Das ist ja der Gipfel!

Eine der größten Verschandelungen der Natur sind die Gipfelkreuze. Sie haben zudem auch keine Tradition, weil der Weg zum Gipfel traditionell schwer zu gehen und auch kein lohnendes Ziel ist. Gipfel gewinnen ihre Bedeutung erst aus dem Wettbewerb, sie zu erreichen. Religiös aufgeladenen Wegmarkierungen zeichnen zwar Landschaften aus, aber nur dort, wo es Wege gibt. Ein Gipfel ist selbst schon markant genug.

In diesen Tagen wird übrigens das Gipfelkreuz – 4,88 Meter hoch und 300 Kilo schwer – der Zugspitze per Hubschrauber abgeholt und nicht von Wanderern oder Bergsteigern. Das ginge ja auch gar nicht. Wenn die Spuren der Touristen – vor allem kiloweise Aufkleber – vom Kreuz entfernt sind, wird es neu vergoldet und dann kommt wieder der Hubschrauber.

Und auf der Zugspitze gibt es zudem die Besonderheit, dass das Gipfelkreuz auf merkwürdige Art an anderer Stelle bereits erneuert wurde, um die Abstürze der Besucher am eigentlichen Gipfel zu unterbinden. Wenn der Gipfel wirklich als der höchste Punkt definiert ist – und alles spricht dafür – dann kann man Gipfelkreuze überhaupt nicht versetzen. Das Kreuz zwei soll die klebenden Touristen vom Kreuz eins nun auch ablenken – Viel Freude im Urlaub!

Ich liefere gern prompt einen geschmackvollen  dreieckigen Aufkleber (Modell Gipfel) mit dem Text: „Ob Regen, Schnee und HitzeDas Gipfelkreuz ist Spitze!“ Die Liste mit gestaffelten Preisen übersende ich auf Anfrage gern.

Seltene Erden

Mir kommt der Begriff „seltene Erden“ schon sehr lange recht merkwürdig vor. Erde ist ja nun fast alles unter der Luft. Daran kann ja eigentlich nichts seltenes sein, wenn es Erde in Hülle und Fülle gibt. Ginge es um etwas spezifisches aus der Erde, ist es doch ziemlich verwirrend, wenn man das Spezifische als das Seltene bezeichnen müsste. Redlich wäre es, das spezifische in der Erde einfach mit dem Namen eines Elements oder einer spezifischen Verbindung von Elementen näher zu bezeichnen. Dann könnte man ja danach suchen. Es wäre dann ja auch nicht Erde schlechthin, sondern einer der Bodenschätze, wie es sie immer schon gibt. Selbst wenn es um mehrere Elemente geht, ist die Erde selbst nur deren nebulös formulierter Aufenthaltsort.

Ich habe nun einmal den sich nervend anbiedernden Gefährten Chat Gpt gefragt. Er sagt ohne Umschweife, dass die „seltenen Erden“ eigentlich mehrere präzise bestimmte Stoffe sind, die ziemlich unspezifisch überall auf der Welt in kleinen Dosierungen so rumliegen und bergmannstechnisch eingesammelt werden müssen. Das kann man auch überall machen. Man muss aber – noch mehr als schon beim vorindustriellen Goldsuchen bekannt – solche Unmengen von Erde bewegen, dass der vereinzelte Sucher nicht entscheidend fündig wird und unvorstellbar große Teile unserer Erde als Kollateralschaden derart erodieren würden, dass sich das Umweltproblem nicht mehr verträglich bewältigen ließe.

Wir sind also gut beraten, die seltenen Erden in undemokratisch verfassten Ländern mir vielen armen und ungebildeten Menschen und finanzkräftigen Investoren zu Tage zu fördern und dann am Weltmarkt zu Geld zu machen.

Wir behalten dann wenigstens die Illusion, dass seltene Erden leider immer nur woanders sind. Wir kaufen dann lediglich geschürfte „seltene Erden“ und verbasteln sie zur Hochtechnologie. Wenn mein abtelefoniertes Handy dann in einem armen Land der Erde zu Tode telefoniert worden ist, wird das Handy selbst direkt zum Rohstoff, dem die seltenen Erden für eine Kreislaufwirtschaft die „seltenen Erden“ entzogen werden. Es gibt eine beruhigende Arbeitsteilung in einer geteilten Welt. Der Bergbau ist in den reicheren Ländern der Welt Gottzeidank und endlich Geschichte. Aber sie telefonieren sich dort nun zu Tode und fixen damit die ganze Welt an. Das Reden von den „seltenen Erden“ ist zum Märchen verkommen und rettet das Gefühl der Gemütlichkeit, fast ohne sich um das Erdenrund zu scheren.

