten. Zudem bin ich dem Käse sehr zugetan.

Positionierte Kinder

Auf einer obskuren Fanpage sehe ich demonstrierende Kinder auf Plastiklandmaschinen vor dem Kölner Dom. Die Parolen auf den Fahrzeugen kann ich mangels Bildqualität nicht entziffern.

Das, was dem Bürger ein Verfassungsrecht ist, für oder gegen etwas zu demonstrieren, gilt nicht für Kinder.

Der Gesetzgeber weiß es sehr wohl – wie die Eltern aller Kinder eigentlich auch – dass Kinder erst einen an die Entwicklung gekoppelten Schutzraum brauchen, bevor sie mit den Rechten und Pflichten des Bürgers belastet werden. Das eigenständige Demonstrieren hat eine erste Grundlage, wenn man sich aus der engen Bindung an die Eltern gelöst hat. Dann ist man – je nach Entwicklungsstand – aber schon 12 Jahre alt oder älter. Dann kann man zu bestimmten Themen seine Position auch auf Demonstrationen selbst vertreten.

Was ich auf dem Foto sehe, ist das Ergebnis eines generalstabsmäßigen und instrumentalisierenden Missbrauchs von Kindern für die Interessen Erwachsener. Kinder teilen ursprünglich und entwicklungsbedingt die Positionen der Eltern ohnehin – bis sie eben erwachsen werden.

Bürgerrat fordert kostenloses gutes Essen für alle Schulkinder

Ein erstmalig eingerichteter Bürgerrat hat das Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Und nun liegen die Ergebnisse öffentlich vor.

Der Bürgerrat spricht mangels Tradition so eines Gremiums zur Ergänzung der parlamentarischen Willensbildung als eine Art Seele des Volkes und liefert damit dann auch ein  volkstümliches Ergebnis. So, wie die Bauern in dieser Zeit als Überzeugungsvehikel die Kraft der Treckermotoren einsetzen, so setzt der Bürgerrat im Ergebnis auf den „gesunden Menschenverstand“, der auf kollektiven Hunger mit Speisung reagiert. Politik müsste intelligenter reagieren.

Dass die immer wieder beklagte „Kinderarmut“ eine Armut der Familien dieser Kinder ist und ein Abbild sozialer Ungerechtigkeit, wird gern übergangen. Kindern zu helfen ist Ehrensache. Aber damit direkt auch noch die soziale Lage geradebiegen, das will man dann doch nicht. Man führt die amerikanische Geschichte vom Selfmademan ins Feld, der könne, wenn er wolle für sich und dann auch noch für Frau und Kinder. Sie sind also selbst schuld – diese armen Leute! – Nur den endgültig Abgehängten hilft man dann in Nächstenliebe.

Die historisch veränderte Familie hat einiges beibehalten. Sie ist nicht nur eine überschaubare Wirtschaftsgemeinschaft, sondern zugleich eine soziale Gemeinschaft mit intensiver Zugehörigkeit. Alle Wechselfälle des Lebens haben ihren Widerhall im Beziehungsgeflecht der Familie mit allen Betroffenheiten und Ereignissen des Glücks, des Leids und den damit verbundenen Selbstheilungskräften der Familie. In der Anerkennung dessen sind eine Familienpolitik, ein Familienministerium und eine bürokratische Vielfalt entstanden, die insbesondere auch den Kindern zugute kommt.

In den letzten Jahren sind nun aber die hilfebedürftigen Familien symptomatisch an „Tafeln“ weitergerecht worden, weil das Bürgergeld nicht einmal dem rechnerisch und rechtlich feststehenden Existenzminimum gerecht wird. Das Bürgergeld allein lässt die betroffenen Menschen hungrig und auch sonst defizitär zurück. Die Kinder sind davon besonders betroffen, weil die Familien ihre Kinder nur unzureichend vor der Übermacht der Armutseinbrüche schützen können.

Das familienbezogene Elend spiegelt sich selbstverständlich in den außerschulischen Kontakten der Kinder. Mangelnde Bildung, Begrenzungen im Sprachgebrauch, Hunger und Angst sind also auch in der Schule allgegenwärtig.

Anstatt die Familien und damit auch deren Kinder angemessen zu fördern, macht man, was der traditionell gehobene Helfer schon lange so macht. Er sorgt für ein wohlernährtes Kind und lässt dessen Familie außerhalb der Betrachtung. Man kann sogar sagen, die dem Reichtum etwas näheren Helfer springen für die Familie in die Sorge um deren Kinder ein. Ehrlich betrachtet ist das ein kalter Entzug eines wichtigen Teils des Sorgerechts verbunden mit der Idee, mit gurkenbelegten Erlebnisbrötchen könne man zeigen, dass die Eltern immer alles nur falsch machen. Würde man das Elternrecht so ernst nehmen, wie es der Gesetzgeber verlangt, würde die Ernährung nicht zur optimierten Schulspeisung, sondern zu einem Familiengericht, bei dem alle auf ihre Kosten kommen.

So, wie die Tafeln dem Staat erlauben, bei der gesetzlich verpflichtenden Versorgung der Hilfebedürftigen zu sparen und den Rechtsanspruch durch Samaritergaben zu ersetzen, sollen jetzt die Kinder erfahren, was gesundes Essen ist, das es es dann exklusiv in der Schule gibt.

