Mit Bedacht wählen

Jetzt lese ich wieder überall, dass jemand, der nicht wählt, im Ergebnis die AfD wählt.
Da bin ich andere Ansicht!
Wahlentscheidungen sind das Ergebnis einer Auseinandersetzung und Entwicklung. Sie haben also einen qualitativen Kern, obwohl sie am Ende nur ausgezählt und zu Parlamentssitzen verdichtet werden.
Wahlentscheidend ist also das Niveau der Auseinandersetzung vor der Wahl, kollektiv und für jeden Einzelnen. Wer einfach nur so rumwählt, spült in der Tendenz eine weitgehend unbedachte Stimme in die Urne, die fälschlicherweise so gedeutet wird, als habe sich da jemand Gedanken gemacht und zum Wählerwillen beigetragen. Wir können getrost davon ausgehen, dass ein nicht unbedeutender Teil der Stimmen auf das Konto von Menschen geht, die sich von Wahl zu Wahl traditionsgebunden wiederholen oder ihre Unentschiedenheit bis in die Wahlkabine tragen, in der es dann auch keine Entscheidungshilfe gibt. Und es gibt ernstzunehmende Leute, die bei aller Auseinandersetzung keine Partei finden, die ihre Interessen vertritt und bei der sich zudem belegen lässt, dass sie ihre Interessen mit einer Wirkung durch die Legislaturperioden getragen hat. Mit gutem Grund würden solche Leute keine Wahlentscheidung abgeben und damit aber auch nicht dem dauerdösigen Feld der Wahlegal-Bevölkerung zuzuordnen sein. Sie sind nämlich gute Demokraten.
Demokratischerweise zählen trotzdem alle Stimmen gleich, wie auch die Nichtstimmen.
Was wäre denn nun, wenn die AfD – erkanntermaßen eine Partei abseits der Demokratie mit rassistischen und nationalsozialistischen Attitüden – in den Bundestag käme? Wäre das eine Katastrophe, obwohl es dem Volkswillen entspricht?Ihnen würde der kalte Wind demokratischer Spielregeln um die Ohren pfeifen und sie würden sich der Debatte stellen müssen. Es wäre nicht zwangsläufig so, wie viele schwarzmalen, dass sich die Geschichte der Weimarer Republik wiederholen würde und binnen kurzer Zeit die AfD unumkehrbar an die Macht gespült würde. So, wie man es bereits in den Länderparlamenten sehen kann, würde sich die AfD schon eher selbst zerlegen und an mangelnder Sach- und Politikkenntnis kläglich scheitern. Vor allem aber würde die Erkenntnis ins Wahlvolk zurück gemeldet, dass es niemanden gibt, der einfach mal alles zur Rettung der Welt bei gleichzeitiger Fortschreibung seiner persönlichen Interessen richtig macht. Wenn diese Botschaft ankommt, werden wir uns getrost wieder eine Weile dem Politikgeschäft in der gebotenen Vielfalt zuwenden können und wir werden gelernt haben, dass die Auseinandersetzung vor der Wahl durch keine Partei zu ersetzen ist.

Laborgedanken: Ein Traum wird wahr

Erst war da der Traum: Ich fliege endlos im Naturschutzgebiet über den türkischen Präsidentenpalast und werfe von oben ebenso endlos Schlachtabfälle von Schweinen ab.

Ich brauche mich Gottzeidank dafür nicht zu entschuldigen, denn der Traum ist entgrenzt und selbst für mich außer Reichweite. Ich wohne am linken Niederrhein. Ob der Traum in der Türkei erlaubt ist, trifft mich also noch nicht existenziell.

Hermann Hesse hat ja seinerzeit gesagt, dass niemand träumt, was ihn nicht angeht. Hätte er Recht, wäre die Verantwortung für die eigenen Träume zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen.