Nachtrag: Der besagte Chat Gpt löst zumindest die heiligen Erden auf. Er sagt, es gehe um „eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, meist die Lanthaniden (von Lanthan bis Lutetium) plus Scandium und Yttrium. Beispiele: Neodym, Cer, Dysprosium, Europium, Terbium usw.“

Ziemlich Smart

Wenn ich mit meinem Smart endlich einen Parkplatz finde, dann fahre ich so weit wie es eben geht in die Parklücke. Der Grund ist, dass mir die Hoffnung der anderen Parkplatzsuchenden am Herzen liegt.

Das stimmt natürlich nicht!
In Wahrheit habe ich viel Freude an den hier gerade Lesenden und ihren Hasstiraden.

Die Einbahnstraße

Wenn man bestimmte Orte öfter anfährt, folgt die Parkplatzsuche meist bestimmten Ritualen. Heute bin ich dabei von der falschen Seite in eine Einbahnstraße gefahren. Die Einbahnstraße gab es bisher nicht. Ich hatte es also nicht für nötig gehalten, die Beschilderung zu überprüfen. Allerdings hätte ich mich vermutlich auch bei einer kognitiveren Aufnahme der neuen Beschilderung von der unzulässigen Seite in die Straße begeben. Mein Parkplatz war nämlich der erste hinter dem roten Schild mit dem weißen Balken. Der zugelassene Weg dorthin wäre ungefähr einen Kilometer weit gewesen. Niemand würde um einen Park und einen großen Wohnblock herumfahren, um einen vielleicht noch unbelegten Parkplatz zu ergattern.

Als ich wieder weg fuhr, dachte ich einen Moment daran, dass meine übliche Sorgfalt durch Alterserscheinungen ausgebremst wird. Da fühlte ich mich dann aber doch rehabilitiert und gut aufgehoben, als ich meine Parklücke nicht verlassen konnte, weil auf der Straße ordentlich Verkehr war. Direkt hintereinander fuhren insgesamt sieben Autos – alle in der verbotenen Richtung. Ich hätte gern den Verkehr dort noch weiter beobachtet. Ich habe mich dann aber doch gezwungen, diesen wilden Tatort nachdenklich zu verlassen.

Müll Special

Die dünnwandigen Plastikeinmalflaschen zerkrausen sich unweigerlich beim letzten Schluck aus der Pulle. Um keine Fehlversuche  am  Flaschenrücknahmeautomaten zu provozieren, sind wir gut beraten, einmal mit einem kräftigen Luftstoß aus dem Mund die Flasche wieder mit dem dafür typischen begleitenden Knistergeräusch in eine annehmbare Form zu bringen und dann fest zu verschließen. Diese Aufbereitung vor der Zerstörung ist mit dem meist günstigen Kaufpreis ausgeglichen.

Für Ungläubige biete ich gern Kurse an. Sie finden mich als Dienstleister direkt am Rückgabeautomaten.

Der Normalfall des Regens

Der normale Meteorologe hat offenbar eine besondere Freude an Spracherfindungen. Er lädt diese Erfindungen dann in der Fachsprache der Meteorologen ab. Da darf man also nur mitreden, wenn man fachlich dazu gehört. Die Zugriffsmöglichkeit eines Meteorologen auf die Allgemeinsprache ist dagegen unbedeutend, denn daran arbeitet jeder unter Gleichen mit, der eine Allgemeinsprache nutzt. Nun will der Standardmeteorologe aber sehr gern, dass sein außerfachliches Klientel seine Spracherfindungen nutzt und wissenschaftsgläubige Anerkennung rüberschiebt.

Ich wettere ja seit Jahren gegen die kommunikationsstörende Erfindung eines spezifischen Beginns der Jahreszeiten, den es überhaupt nicht gibt und eine eigenwillige Kategorisierung des Regens nach Heftigkeit. Ich schließe nicht aus, dass ich hier etwas wiederhole – aber höchstenfalls eine Nebensächlichkeit.