Richtig wäre es dagegen, die Familien zu befähigen, ihre Versorgung mit Essen wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dazu kann man auch eine Menge entwickeln und übergangsweise sogar auf die Tradition der Butterbrote zurückgreifen, die über Generationen Arbeitnehmer und auch Schüler ernährt haben.

Im Januar 2024

Die Teilnehmerzahlen der Demos gegen Nazis sind überwältigend. Die Idee vom Allgemeinwillen zeigt ihr wahres Gesicht und öffnet den Blick für kommende Zeiten mit Zuversicht.

Mönchengladbach versammelt sich zur demokratischen Selbstvergewisserung gegen nationalsozialistisch Bestrebungen aller rechtsradikaler Gruppierungen.
Mir missfällt aktuell aber, dass der nationalzozialistische Sprachgebrauch das Wort „Remigration“ ideologisch neu besetzt und in diesen Tagen über die Medien als Unwort des Jahres mit der menschenfeindlichen Bedeutung in aller Munde verpflanzt und dass die Harmlosvariante von Nationalsozialismus, nämlich „Fachismus“, zu viel Gemütlichkeit provoziert, die nicht angemessen ist.
Sehen wir uns auf dem Sonnenhausplatz?

Wenn nun noch die ganzen Mitläufer dieser Welt dazu kommen, wird für AfD und Konsorten die Luft dünn. Wir treffen uns auch wirklich gern mit allen Mitlaufenden zum Schnuppertag auf dem weltbewegenden Feld von Vielfalt, Schönheit, Wohlbefinden und Gerechtigkeit und gestalten den Boden der Menschenrechte.


Nachtrag: Oje – ich habe Zweifel, ob ich mitgezählt werde. Ich war – wegen eines Vortermins – veranlasst, mich per Auto zur Demo für die Demokratie zu bewegen. Jetzt geht es nämlich darum, diese rechtsradikale Selbstgefälligkeit der letzten Jahre auf dem Boden demokratischer Daseinsbewältigung neu zu erden. 

Ich bin mit guter Ortskenntnis zum Veranstaltungsort aufgebrochen und hatte mir schon mögliche Parkplätze überlegt. Das Demonstrationsinteresse war noch überwältigender, als ich es erwartet hatte. Ich hätte im Nieselregen wohl einen Weg von 30 Minuten in Kauf nehmen müssen. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte …

Was hier und dort so rumfährt

Für einen Hersteller von Waren – nehmen wir ruhig die Elektromobile – ist es unumgänglich, einen Markt zu haben und zu pflegen. Es ist schlecht vorstellbar, dass der Laden läuft, wenn der Kunde ausbleibt. Gewährleistet der Staat eine erhebliche Teilfinanzierung, dann kann das durchaus über Startschwierigkeiten hinweg helfen. Es ermöglicht aber Käufern und Verkäufern, sich kommod einzurichten und den Geldsegen zu nutzen, um eine marktwirtschaftliche Preisgestaltung so lange zu verzögern, wie es geht. Man sagt dann gern, wie lange man noch braucht, um das preiswerte Elektromobil anbieten zu können, während konkurrierende Anbieter, die außerhalb des Geldsegens produzieren, Tag für Tag mit einem Preis konkurrieren können, der die Ware realitätsgerecht abbildet. Dass der Staat ausländischen Herstellern mit subventionierten Preisen das Leben schwer macht, ist dabei sicher nicht ausgeschlossen und sogar sinnvoll. 

Die Pro-Stück-Finanzierung durch den Staat beinhaltet zudem eine deutliche soziale Ungerechtigkeit, weil die großen und teuren Elektromobile der reichen Menschen gänzlich unbegründet ebenfalls in den Genuss der Staatsfinanzierung kommen.

Der wirtschaftlich und gerecht agierende Staat, der ohne Überfluss existiert, sollte deshalb jede Möglichkeit nutzen, das Geld einzusparen, das Hersteller faul werden lässt und ungerecht verteilt wird.

Mit dem ins Gerede gekommenen Bauerndiesel ist es nicht anders. Offenbar wird die Förderung für die Nachfrage zunehmend aufgerüsteter und stärkere Traktoren genutzt. Die Begründung ist die gleiche, die für überdimensionierte Personenwagen ins Feld geführt wird. Wer diese Traktorenmonster mit blinkenden Lichtern und Weihnachtskrippe in der Frontschaufel auf ihren „Lichterfahrten“  beobachtet, denkt unweigerlich an die Poserszene in den Innenstädten und jedenfalls nicht an arme oder wenigstens spritsparsame Bauern. Zudem bleiben die erheblich gestiegenen Lebensmittelpreise im rechnerischen Nachgang ganz erheblich bei den Bauern hängen. Arme Bauern sind nicht die Regel.

Die spontanen Forderungen der Elektromobilisten in spe und der Traktorenfreunde spiegeln ja eigentlich nur die wirtschaftlichen Interessen der Warenproduzenten. Die wollen gut verdienen, sonst wohl nichts.

Wer hätte das gedacht? – Die ersten Elektromobilhersteller geben schon Rabatte in Höhe der in diesen Tagen eingestellten Förderung. Es geht doch! Der sparsamere Traktor wird auch kein Hexenwerk sein.