Und da kommt mir ein zweiter String in den Sinn: Nicht nur mich treibt die Frage, wie man den despotischen Operettensultan Erdoğan in die Welt der lebenden und verletzlichen Menschen zurückholen kann, um seine Widersacher, aber auch seine folgsamen Vasallen zu befreien. Ich zähle einmal auf, was mir dazu einfällt. Gegen Ende stellt sich eine gewisse Ratlosigkeit ein:

1 freundliches Gespräch führen
2 diplomatische Kontakte spielen lassen
3 öffentlich Tacheles reden
4 grenzüberschreitende aufklärerische Satire inszenieren
5 Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einklagen
6 wirtschaftliche Sanktionen durchführen
7 einmarschieren (Tabuzone)

Jetzt nehme ich meinen Traum zum Anlass, einen weitern Vorschlag zu konzipieren, der bei Raketenstufe 4 angesiedelt ist.

Das Schwein (ibne) ist ja für den strengen Moslem Erdoğan der Inbegriff des fiesen, dem es auf dem Weg zu gehen gilt. Seinerseits ist das Schwein deshalb auch immer für eine Vertreibung gut. Die Vorbehalte gegen das Schwein kenne ich von einem türkischen Schiffskoch, der in der eher christlichen Seefahrt massenweise Schweine verarbeitet hat und nun in seinem Restaurant hier in der Nähe zum Ausgleich ganz bewusst auf Schweinefleisch verzichtet. Man könnte mit herabfallenden Schweinen irgendwie symbolisch, aber auch faktisch, die Vertreibung Erdoğans aus dem Paradies der 1000 Zimmer vorantreiben.

Weil ich ethische Bedenken habe, das Schwein persönlich für so etwas zu instrumentalisieren, weiche ich jetzt auf das Glücksschwein aus, das nebenbei noch signalisiert, dass es mit viel Glück nur noch besser werden kann. Ich stelle also eine Armee der Art Fremdenlegion aus Glücksschweinen auf, die dann der Waffengattung Luftlandetruppen zugehörig sind. Jedes Glücksschwein wird mit einer Botschaft – was ich Herrn Erdoğan immer mal sagen wollte – und einem niedlichen Fallschirm ausgestattet. Ich lasse mit von Kim (dä Jung) einen ausgemusterten Flugkörper schenken, weil es sich ja um eine gute Sache handelt. Dann lasse alle Glücksschweine vor der zusammengerufenen Weltpresse bei gutem Wetter über dem Präsidentenpalast abspringen. Das wird ein großes Hallo, und alle Welt weiß, dass Erdoğan dem Schwein das Wasser nicht reichen kann und als Wurst der Weltgeschichte endet. – Na, okay – das Konzept muss noch etwas im Detail ausgearbeitet werden. 

Man sieht jedenfalls schon, dass Träume nicht so ganz sinnlos sind.

Wie weise Wahl Werbung wäre, wenn …

Ist euch das auch schon aufgefallen? In der Wahlwerbung vieler Parteien findet sich immer wieder ein Satz in zwei unterschiedlichen Varianten:

Variante 1: Linksextremismus ist zu lange verharmlost worden.

Variante 2: Rechtsextremismus ist zu lange verharmlost worden.

Beide Sätze schließen sich nicht aus. Für beide Sätze gibt es jeweils  Belege. In dieser Form regen Sie aber an, nur einen Satz so zu deuten, als sei der andere falsch oder zumindest bedeutungslos.

Beide Varianten entstammen einer unfassbar verschwurbelten Bedeutungswolke mit Rohmaterial, um die politische Stimmung nach rechts oder links zu drehen. Dabei ist das über 100 Jahre gepflegte Rechts-Links-Deutungsschema längst ausgemustert, weil es in der Gesellschaft darum geht, ob Freiheitsrechte geachtet und Gerechtigkeit durchgesetzt werden. Zudem ist es eine Binsenweisheit, dass bei näherer Betrachtung stets der Eindruck entsteht, dass etwas mehr hiervon oder davon besser wäre. Siehe auch: Horst Schlämmer – Isch kandidiere! 2009. Der Protagonist Schlämmer überzeugt im Film allein damit, dass da, wo irgendetwas ist, mehr werden muss.

Die Abtrünnigen werden nicht gemocht, aber man berichtet gern über sie

In Niedersachsen wechselt die politische Mehrheit im Parlament, weil eine Abgeordnete ihre Position jetzt in einer anderen Partei vertritt.