Nun hat der DWD – Deutscher Wetterdienst – den Bürger auf eine vage Bedeutung mit exakten Messspielräumen eingestimmt:

ARD -MIMA(den Wettermann habe mal abgeschnitten)

Dahinter verbirgt sich aber ein Kontinuum. Wenn es regnet, schwankt die Intensität des Regens – ständig. Das ist dem Meteorologen wohl zu variabel, um den Regen in den Griff zu kriegen. Mit willkürlichen Gefrierschnitten durch den Fall des Regens bildet er zum Zweck des Kategorisieres drei unterschiedliche Regen. Dann benennt er sie. Dabei verlässt er einmal kurz sein fachliches Interesse und ringt um Wörter anstatt die Kategorien als Hilfsmitten einfach formal zu benennen, also beispielsweise R1, R2 und R3. In fernen Zeiten käme dann wohl bei einem Jahrtausendregen noch R4 dazu. Der Meteorologe hat also zunächst den Regen, der einfach nur so herumregnet vor Augen. Wenn der Regen aber die bestimmten Kriterien erfüllt und stärker wird, dann heißt er ab einem bestimmten Punkt Starkregen. In einer Unsitte wertet er diesen qualifizierten Regen 1 mit einem neuen Namen auf, indem er das Adjektiv zum Bestandteil des Substantives macht. Das ist gerade so, als ob jemand schön träumt und fortan meint, er wäre ein Schönträumer – der vielleicht schon bald zum Horrorträumer mutiert. Bei der nächsten Stufe – Regen 2 – macht Meterologe den „Starkregen“ in der Wortwahl heftig. Stark und heftig haben dabei keinen merkbaren Bedeutungsunterschied. Wenn man den Heftiggstarkregen so nicht aussprechen mag, dann könnte man wohl verständlicherweise heftiger und starker Regen sagen. Und Regen 3 ist dann also der Extremheftigstarkregen den man so sicher nicht aussprechen mag. Regen 3 soll also ein extrem heftiger und starker Regen sein. Das ist sehr viel verständlicher, aber die drei Adjektive verschwimmen trennunscharf und bedeutungslos ineinander. Ich könnte für Regen 4 auch jetzt schon eins draufsetzen, befürchte aber etwas ganz Schlimmes: Die Kategorien werden schon bald zur weiter differenzierenden Dokumentation und Erforschung des Regens nicht ausreichen und durch ein neues Kategoriensystem, also beispielsweise Re1 bis Re10 ersetzt werden. Dann werden die Meteorologen wahrscheinlich final sprachlos und halten sich von Übergriffen auf die Allgemeinsprache fern.

Und dann noch: Das ZDF kündigt in den Nachrichten dieser Tage „Extrem ergiebigen Dauerregen“ an. – Da weiß ich jetzt auch nicht mehr weiter. Vielleicht kommt das ja übersetzt aus der Wetterkunde der Maori, die das Wetter  traditionell besser kennen als so ein fieseliger Thermo-Joe aus good old Europe mit Sprachstörungen.

Reerding oder Wir sind am kompostieren

Reerding soll eine neue Form der Bestattung sein. So geht es jedenfalls mit Werbeeffekt durch die Presse. Eigentlich geht es dabei um das kontrollierte Schnellkompostieren. Man kennt das aus dem Hinweis in der Bibel (1 Mose 18,27) entnehmen (Asche zu Asche, Staub zu Staub …).  Als man noch Ehrfurcht davor hatte, dass die Natur das eigentlich selbst macht, was jetzt in gepimpter Form in den Markt gedrückt werden soll, entnahm man derartige Hinweise meist aus der Bibel. Das Ergebnis des Reerdings ist jedenfalls naturnah und weitgehend umweltfreundlich, also voll im Zeitgeist. Dagegen ist die so beliebte Feuerbestattung zunächst einmal ein Fanal der ökologischen Verzweiflung, das 242 Kilogramm CO₂ pro Person in den Himmel oder sonst wo hin bläst.

Das extra geschöpfte Wording „Reerding“ schwappt ebenfalls im Zeitgeist umher. Es ist erdig deutsch und in der Verlaufsform (Gerundium) doch reines Englisch. Da lacht der englische Nativespeaker sich schlapp und der Deutschsprachlerin nimmt wohlwollend und bereichernd einen Hauch Internationalismus in sein endliches Leben auf.