Politische Mandatsträger werden nicht in Parteien hinein geboren. Sie werden aus freien Stücken Mitglied, jedenfalls unter demokratischen Verhältnissen. Sie wechseln sogar auch ab und zu die Partei. Danach zeigt sich stets, dass die Partei eigentlich mit einer Leibeigenschaft kalkuliert hatte und mit jedem Abgeordneten deshalb auch ein Sicherheitsrisiko ins Rennen schickt. In der irgendwie beschädigten Partei ist nach so einem Parteiwechsel stets vom Verrat am Wählerwillen, von einem skandalösen, unwürdigen und schmutzigen Spiel und fehlendem Rückgrat die Rede. Das machen eigentlich alle Parteien so, während die jeweils gegnerischen Parteien Freude haben. Nur das Direktmandat schützt den Abtrünnigen noch etwas vor dem Vorwurf, er sei ja eigentlich gar nicht gewählt worden und solle sich deshalb auch nicht so aufführen.
Wenn es auf einen einzigen Mandatsträger ankommt, weil an ihm eine Mehrheit hängt, dann wird besonders dramatisch reagiert.
Dabei wird der Bürgerwille sehr gut und vollkommen emotionsfrei im Grundgesetz und den Verfassungen der Länder geregelt. Der Abgeordnete ist niemandem gegenüber verantwortlich. Es soll das ganz einfach so machen können und es zeigt sich danach stets, dass Parlamente insgesamt stets so gut sind, dass sie solche unvorhergesehenen Situationen gut bewältigen können. Für einen Wechsel gibt es keine Zeitvorgaben, keine moralischen Maßstäbe und nicht einmal eine grundlegende Vernunft, die vorgeschrieben wäre. Das will also der Wähler! Und er wird meistens nicht enttäuscht. Bei der nächsten Wahl wird er auch sein Votum im Licht von Parteiwechseln und deren Bewältigung abgeben. Dass der Souverän gewollt haben soll, dass ein Parteiwechsel nicht stattfindet und alte Mehrheiten im Sinn des Wählers erhalten werden sollen, ist viel zu kühn auf eine statische Machterhaltung bezogen. Man sollte darüber nicht ernsthaft reden wollen wenn man will, dass die Politik etwas bewegt und dass der freie Abgeordnete auf Zeit das machen kann, was er will.

Ganz nebenbei: Als Wähler würde mir jedenfalls sauer aufstoßen, dass die besagte Abgeordnete im sicheren Hafen der ausersehenen neuen Partei ihre gewandelte Position vorgetragen hat. Eine selbstverantwortliche, freie Abgeordnete hätte auch auf sich selbst gestellt eine Lautsprecheranlage finden müssen.


Nachtrag am 6. August 2017:
Wie die Presse jetzt berichtet, hat der mittlerweile ohne Mehrheit regierende Ministerpräsident Weil eine Regierungserklärung zur Korrektur dem für Niedersachsen besonders bedeutungsvollen Industriekonzern Volkswagen vorgelegt. Es ging wohl darum, den Abgasskandal „richtig“ darzustellen. Nun kann er zwar sagen, er habe trotzdem die Sichtweise der Regierung für die Endfassung durchgesetzt. Das wird ihm aber niemand abnehmen. Unter solchen Bedingungen ist eine Gefolgschaft einer Parlamentsmehrheit ohnehin mehr als fragwürdig.

Leitkultur

In den Versuchen einer Debatte zur Leitkultur höre ich nur banale Selbstverständlichkeiten und Vorgedachtes, das der Bürger so ohne weiteres nicht nachdenkt und das bei ihm auch keine Debatte auslöst. Die Idee dahinter ist es wohl, aus einer höchst dynamischen Kultur eine statische Kultur zu formen, die unwidersprochen für irgendwelche Neulinge zu gelten hat. Das muss ja scheitern!

Integration ist in Wahrheit Inklusion! Da wird nicht jemand in eine unbeschreiblich vielfältige Kultur eingebaut, sondern es treffen sich schon lange viele Kulturen mit je und je eigenen undurchschaubaren Parametern, die tagtäglich ihre Verständigung aushandeln.

Zu integrieren wäre bestenfalls der fehlgeleitete Deutsche, der die Bundesdienstflagge auf den Balkon gehängt hat und anstatt sich als Deutscher zu präsentieren, eine Ordnungswidrigkeit begeht.

  • Krass, solche Typen!

Aus dem Zyklus: Einmischung in innere Angelegenheiten

Im Kalten Krieg, als es noch den Ostblock und den selten so benannten Westblock gab, wurden grenzüberschreitende Themen stets von der anderen Seite mit der Bemerkung gekontert, man verbitte sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten. „Aus dem Zyklus: Einmischung in innere Angelegenheiten“ weiterlesen

Radikalismus als Entwicklungsstörung

Der Glaube an einen einzigen Gott, der zudem Inbegriff alle Guten ist, bringt es mit sich, dass einzelne Menschen sich ihm so nahe wähnen, dass sie ihn fast schon im sicheren Besitz zu haben glauben. Dann wandelt der Gott plötzlich seine Bedeutung und wird zur Ware. Er ist verfügbar und nicht mehr der unantastbare Garant einer heilen Welt. Die monotheistischen Religionen haben immer wieder große bis dominante Strömungen, das dialogisch-dialektische Verhältnis zu ihrem Gott auf die Erde zu holen, ihn in Institutionen zur Verwaltung des Glaubens als heißestes Eisen unterzubringen und dann in seinem Namen für ein Heil zu sorgen, das sich nach der Besitznahme als das Gegenteil, also als Unheil entpuppt. Insbesondere Menschen, deren Entwicklung noch nicht – oder immer noch nicht – abgeschlossen ist, suchen Antworten in einfachen Lösungen nach dem Modell der Rollenidentität und lassen sich, wie in der Kindheit von den Eltern, vorschreiben, wie die Welt zu deuten ist. Der auf der Erde vermarktet Gott ist ihnen sympathischer als ein Gott, der mit theologischer Annäherung immer bunter schillert und im positiven Sinn frag-würdig ist wie der eschatologische Vorbehalt, die allerletzten Dinge des Lebens und des Glaubens nicht wissen zu können. Eine prinzipiengeleitete und flexible Ich-Identität, die in modernen Gesellschaften grundsätzlich  überlebensnotwendig ist, steht für die Freunde der einfachen Lösung nicht an. Damit gäbe es für sie zeitgemäße Voraussetzungen, Friedfertigkeit in eigener Verantwortung und trotzdem kompatibel mit kollektiven Strömungen zu gestalten. Aber sie sind ja noch nicht so weit. „Radikalismus als Entwicklungsstörung“ weiterlesen

Wen zu wählen ich geneigt bin

Wohl seit über 50. Jahren steht auf der Todo-Liste aller politischen Parteien eine Steuerreform mit einem deutlich gerechten Ergebnis. Insbesondere reiche Menschen werden ohne akzeptablen Grund reicher und andere ärmer. Zweifel daran bestehen nicht.
Wenn nun Parteien gewählt werden wollen und zu diesem Zweck eine Steuerreform ankündigen, dann glaube ich kein Wort, denn schließlich waren alle bisherigen Ankündigungen erfolglos. Dafür kann auch kein mieser Koalitionspartner oder eine Partei verantwortlich gemacht werden, in der ab heute angeblich alles besser sein soll.
Ich würde eine Partei also nicht auf der Basis von Versprechungen wertschätzen, sondern erst nach einer wirksamen Steuerreform.
Rund um solche Grundmarken demokratischer Politik wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Wohlstand, Zuverlässigkeit und Sicherheit, gibt es noch viele andere Themen, zu denen das Gleiche zu sagen wäre.
Zur Wahl stehen für mich also nur Parteien, wenn sie einmal etwas bewegt haben werden und zur Not solche Parteien, die noch nie in einer Regierungsverantwortung waren und zumindest über halbwegs biophile Konzepte verfügen. Zwischenzeitlich wende ich mich gern Parteien zu, die das politische Kabarett in die Parlamente tragen. Sie stärken die allgemeine politische Sensibilität grundlegend, auch wenn andere nichts liefern.

Alles offen!