Wenn dich der Tod wirklich interessiert, empfehle ich trotzdem: Bert Brecht: Es gibt viele Arten zu töten, aus: Me-ti. Buch der Wendungen …

Das Auto ist sauber!

Wenn ich mein Auto wasche, dann orientiere ich mich am Verschmutzungsgrad des Autos, der kurzfristig zu erwartenden Wetterlage und an einem Zeitpunkt, an dem andere Autowaschende mutmaßlich eher selten eine Waschanlage aufsuchen.

Ist dort das Andrang zu groß, dann muss man warten, es sinkt die Waschleistung und es gibt Engpässe bei den Staubsaugern, die nach der eigentlichen Wäsche zum Einsatz kommen.

Der Vormittag am letzten Donnerstag erschien mir nach aller Erfahrung ideal. Die Freitage und Samstage scheiden für mich per se aus. 

Ich war total erstaunt, als am ausgewählten Donnerstagmorgen eine zweispurige Autoschlange bis zur Straße reichte und sämtliche Saugplätze belegt waren. Mit erheblicher Zeitverzögerung war dann mein Auto mit Handarbeit doch ziemlich sauber und die Schlange der Wartenden verstopfte mittlerweile die Straße. Ich war verwirrt! –

Erst in den Abendnachrichten gab es ein Interview mit einem Autowaschexperten, der begründete, weshalb der Saharastaub der letzten Tage hobbymäßig nicht zu bewältigen ist und nur den geliebten Lack verkratzt.

Jetzt interessiert mich an Wetterberichten fast nur noch der Saharastaub. Die Welt wächst zusammen und die verdreckten Autos nehmen zu. Wenn nicht tagtäglich Saharastaub dem Individualverkehr zu schaffen macht, sind es – beispielsweise in Deutschland – oft hohe zweistellige Zahlen an abgefrühstückten Pizzaschachteln. Mein Freund J. aus Studententagen fuhr damals in seinem R4 sogar eine dreistellige Zahl Pizzaschachteln nutzlos durch die Gegend. Kein Staubsauger der Welt käme damit zurecht. Einen Pizzaschachtelpfandautomaten an Waschstraßen vermisse ich schon lange.

The sun ain’t gonna shine anymore 

Unter der Sonne von Chamonix schlägt ein deutscher Skirennläufer, der sich auf der Rennstrecke verfahren hat, mehrfach mit voller Wucht seinen Skistock auf den Schnee. Der Schnee ist eigentlich gutmütig und hat sich dort saisonbedingt niedergelegt und mit der Sonne arrangiert. Wäre er jetzt eingeschnappt, würde die nächste Skisaison vermutlich bereits erledigt sein. Die sinnlosen Aggressionen der Skirennläufer bedürfen auf alle Fälle einer Regelung, um schöne Bilder in einer strahlenden Kunstlandschaft dauerhaft zu sichern.

Schnee satt

„Weil es zu viel Schnee hat, kann auch das zweite Rennen in Val di Fassa nicht stattfinden.“ steht in der Zeitung.

In der Folge des Klimawandels rechnet man ja ständig mit nie dagewesenen Kapriolen. Dass dem Wintersport der Schnee ausgeht, gibt es ja bereits sehr häufig. Dass zu viel Schnee da so rumliegt und damit die Sportveranstalter ausbremst, ist aber zutiefst widersinnig. Offenbar liegt es daran, dass der Wintersport normiert ist und nur wenige Toleranzen kennt. Beim Profisport sind die Grenzen noch enger, um die Wettkampfgerechtigkeit zu erhöhen. Am liebsten hat man – das ist aber nur meine Vermutung – den aus Wasser hergestellten Normschnee, den man so herrichten kann, dass er alle Wünsche erfüllt. So betrachtet, findet der optimierte Wintersport ohne jeden Schneefall in einer Halle statt. Wenn der Schnee stört, dann stellt sich doch die Frage, ob der Wintersport überhaupt in den Winter gehört. Die sagenumwobenen Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi sind ein Beispiel dafür, dass man an allen möglichen Orten alles mögliche veranstalten kann, wenn man nur die Geldströme entsprechend lenkt und sich die Sache rechnet.