Dass die neue Landesregierung in NRW nun ein Paket verkaufsoffener Sonntage auf den Weg geben will, hat den Geschmack der Klientelpolitik, wie sie die FDP kocht und fügt sich nicht in eine abgestimmte Koalitionspolitik. Offenbar werden vor allem Anteile an der Politik als Ressorts verteilt, die dann jede der Parteien für sich allein ausfüllt.
Dabei gäbe es im politischen Diskurs um solche Sonntage viel zu sagen: Solche Tage vermehren das lockere Geld in den Taschen der Bürger nicht. Bestenfalls kanalisieren sie die Kaufkraft Richtung Sonntag zu Lasten der anderen Wochentage. Vielleicht kanalisieren sie auch etwas Geld in andere Branchen, also weg von Gemüse und Brot hin zum Sommerkleid nebst Fidgetspinner für die Kinder. Gewerkschaften fürchten die unbegrenzte Verfügbarkeit und Ausbeutung ihrer Mitglieder. Und die Kirchen halten einen Tag in der Woche für erstrebenswert, an dem wirklich mal Ruhe ist.
Der verkaufsoffene Sonntag dient ja eigentlich auch nur dazu, dem Rad des Konsums keine Pause zu gönnen, damit der Bürger nicht vielleicht doch im Moratorium auf den störend guten Gedanken kommt, seinen Reichtum ganz anders zu begründen als mit den Waren, die er haben will und die den Konsum voran treiben.
Unter dem Aspekt der Toleranz würde ich mich nicht einmal gegen solche Sonntage wehren. Ich werde von ihnen ja nicht aus den Citylagen vertrieben und kann mich getrost an anderen Stellen der Stadt und dem Land dem widmen, was mir gefällt. Ich finde keinen Reiz dabei, mich sonntäglich durch Geschäfte zu wühlen und dann noch eine Bratwurst nebenbei zu essen. Wer nichts ausgeben möchte oder kann, fühlt sich dort ohnehin deplatziert.
Stell dir vor, es ist verkaufsoffener Sonntag und niemand geht hin! (frei nach Brecht).
Eine wunderbare Vorstellung — und zum Schluss kommt niemand auf die Idee, verkaufsoffene Sonntage haben zu wollen und der Markt regelt doch alles selbst — wenn der Konsument mündig agiert. Es ist eine Schnapsidee, Zeiten und Orte für einen neuen Markt zu bündeln, um immer noch etwas mehr zu haben. Jetzt fehlt nur noch der 8 Wochentag. Leider haben wir dazu das erforderliche 13. Monatsgehalt bereits fast wieder abgeschafft.

Versprochen!

Dass Politiker viel versprechen und wenig halten ist eine Binsenweisheit, auch wenn Politiker so tun, als ob es nicht so ist.
Aber sie sind wirklich in einem unauflöslichen Dilemma.
Wer mehr verspricht als der andere, ist im Vorteil. Man muss also alles versprechen, was der geneigte Wähler gern mag. Wenn man dann nicht gewählt wird, dann ist das ja nicht so schlimm, weil für diesen Fall die Erfüllung der Versprechen ohnehin ausgeschlossen ist. Wenn man allerdings gewinnt, dann wird es ernst.
Man wird dann klammheimlich die ausbleibenden Reformen verschweigen und sehr stark kleine Showeffekte an die große Glocke hängen oder Koalitionspartnern zuschreiben, dass sie dagegen waren,

bestimmte Versprechungen zu realisieren. Beliebt ist es auch, Erfolge zu behaupten und im postfaktischen Zeitalter knallhart zu belegen. Dabei stellt sich dann heraus, dass behauptete Erfolge meistens nicht so ganz wahr bis Unwahr sind. Der WDR hat in seiner Reihe #wahlwatch „Der Faktencheck zur NRW-Landtagswahl“ erstmalig die Probe aufs Exempel gemacht und die ganze Szene der Berufspolitiker entlarvt, die Fakten mehr oder weniger ihrem präsentierten Selbstbild geopfert zu haben. Zum Schluss bleiben diejenigen Politiker mit ihren Parteien glaubwürdig, die in der Opposition noch nie ihre Versprechen realisieren mussten. Aber meistens geht die Sache trotzdem für die Politiker gut aus, die ihre Versprechen niemals erfüllt haben. Sie haben den Wähler daran gewöhnt, dass er sie wegen der versprochenen Steuerreform wählt, die dann allerdings im Kern immer wieder über Jahrzehnte aufgeschoben wird.